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Band 1

RÜDENER URGESCHICHTE

Dargestellt nach Anleitung der allgemeinen altdeutschen Zustände; als notwendige Grundlage für das verständnis der ganzen Rüdener Geschichte.

Kapitel 8

H. Grundverhältnisse der neuen Stadtgemeinden

Diese beiden Bestandteile der innerhalb der Ringmauern bestehenden städtischen Korporation, der Ritterschaft und Bürgerschaft, verdienen hier noch eine etwas nähere Besprechung, da das Verhältnis nicht recht im >Klaren liegt. Wir werden daher zuerst, ehe wir die Rüdener Stadtgeschichte selbst erzählen, noch folgende, für die Rüdener Verhältnisse sehr wichtige Punkte kurz abhandeln:

I. Von dem Verhältnis des Landesherrn zu der neu angelegten Stadt und zu ihren Bewohnern (den Bürgern und Rittern).

(§.17.)

Rüden gehörte zu dem Kranze von Festungen, welche die Landesherrn des Herzogtums Westfalen gegen die unruhigen Nachbarn, namentlich gegen Bischöfe von Paderborn, an der Nordost-Ecke ihres Territoriums anlegten. Rüden war eine recht eigentliche Grenzfestung, die um so mehr Bedeutung hatte, als sie durch die nahe gelegenen Burgen von Osterfelde, Warstein und Belecke noch sicherere Stützpunkte bekam. Wir haben in der Warsteiner Geschichte schon gezeigt, dass der Landesherr seine Burgen und Städte auf eigenem Grund und Boden, auf eigenen Haupt- oder Königshöfen errichten konnte.

Denn bei der Anlage der genannten Orte ist von keinem allmählichen Entstehen die Rede, wie bei solchen, die vor und nach um die Pfarrkirche, um einen Stift, ein Münster, an einer durch seine natürliche Lage für Handel und Verkehr günstigen Stelle sich ausdehnten, sondern es wurde vom Landesherrn das Kastell erbaut, in dessen Schutz, gezwungen oder freiwillig, die neuen Bürger sich ansiedelten.

Was M. Arndt "Wanderungen aus und um Godesberg" bei Gelegenheit, da er von Sintzig spricht, über die Orte voll Ritterbürger, Burgenses, Castrenses sagt, passt zum guten Teil auch auf Rüden. Er sagt:

... Dieselben haben ursprünglich gewiss als königliche Oberhöfe oder nach unserem Begriffe als Amtssitze oder Kellnereien gedient, wovon viele umliegende Dörfer und Höfe abhingen. Waren sie mit Türmen und Mauern umgeben oder wurden sie später zum Schirm der Gegend in Festungen verwandelt, so wurden solche zugehörige Dörfer, Forsten an die Sassleute oder Burgleute verliehen, die zu ihrer Bewachung und Verteidigung verpflichtet wurden. ...

Die Urkunden sprechen nun freilich nicht gerade von einem Erzbischöflichen Königshof von Rüden, wohl aber von einem in Drewer; dessen Nähe leicht Veranlassung werden konnte zu ferneren großen Gütererwerbungen. Über eine derselben haben wir glücklicher Weise die urkundliche Nachricht, nämlich vom Erwerb eines Allodes von den Brunwardinger, auf welchem ohne allen Zweifel der Erzbischof die neue Festung erbaute.

Die darin verlegte Burgmannschaft wurde für ihre Dienste durch in der Nähe oder Ferne gelegenen Lehen belohnt, worüber uns ebenfalls die Lehnsregister genügende Auskunft geben.

Was Arndt ferner sagt,

... Späterhin haben die Burgmänner die sich allmählich meist zu ganz unabhängigen ritterlichen Genossenschaften ausbildeten, zu ihrer Stärkung für ähnliche oder gleiche Pflichten neue Genossen aufgenommen. Manche ansehnliche und güterreiche Geschlechter haben auch der Sicherheit und anderer Vorteile wegen an solche Orte sich freiwillig unter das Burgrecht begeben

lässt sich sicher auch auf Rüden anwenden, da die Urkunden zeigen, dass in älteren Zeiten viel weniger Dienstmannsgeschlechter in Rüden ihren Sitz hatten, als später, und unter diesen namentlich Familien aus den entferntesten Gegenden Westfalens vorkommen.

Es war also das Verhältnis des Landesherrn zur Stadt ein doppeltes, einmal war sie ihm eine von seinen Mannen besetzte Landesfestung, und dann eine unter seiner noch ziemlich beschränkten Oberhoheit stehende freie bürgerliche Genossenschaft, wie alle anderen Städte des Landes: das erste Verhältnis ist das des Oberlehnherrn zu dem Dienstmann, das zweite das des Landesherrn zu der städtischen Korporation.

Innerhalb der Stadt waren die Gilden und die Ritterschaft zwei verschiedene Korporationen, die beide zusammen die Bürgerschaft ausmachten, ohne dass ein sichtbarer überwiegender Einfluss der Letzteren zu erkennen wäre, und ohne dass die Ritter, wie die Patriziergeschlechter anderer Städte, einen Gegensatz zu den Bürgern bildeten. Burgbesatzungen und Dienstmannschaften gab es in Westfalen noch mehrere, namentlich zu Hovestadt, Soest, Hamm, Sassendorf, Arnsberg, Waldenburg, Schmalenberg usw.

II. Von dem Verhältnis der Dienstmannen im Allgemeinen zum Landesherrn.

(§.18.)

Die Gesamtheit der freien Wehren der germanischen Gemeinde machte den Heerbann aus. Durch Aufkommen der Lehnsverhältnisse, des Dienstmannsadels, nachdem die Verhältnisse es mit sich gebracht, dass der Wehre der drückenden Heeresfolge enthoben zu werden, lieber sein Allodium dem Mächtigeren als Lehn auftrug, entstand ein eigener Kriegsstand, der sich der Bebauung des Landes ganz entzog, und, stets bereit mit dem Landesherrn zu Felde zu ziehen, von dem ihm dafür verliehenen Benefizium lebte.

Dieser Ritterstand wurde blad erblich. Die Verhältnisse der Ritterschaft aber wurden ganz andere, als nach Aufhebung des Faustrechts und nach Einführung einer neuen Kriegsführung durch gemeine Söldnerheere, die Ritterschaft nicht mehr zu Felde zog. Sie genoss nur noch die Vorteile des Vasallenverhältnisses, ohne diejenigen Dienste ferner zu leisten, die ihr Beruf waren. Mit dem Kriegerstande nämlich war auch der Besitz der Benefizien erblich geworden und die für die Kriegsdienste einst verliehene Steuerfreiheit verblieben.

Der Ritter, durch Lehen auch wohl durch Allode reich begütert, und eben deshalb auch an der Freiheit des Volkes teilhabend, stand weit über dem gemeinen Landbauern, stand unabhängig und frei dem Landesherrn gegenüber, und schützte sich durch Landesvereinigungen, vom Landesherrn anerkannt; der Ritterstand war so eine mächtige und einflussreiche Standschaft im Gebäude des damaligen Staates. Die Geschichte der Westfälischen Ritterschaft hat also zwei Perioden, die sich auch in der Geschichte der Rüdener Dienstmannen zeigt.

In der ersten Periode ihres Bestehens war ihr Verhältnis einfach das mehrmals angedeutete. Sie war die Besatzung der vom Landesherrn zum Landesschutze angelegten Rüdener Feste, und genoss dafür als Gold die ihr vom Landesherrn gegebenen Lehen, die, wie die Lehnsregister dartun, bald diesem, bald jenem Ritter verliehen wurden.

In der zweiten Periode war von zu leistenden Kriegsdiensten der Rüdener Burgmänner nicht mehr die Rede. Durch Erblichkeit der Lehen waren sie in der Stadt ansässige Grundbesitzer geworden, die als Landesstand an den Landtagen und anderen Staatsangelegenheiten den innigsten Anteil nahmen. So erscheinen die Rüdener Burgmänner, als zum ganzen Corps der Westfälischen Ritterschaft gehörig in den noch vorhandenen Landesvereinigungen und Staatsgeschäften.

Dass die Ritter, außer diesen Angelegenheiten, es nicht verschmähten auf die übrige Mitbürgerschaft Einfluss zu gewinnen, und an dem Staatsregiment Anteil zu nehmen, lässt sich leicht denken. Die Urkunden zeigen es, dass sie neben den übrigen Bürgern, auch Beamtenstellen im Gericht und im Magistrat verwalteten.

III. Vom Verhältnis des Geschlechtes der von Rüdenberge insbesondere zum Landesherrn.

(§.19.)

In der oben bezeichneten zweiten Periode der Ritterschaft war das einst mächtige Dynastengeschlecht in die Reihe der gewöhnlichen Burgmänner in Rüden herabgesunken und teilte mit ihnen ganz und gar seine Geschichte. Eine eigene Geschichte hat es aber in früheren Zeiten, in Zeiten, da die Stadt noch nicht erbaut war.

Damals besaß es, seit urdenklichen Zeiten bei Rüden gar große Besitzungen, die ihm in jenen Zeiten als Teil des alten Westfälischen Komitats von Köln aus verliehen sein mochten, als dieses noch nicht in diesen Gegenden landesherrliche Rechte gewonnen hatte. Waren diese großen Rüdenbergischen Besitzungen bei Rüden auch kölnisches Lehen, so gehörte das Geschlecht doch damals nicht zu dem Vasallenstande, da es anderweitige freie Besitzungen, als Dynasten in dem früher angegebenen Sinne, hatte. Ihre Besitzungen bei Rüden waren gar groß, die sie wieder als Lehnsherrn an Aftervasallen verliehen. Sie hatten ihre eigene Lehnskammer und ihren eigenen Lehnsrichter.

Als das Geschlecht gesunken war und erlosch, fielen die Rüdenberger Lehngüter wieder an Köln zurück, wurden aber in allen späteren Verleihungen in den Lehnsbriefen ausdrücklich als Rüdenberger Lehngüter bezeichnet. Der Mittelpunkt dieser Güter war wohl Altenrüden und erstreckte sich über einen großen Teil der Rüdener Feldmark nach Westen hin.

Das Ganze war wohl eine "curtis regia" gewesen, im jetzigen Altenrüden gelegen, woselbst die später damit beliehene Familie "von der Möhlen" noch diese feste Burg bewohnte, untere deren Schutze die alte Kirche in Altenrüden stand; den damaligen Zehnten dieser Güter verlieh mit der Kirche der Erzbischof Anno, der also Eigentümer gewesen war, dem Kloster Grafschaft.

Möglich ist also auch, dass gerade von Anno die Rüdenberger Ihre Besitzungen herschreiben.

Durch den Bau der Feste Rüden wurden sie in ihren rechten beeinträchtigt und dafür entschädigt. Also schon damals wurde das alte große Besitztum geschmälert und machte einen Teil der Stadt-Rüdener Feldmark aus. Einen anderen Teil desselben (Alten-Rüden selbst) hatte, vielleicht durch Erbschaft ein anderes mächtiges Geschlecht, v. d. Möhlen, später in Besitz, von dem es an die Stadt kam und so einen großen Teil der allmählich entstehenden Rüdener Mark ausmachte, wozu auch alle noch übrigen Rüdenberger Güter (zum Teil auch wohl aufgetragene Lehngüter) gehörten, da sie an Rüdener Bürger verliehen waren.

Stellen wir nun eine andere Frage auf, wo dieses Geschlecht seinen Wohnsitz hatte, so ist zuerst zu bemerken, dass allen Andeutungen zufolge vor der Erbauung der Stadt dasselbe bei Rüden wohl gar nicht wohnte, obgleich ihre Alten-Rüdener Besitzungen sicher, und ihre dortige Burg wahrscheinlich, älter war als die Stadt selbst. Diese Burg zu Alten-Rüden scheint aber, der Rüdener Tradition zufolge, mit der erzbischöflichen Stadtburg verwechselt zu werden. Sie wird die Rüdenburg deshalb genannt.

Darum ist es aber noch nicht unwahrscheinlich, dass die Herrn von Rüdenburg später auf der Stadtburg, als die vornehmsten der Burgmänner, wohnten, und diese von ihnen im Munde des Volkes den Namen bekam. Zuerst wohnten ohne Zweifel alle Burgmänner auf dieser Burg, da bei der Stadtgründung unter derselben nicht viel mehr zu verstehen ist, als eben eine Burg, die die lat. Urk. "oppida" zu nennen pflegen. (Rüden heißt bei der Stiftung nur "muri et fossata oppida pud Ruden, d.i. Alten-Rüden)".

Erst als durch Vereinigung der zersplitterten Haupthöfe Schnewardinghausen, Hadwardinghausen, Meeste usw. die eigentliche Stadt unter der Burg entstand, bauten die Ritter sich in derselben ihre Burgsitze. Die Rüdenburger blieben auf der alten Burg wohnen und übertrugen auf sie ihren Namen. So kam denn eine irrige Ansicht über das wahre Sachverhältnis auf, da man annahm, diese Burg sei der alte Stammsitz der Rüdenburger, von ihnen gegründet und gebaut, unter deren Schutze der Erzbischof die Stadt gegründet(!) und die später durch Verarmung der Familie in des Letzteren Besitz gekommen.

Diese, durch Nichts begründete, in sich selbst zerfallende und von vornherein unwahrscheinliche, aller Analogie entbehrende, Ansicht wird schon durch die einfache Tatsache widerlegt, dass die Erzbischöfe sich bei ihrer Anwesenheit in dieser Gegend auf der Burg, als ihrem Eigentum aufhielten. Ob die Rüdenburger Burgvögte gleichsam Kommandanten der Besatzung gewesen, hat freilich Analogie für sich, entbehrt aber der urkundlichen Begründungen.

IV. Von dem Verhältnis der Bürger zur Stadt und zum Landesherrn.

(§.20.)

Unter dieser Rubrik haben wir vorläufig nichts von den Verhältnissen der übrigen westfälischen Städte Abweichendes anzuführen, da dieses Verhältnis in der unten folgenden Darstellung der Entwicklung und Ausbildung des Rüdener Städtewesens ausführlicher dargetan wird.

V. Von dem Verhältnis der Rüdener Burgmänner zur Stadt und zur Bürgerschaft.

(§.21.)

Dieses Verhältnis scheint aus dem bisher Gesagten schon ganz und gar klar zu sein; was aber noch gesagt werden wird, soll dazu dienen, mögliche und wirkliche Irrtümer über die wahre Sachlage zu beseitigen. Die Sache ist ganz einfach: Die Rittergeschlechter waren zugleich Bürger der Stadt und als solche Teilhaber der städtischen Gerechtsamen und berechtigt zur Teilnahme an der Stadtverwaltung.

Aber es lässt sich nicht beweisen, dass sie allein zur Verwaltung der Stadt oder ganz bestimmter Ämter berechtigt waren, wie z.B. in Lübbecke, im Fürstentum Minden, einer alten Stadt mit ausgedehnter Gerechtsame und voller Gerichtsbarkeit des Magistrats. Dort bestand die Ritterschaft aus 13 adeligen Höfen, aus welcher allemal einer erster Bürgermeister war; daher führte der Magistrat den Titel: "Ritterschaft, Bürgermeister und Rat" (cf. Büsching 3, 1. P. 796). Wenn auch Röingh S. 120 ganz ausdrücklich behauptet, dass "in vorigen Jahren ein Rat in Rüden mit lauteren adeligen und rittermäßigen Personen besetzt gewesen sei", so bleibt er den Beweis dafür schuldig und wir führen dagegen an, dass die später mitzuteilenden, urkundlichen Verzeichnisse keineswegs dartun, dass der Rat bloß aus Rittern bestanden, sondern zeigen, dass Bürger und Ritter ohne Unterschied im Rat saßen, und zwar so, dass zufällig bald ein Ritter, bald ein Bürger diese oder jene Stelle bekleidete, woraus doch nur folgt, dass die Ämter (Gilden) und Ritter, beides Bürger, gleichmäßigen Anteil an der Verwaltung hatten.

Wenn aber dennoch vielfach die Ritter als Inhaber der Stadtämter erscheinen, so ist dies aus dem zufälligen Übergewicht der Ritter, dass sie durch größere Muße, höhere Bildung und reicheren Besitz in der Bürgerschaft besaßen, zu erklären. Die Statuten der Gemeinheit, und die Urkunden wissen nichts von einem solchen Vorrechte.

Der Irrtum mag durch Vergleichung anders entstandener städtischer Gemeinwesen, die Reichsunmittelbarkeit oder doch ähnliche Rechte sich errungen, aufgekommen sein, in denen sich unter den Bürgern die schroffe Scheidung zwischen Regierenden und Regierten gebildet. Diese deutschen Patrizier kamen seit dem Ende des 12. Jahrhunderts auf, und umfassten diejenigen Bürger, die wegen ihrer Geburt das herkömmliche oder erzwungene Recht hatten, die Stadtverwaltung und Rechtspflege entweder ganz oder in einem bestimmten Maße inne zu halten.

Die westfälischen Ritter in den Städten sind aber etwas ganz anderes, obgleich auch manchmal die Burgmänner ganz die Stellung der Patrizier in Reichsstädten einnahmen, wie solches M. Arndt in seinem Buche über Godesberg und Sintzig aussagt. So wie bei den Patriziern selbst wieder ein Unterschied zwischen den alten und minderen Geschlechtern bestand, so zwar, dass letztere nur zu manchen unteren Stellen der Verwaltung und der Rechtspflege scheinen zugelassen zu sein, so war es namentlich bei den Geschlechtern in Sintzig. Deshalb heißt es auch: "Wir Ritter, Söhne der Ritter und Gemeinde der Bürger von Sintzig".

Die Söhne der Ritter "filii militum" sind die Knappen (anderswo Constabler, Konstafter, Christoffel genannt), die als Beisitzer die Anfänge der Herrschaft lernten. Wenn also, ähnlich den Gilden der übrigen Bürger, die Dienstmänner in Rüden eine unabhängige ritterliche Genossenschaft bilden mochten, so stand sie doch nicht als solche den übrigen Bürgern entgegen, sondern vielmehr den übrigen Landständen.

Dass übrigens die Rüdener Ritterschaft in sich selbst wieder gegliedert war, in Ritter und Knappen, vornehmere und niedere Geschlechter, ähnlich wie in Sintzig, wird später gezeigt werden. Aber auch dieser Unterschied tritt keineswegs einflussreich in der Gemeinheitsverwaltung entgegen, sondern scheint sich bloß in Außendinge, im Vorrang bei Aufzügen und dergleichen gezeigt zu haben; wie solches in Th. Brandis handschriftlicher Geschichte angedeutet wird.

(§.22.)

Nachdem wir nun das Wesen der Rüdener Ritterschaft dargestellt, ist es am Orte einem merkwürdigen Irrtum zu begegnen, der eben durch das gesagte und später noch hinzubringende hinlänglich widerlegt wird, so dass nur noch wenig darüber zu bemerken ist. Wir meinen die später in Rüden aufgekommene und auch von dem sonst so einsichtsvollen Röingh überlieferte Ansicht über das Verhältnis der Rüdener Ritterschaft zur Stadt. Röingh, dessen patriotische Darstellung S. 4 und 5 übrigens interessant genug ist, um ausführlich unten mitgeteilt zu werden, erzählt:

... Auf der Rüdenburg haben ehedem die allervortrefflichsten Geschlechter gewohnt und seien nach Fürst und Marshall die nächsten Häupter und Regenten gewesen. Durch ihre berühmten ritterlichen Taten hätten sie den Namen der Edlen Rutenborgischen Ritter, wie auch allerhand 'beneficia' und 'privilegia quo ad merum et mixtum imperium', die hohe Wildbahn usw. erworben, kurz diese Rutenborgischen Ritter hätten ungefähr ehedem alles das an Gütern und rechten besessen, was später der Stadt zustand; diese nämlich oder die Bürger hätten jene Güter und Rechte von den Rutenborgern, ihren Vorfahren, ererbt: Haus und Hof, Gut und Wald, Recht und Jagd, ja selbst das alte Borgsiegel ...

Röingh stellt offenbar nur eine Meinung auf, um manche dunklen uralten Verhältnisse zu erklären und ist stolz auf den alten Glanz der Stadt, der sie wegen so vieler alter Geschlechter, die dort wohnten, umgab. Ihrer war nach dieser Meinung die Mark, die sie - doch wohl als Korporation - regierten und richteten. Da aber die Stadt - natürlich als Korporation - an die Stelle der früheren Korporation getreten sei, sie gleichsam beerbt habe, so erscheint in des patriotischen Bürgermeisters Augen die Stadt ganz und gar gleichsam geadelt. - An welcher alten verschwundenen Herrlichkeit der biedere Mann in den harten und schweren Zeiten die auch Rüdens Blüte gebrochen, da er schrieb, sich und seine Mitbürger labte.

Die Urkunden wissen nichts von der Regierung und Gerechtigkeitsausübung der Dienstmänner, wohl aber, dass Fürst und Magistrat seit den ältesten Zeiten solche ausgeübt. Anlass zu der ganzen Ansicht gab wohl der allerdings wahre Umstand, dass die Burg sich erhob auf eines Dienstmannes (eines Brunwardinger) Grund und Boden, dass die eigentliche Stadtmark aus den Gütern anderer Dienstmänner (der von Schnewardinghausen und von Hadwardinghausen und anderer) zusammengeflossen, dass namentlich die Waldgerechtsame von den von Brunwardinghausen und den Besitzern der Meester und Mister Höfe erst später erworben wurden.

Von keinem der anderen vielen Dienstmannsgeschlechtern lässt sich solches nachweisen, da sie meistens ihre Erbgüter in anderen Gegenden besaßen und wegen ihrer Burgmannsdienste nur kölnische Lehngüter besaßen.

VI. Das Verhältnis der Außenbürger zu den Innenbürgern.

(§.23.)

Außenbürger hießen die mit zu der Rüdener Bürgergemeinde gehörigen Bewohner der sogenannten Stadtdörfer und Höfe Alten-Rüden, Miste, Knevelinghausen, Öhlinghausen, Aschental und Ettinghausen, deren Fluren mit denen der Innenbürger in der Stadt eine einzige Feld- und Waldmark ausmachten. Offenbar ist das Verhältnis der Stadtdörfer und der Außenbürger seinem Ursprunge nach ein dunkles, über das die Geschichte nichts meldet.

Röingh S. 6-8 sagt ungefähr:

... Die volladeligen Geschlechter werden als unsere Vorfahren und wir als ihre Sucessoren reputiert Sucessoren=Nachfolger

Reputation (lat. Reputatio "Erwägung", "Berechnung") bezeichnet in der Grundbedeutung den Ruf (veraltet: den Leumund) eines Menschen
immaßen die genannte Ritterstraße darauf stehende vormalige Wohnhäuser, Höfe, Gärten, das hohe Gewäldte, Wildbahngerechtigkeit, das große uralte Borgsiegel auf uns transferiert und wir deren Inhaber sind.

(§.24.)

Solches bekräftigt, dass hiesige Stadt und Gemeinheit die ehemals erbauten adeligen Sitze, Häuser oder Borge genannt, als zu Altenrüden am Kirchhofe der Tor Möllen, Schnerings der von Schneveringhausen, Haderinghausen der auf dem Steine und sonsten alten Sitze neben anliegenden Gütern in ihrer Feld- und Holz-Mark liegend wirklich und privative erblich und von Alters her unterhat, außerdem mit die ihr unterworfenen in ihrem Eid stehenden Dörfern und Höfen, als Alten-Rüden, Misten, Knevelinghausen, Öhlinghausen, Aschetal und Ettinghausen versehen, welche der Stadt, gleich die landesfürstlichen und adeligen Untertanen und Angehörige dem Landesfürsten oder den Adeligen, ihre Hand- und Wagendienste zum Stadtgebau und ihrer Notdurft, Stadtsbeamten und Bedienten, auch zur Jagd uns sonsten leisten, jedoch mit der Stadt anders nicht als Holz, Mastung und Weide, certo tamen modo, mit zu genießen haben ...

(§.25.)

Die andere Stelle bei Röingh S. 132 ist der §.2. des Jurisdictional-Libells, das weiter unten S. 150 mitgeteilt wird.

Das Verhältnis ist an sich durch diese Stellen zwar klar, nicht aber der Ursprung desselben. Röingh nennt die Außenbürger hin und wieder Pfahlbürger und deutet ein Untertanen-Verhältnis an. Das Wahrscheinlichste ist wohl dieses:

Jene Dörfer und Höfe sind älter als die Stadt (wie es namentlich von Alten-Rüden und Miste urkundlich fest steht). Als die Burg erbaut war und diese, so wie die Ringmauern der Stadt Schutz gewährten, waren die nächsten Ansiedler der Stadt doch wohl die Bewohner der nächsten Umgegend. Manche mochten ihre Angehörigen zum Landbau daheim lassend, von den benannten Plätzen sich übersiedeln und den Zurückgebliebenen (wie es schon in der Bestimmung des großen Königs Heinrich I. lag)für die Zeit der Not ein Asyl bereiten, so wie sie von diesen hinwiederum mit Lebensmitteln vom Ertrage ihrer Felder versehen wurden.

Die Landbewohner hatten so selbstredend das Recht in der Stadt sich aufzuhalten und natürlich die Pflicht der Stadtverteidigung. So entwickelten sich die eigentümlichen Verhältnisse dieser Dorf- und Hofbewohner, als fast gleichberechtigter Bürger mit ihren alten Namens- und Geschlechtsgenossen. Dazu kommt noch, das die in diesen Dörfern einheimischen edlen Geschlechter (als die "von Rüden" und "von der Möhlen" wegen Alten-Rüden, die "von Bruerdinghausen" und "von Miste" wegen Miste und Meeste usw.) schon als Rüdener Burgmänner selbstredend auch Rüdener Bürger waren, und vielleicht erwirkten, dass auf allen Zubehörungen ihrer alten Haupthöfe das Bürgerrecht haften blieb oder auf sie überging.




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