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Band 1

RÜDENER URGESCHICHTE

Dargestellt nach Anleitung der allgemeinen altdeutschen Zustände; als notwendige Grundlage für das verständnis der ganzen Rüdener Geschichte.

Kapitel 7

G. Übergang der Rüdener Landgemeinde in eine Stadtgemeinde

(§.16.)

Eine ganz neue Entwicklungsperiode im deutschen Staatsleben trat ein durch das Aufkommen der städtischen Verfassung, wodurch die altgermanische Verfassung der ländlichen Gemeinden einen neuen Zuwachs, die ganze Staatsverfassung eine neue Grundlage bekam, und neben den freien Landbauern noch ein höchst wichtiger Stand aufkam, der der Bürger.

In Deutschland war der Zweck der Städteanlagen, einen Schutz zu gewähren gegen allerlei Ungemach, dem man auf dem offenen Lande ausgesetzt ist, und um Leben und Gut der Bewohner zu bergen, Städte hatten bekanntlich die Germanen nicht, jedoch uralt sind Ringwälle (Hünengräben, Hünenburgen) zum Schutz der Herden gegen Feindeseinbruch, und Dörfer durch Pfahlbecken beschützt, mit festem Kirchhof, gab es während des ganzen Mittelalters. deshalb ist auch Burg der älteste Name für Stadt, und die Bewohner derselben sind die Bürger. Schon die alten Germanen hatten ihre Zufluchtsorte in Sümpfen und Wäldern, aber auch in festen Burgen, die die Römer nach ihrer Art "oppida" nannten (ops=Hilfe). Auch die Sachsen hatten selbige noch, die ihnen namentlich gegen die Franken Schutz verschafften - die sogenannten Hünenburgen.

Wenn daher erzählt wird, dass zuerst der große König Heinrich gegen das Andrängen der Ungarn Städte d.i. Burgen angelegt habe, so ist das doch nur in so fern wahr, als er die Burgen zu beständigen Wohnsitzen der aus dem flachen Lande entnommenen Bürger machte, wohingegen die altgermanischen und sächsischen Burgen bloß Zufluchtsorte für die Zeit der Not waren, und ihre ganze Einrichtung bloß auf einen kurzdauernden Aufenthalt berechnet war.

Wenn einst nach Abwendung der Gefahr jeder Wehre wiederum auf seine Gehöfte ging und das Schwert mit dem Pfluge vertauschte, so behielt Heinrich I. den je neunten Mann zurück, und ließ für die übrigen acht den sicheren Zufluchtsort bewachen. Wittichind. Corb. Ann. Sax. Meib. l.p. 639: Ex agrariis militibus nonum quemque eligens in urbibus halitare fecit, ut ceteris confamiliaribus suis octo habitacula exstrieret, frugum omnium tertiam partem exciperet servaretque. Ceteri vero octo seminarent et meterent frugesque colligerent bono, et suis eas locis reconderent. Concilia et omues cenventus atque convivia in urbibus volhit celebrari, in quibus exstrendis die noctuque operam dabat, quatenus in pace discerent, quid contra hostes in necessitate facerc debuissent. Die Zurückgebliebenen zu einem bis dahin nicht gekannten Gesamtwirken vereinigt, als Kämpfer, und bald, weil der beschränkte Güterbesitz zu neuen Erwerbsquellen zwang, als Kaufleute und Handwerker, legten dadurch den Grund zu einer neuen Erscheinung im deutschen Leben, zu dem Kooperationswesen; wogegen früher das Geltendmachen der Individualität der Germanen Grundcharakter gewesen. Die Verschmelzung beider Elemente: das Gewicht des Einzelnen im vereinten Wirken Aller ist der Deutschen Macht und Ehre!

Es ist hier nicht der Ort im Allgemeinen auf die Geschichte des deutschen Städtewesens einzugehen; umso notwendiger aber, einige besondere Bemerkungen über das Stadtwesen Rüdens beizubringen. Rüden ist eine Stadt, gegründet in echt germanischem Sinne, im Sinne Heinrich I. Wir haben hier die urkundliche Nachricht, dass die Stadt Rüden gegründet worden, bei dem Dorf Alten-Rüden, und dass unter Stadt "Mauern und Gräben" verstanden seien und dass die ganze Anlage geschehen sei zum Landesschutz!

Besondere Freiheiten mussten die neuen Bewohner der engen Burg für das Aufgeben der Lebensart der Altvordern auf dem Lande entschädigen. Aber der Dienstmann des Landesherrn, der nach Aufhebung des alten Heerbannes, als durch Wohltaten belohnte beständiger Krieger, und zwar als Reiter, Ritter, was ein Vorzug vor dem gemeinen Fußkämpfer, wurde, ließ gern sein Erbe durch andere bebauen und zog mit seinen Standesgenossen in die Stadt zum Schutz der Mauern und zu allerlei Kurzweil.

Nicht alle festen Orte des Landes konnten natürlich mit Reitersmännern besetzt werden, die für kostbare Bewaffnung von Mann und Ross vom Landesherrn besonders belohnt und an ihn geknüpft waren, während in anderen Orten der Bürger ohne besondere Benefizien zu Fuß, bloß als Verteidigungsmannschaft diente und nach der Fehde, wenn auch nicht ganz die Mauern verließ, so doch zu seinem Gewerbe zurückkehrte und seinen Unterhalt sich erwarb.

Anders der Reiter, der seinen Unterhalt, gleichsam sein Gold aus seinen Lehen zog. Denn man sieht leicht, dass wir unter Reiter den oben geschilderten Ministerialadel verstehen. Sie sind die Ritter, und die von ihrem Verhältnisse zum Landesherrn Dienstmann, Dienstmannschaft, Lehns- oder Burgmannschaften, Vasallen, hießen; auch hat man sie sehr bezeichnend Lehnmiliz genannt.

Sommer "Von deutscher Verfassung" (S. 61) charakterisiert treffend den Westfälischen Adel, der was sein Name sagt, die Ritterschaft des Herzogtums Westfalens, den erblichen Kriegerstand des Staates bildete, so aber - nicht mehr zu Felde zog. Das Besondere also in der Rüdener Geschichte, wodurch sie sich von so vielen andern unterscheidet, sind die zahlreichen Rittergeschlechter, die gegen erhaltene Lehen die Dienstmannschaft der Burg ausmachten; Rüden war also gleichsam eine Garnisonsstadt, in der neben der erblichen Besatzungsmannschaft die eigentliche Bürgerschaft, wie in allen anderen Städten, aus den in die Ringmauer gezogenen Gemeinen bestand.



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