Inhalts-
verzeichnis

Sie sind hier: www.familie-von-rueden.de ::: Geschichte der Stadt Rüden ::: Band 1 - Kapitel 4





Band 1

RÜDENER URGESCHICHTE

Dargestellt nach Anleitung der allgemeinen altdeutschen Zustände; als notwendige Grundlage für das verständnis der ganzen Rüdener Geschichte.

Kapitel 4

D. Geschlechts- und Familienverband im Staate

überhaupt und bei den Urbewohnern der Rüdener Gemarkung sind in der Geschichte der ältesten Ansiedlung in derselben nachgewiesen.

(§.11.)

Was war aber zuletzt das Band, die Grundidee aller gemeinheitlichen Verhältnisse? Es war, wie bei Juden, Griechen und Römern und wie im ganzen Altertum ein alle Verhältnisse umfassender Geschlechts- und Familienverband.

Ob die einzelnen Völker, ihre Abteilungen und Unterabteilungen wirklich miteinander blutsverwandt waren oder nicht, das macht nichts aus; genug, die Idee einer solchen Verbindung war da, die ihren letzten Endpunkt in einem gemeinschaftlichen Stammvater findet. Das ganze Volk, jeder Stamm, jedes Geschlecht, jede Familie fand in der Idee eines gemeinsamen Stammvaters ihren Einheitspunkt.

So wie alle Hellenen von Hellen entstammten, alle Dorier von Dorus, alle Ionier von Ion, alle Herakliden von Herakles, alle Protiden von Protios, alle Alkmäoniden von Alkmäon; so verehrten die Deutschen im Teut ihren Stammvater, die Hermionen in Hermion; so lassen angelsächsische Stammtafeln die Westfalen von Westvalah herkommen.

Die Griechen drücken dieses Verhältnis des näheren gemeinsamen Ursprungs durch einen gemeinsamen Namen mit der patronymischen Endung "ides" aus, die lateinisch durch "ius": Cornelii, Apii, Valerii etc.; die Deutschen haben dagegen die Ableitung "ing". So bezeichnet Meroving jeden Abkömmling von Meroveus, Caroling von Carolus.

Aber nicht allein am Namen erkannten sich die Geschlechtsgenossen, auch gewisse gemeinsame Zeichen dienten dazu, die man später Wappen nannte. In der altpolnischen Verfassung bedeutet dasselbe Wappen, auch bei verschiedenen Namen der Geschlechter, gemeinsamen Ursprung. Auch in der deutschen Geschichte kommen Fälle der Art genug vor.

Die Luxemburgischen, Hessischen, Nassauischen, Limburgischen Herrscher haben im Löwen das Symbol ihrer gemeinsamen Herkunft. Später freilich war die Sache oft auch umgekehrt, dass Familien des Stammes und Namens gerade durchs Wappen sich unterschieden. Das deutsche "ing" deutet ebenfalls die nächste Familienverbindung an. Die Namen der freien Hofbesitzer aus germanischer Urzeit kennen wir freilich nicht, aber die nächste Sächsische Zeit bewahrheitet unsere Behauptung.

Tacitus schildert uns die freien Besitzer als Inhaber eines Gehöftes, das er "domus" nennt, zu welchem die Wohnungen seiner Hörigen, Land und Wiese gehörten. Der Hausherr war der "Dominus" das Haupt der Familie.

Das ganze Gehöft war auf zweckmäßige Weise eingehegt. Deshalb passt der durchweg vorkommende Ausdruck des Tacitus "domus" (von domare einschränken, d.i. mit Schranken versehen, arx von arcere, castrum von castus, Schloss von schließen, Burg von bergen) sehr wohl für das altgermanische Gehöft, so gut als der mittelalterliche Ausdruck "curtis" für Haupthof von "curtia", ich gürte, echt deutschen Ursprungs.

Auch "curia" nennen die Urkunden einen Haupthof, sei es, dass beide Wörter einer Wurzel entsprossen, sei es, dass der nahe verwandte Begriff der römischen curia Siehe "die Ortsnamen" S. 138 wo curia mit curvus - urvus zusammengestellt ist; urvare heißt "umgeben", davon urbs. zu dieser Bezeichnung Anlass gab. Denn die "curia" ist der Einheitspunkt der römischen "gentes" in religiöser und politischer Hinsicht.

Das neuere Hof-Hube hängt mit Habe (Hab und Gut) zusammen und entspricht dem mittellateinischem "mansus", d.i. bleib, von "manere" bezeichnet aber nicht das ganze Hauptgehöft, sondern nur einen abgetretenen Teil desselben, dessen Beziehung der Name "mansus" gar wohl bezeichnet. Die domus, curtis, curia, HaupthofVon Cäsar zuweilen "vicus" genannt, die einzelnen Hofgebäude aber "aedificia". war gewöhnlich so groß, dass auf seinem Grund und Boden nicht nur Dörfer entstanden, sondern ganze Städte angelegt wurden, wie wir dieses bei den Dörfern um Rüden sehen werden.

Von seinem Ahnherrn nahm der dankbare Nachkomme im Besitz gern den Namen an und vererbte wenigstens sein Namensgedächtnis in dem Geschlechte fort. Mehr mochten auch die griechischen und römischen Geschlechter von ihren Ahnherren nicht wissen. Hatte z.B. der Ahnherr Odo geheißen, so führten die Nachkommen den Namen Odinge.

Da aber die Gehöfte meist von den Besitzern erst einen Namen bekamen - wie hätten auch die Nachbarn die neue Ansiedlung besser benennen können, wenn nicht etwa die Beschaffenheit des Orts ein unterscheidendes Merkmal bot? - so hieß also der Wohnort der Odinge Ödingen, d.i. bei oder zu den Ödingen. Gewöhnlich setzte man noch "hausen" hinzu, und so entstanden Namen, wie Beringhausen, d.i. zu den Häusern der Beringe, deren Stammvater Bern ist.

(§.12.)

Solche uralte Hauptgehöfte müssen wir denn in Kowelinghausen,Wenn dies wirklich der alte Name für Kneblinghausen ist, wie wir selbst bezweifeln, obgleich wir einmal Kowelinghausen (Wigands Archiv I.4.S.37) gefunden haben. Das tut zur Sache nichts, als dass der Name, der der Form Kneblinghausen zu Grunde liegt, uns unbekannt ist. Er könnte im alhd. "chino" (bedeutet Knie), oder auch "kneuil" (bedeutet Knebel) geheißen haben. - Vgl. Benders Ortsnamen S. 99. Rote 126. in Heddinghausen, Kellinghausen und anderen Orten in der Nähe von Rüden anerkennen, wodurch der Wohnort der Nachkommen eines Kobo, Hatto, Kello, der Uranbauer des Waldes bezeichnet wird. Es ist eine Tatsache, dass bei unseren Vorfahren die nächsten Mitglieder einer Familie, namentlich Brüder, Namen führten, die zum Teil (sei es im ersten oder zweiten Teile) übereinkamen; so hießen im Geschlechte der Cheruskischen Thusnelden zwei Brüder Segert und Segimer und des ersten Sohn wieder Segimund Tae. Annal. I.55, 57, 71, so die Burgundischen Königsbrüder Gunther, Guntram und andere dieses Namens Gundicar, Gundioch, Gundobald.

Von diesem Umstande ausgehend, irren wir sicher nicht, wenn wir erzählen, dass in unvordenklichen Zeiten drei Brüder, oder doch nahe Verwandte in der späteren Rüdener Flur, ehe noch die Stadt erbaut war, ihre benachbarten Wohnsitze aufschlugen. Die Brüder hießen Brunward, Hadward und Schneward. An der Silbe "ward", den gemeinsamen Ursprung bekundend, die sie an den einfachen Namen Bruno, Hatto, Schneo setzten.

Ihre Nachkommen waren die verwandten Geschlechter der Brunwardinger, Hadwardinger, Schnewardinger. Von diesen Namen habe ich in Urkunden wirklich gefunden: Bruno (aber nicht Brunward, wohl aber Bernward); Hatto, Haddo, Hado und das nahe vorkommende Hadewerking (Kindl. R.B. Urk. III S. 281); Hardewerk wird wohl eine bloße Nebenform zu Hardeward sein, wie Meinwercus neben Meghenwardus; (Hawardus in einer Aachener Urk. Von 1020 in v. Ledeburs Allg. Archiv 10. Band Seite 210). Sneo habe ich freilich nirgends gefunden, wohl aber Sniphard, Snyphard (im Anfange des 13. Jahrhunderts Kindlinger R.B. III. Seite 162, Rieswert Urk. II Seite 6 und 248), was nur eine andere Schreibung für Sneward ist. Derselbe kommt auch vor in dem Urkb. B. zum 3. Bande von Mösers Osnabr. Gesch. (Berlin und Stettin 1824): Sniphart Nr. 118, 1389, 144, 151, 159, immer mit dem zweiten Namen Fredericus. Ebendas. R. 97. A. 1197 findet sich ein Präpositus Snechardus, welches derselbe Name zu sein scheint. Ein Schnewerdingen liegt in der Lüneburger Heide. Ihre Gehöfte aber hießen Brunwardinghausen, Hadwardinghausen, Schnewardinghausen und noch die späteste Nachkommenschaft durfte die Stammväter der Bewohner von Rüdens Fluren in jenen Namen erkennen. Als die späteren Besitzer aus freien Leuten Dienstmannen eines Mächtigeren geworden (als solche erscheinen sie schon zum Teil am Ende des 12. Jahrhunderts) nannten sie sich Ritter von Brunwardinghausen, von Hadwardinghausen, von Schnewardinghausen. Dies sind die wahren Uranfänge der Rüdener Geschichte durch die ältesten Sprach- und Geschichtsdenkmäler, durch die Namen, überliefert.

Außer Brunward's, Hadward's, Schneward's, Kobo's, Hatto's, Kello's Nachkommen bewohnten noch andere Freie schon sehr früh die Umgegend von Rüden, deren Namen wir nicht kennen. Der Brunwardinger östlichen Nachbarn wurden die Mittelsassen benannt, vielleicht weil sie gerade die Mitte zwischen zwei anderen Niederlassungen zum Wohnsitz sich erkoren. Sassen sind diejenigen, die sich festgesetzt in Haus und Hof.

So hießen die Bewohner des Worthen Worthsaten, die das niedrige Land bewohnten die Holsaten (hol heißt niedrig), die im Sot (ein Brunnen) gelebt, die Sotsaten. So ist es mit den Medsaten d.i. Mittelsassen (man vergleiche Mede-bach mit Me-schede, beides gleich Mitte). Alle diese Worte sind sehr im Laufe der Zeiten gleichsam verbraucht und abgeschliffen. Aus "saten" wurde durch Verschluckung des "a" "sten"; und da das "t" und "th" oder "d" vor "st" ebenfalls ausgestoßen wurde, so kam es, dass aus Worthsaten Worthsten oder Wursten wurde, aus Holsaten, Holsten (woraus sogar wieder Holstein entstand) aus Solsaten Sosten, jetzt Soest, aus Medsaten Mesten . Die Urkunden haben noch dafür Mesete neben Meste und Miste, beide übrigens verschiedene, wenn auch benachbarte, Wohnsitze.

Die Kellinge hatten im Norden Nachbarn, so auffallender Weise in einer langen Straße ihre Häuser und Hütten erbaut, deshalb man sie Langenstraße hieß. Der Besitzer des dortigen Haupthofes erscheint später als angesehener und reicher Ritter. Im Süden belebten zahlreiche Mühlen das liebliche Möhnetal. Westlich aber schlossen die Gehöfte Snewards diejenigen Fluren ein, die man im Urwalde gelichtet, wahrscheinlich um dort den neuen Christen das Haus des wahren Gottes zur Belehrung und Andacht zu gründen, etwa an alter Opferstelle und Mahlstatt!

Der Ort zog gar bald Bewohner an, die im Schutze des Heiligtums Sicherheit und Vorteile suchten. Unmittelbar an der Kirche erhob sie eine Burg, die später einer mächtigen Ministerialfamilie gehörte. Und weil der Ort neu ausgerodet war, nannte man ihn Rüden. Erst später unterschied man ihn von der gleichnamigen Stadt durch den Namen Altenrüden. Die älteste Kunde, die älteste Nennung des Namens Rüden überhaupt ist die der Kirche zu Altenrüden, zu der weit und breit die Andächtigen wollten, deren Pfarrer Archidiacon war.

Unmittelbar an die Bezirkskirche schloss sich in nächster Nähe nach Westen zu die Gemarkung eines Königshofes an, den selbst Kaiser Heinrich besuchte. Wie der König in Besitz dieses Haupthofes kam, zu untersuchen, ist ein müßiges Unternehmen, da der Möglichkeiten viele sind. Es war nun aber ein Königshof, und Triburi war der Name des Platzes, weil gerade drei Ansiedler dort ursprünglich sich niedergelassen. Denn "Tri" heißt alt "drei", und "buri" die "Bewohner" oder auch die "Wohnungen".

Im Laufe der Zeiten ist aus Triburi Drewer geworden und so heißt noch die Dorfschaft. Die Geschichte der drei Höfe aber lässt sich urkundlich nachweisen. Im Königshofe mochte die Mahlstätte der Gaugemeinde sein; denn weshalb hätte gerade von Triburi her der ganze Gaubezirk seinen Namen Treveresgau oder Drevergau bekommen sollen?





|<< |< Inhalt >| >>|