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Band 2

ENTWICKLUNG UND DARSTELLUNG

der Rüdener Aussenverhältnise; d.i. die Rüdener Feld- und Waldmark mit den zugehörigen Dörfern und Höfen, sowie aller dahin schlagenden Verhältnisse

Kapitel 1

A. Allgemeine Topographie

(§.26.)

I. Der Haarstrang

Die Haar oder der Haarstrang, auf dem die Stadt Rüden gelegen ist, ist ein Höhenzug von geringer Erhebung, in dem jedoch Rüden selbst in einer Höhe von 1167,6 Pariser Fuß hervorragt. Er schließt sich zwischen Brilon Stadtberge an das vom Edeskopfe zum Teutoburger Walde sich hinziehende westfälische Hauptgebirge an, nimmt dann nach Westen hin, als Flussscheide zwischen Lippe und Möhne, eine mit letzterem Fluss fast gleichlaufende Richtung an dessen rechten Ufer an, und zieht sich nach Vereinigung der Möhne mit der Ruhr längs dieses Flusses; an beide Flüsse tritt er felsig und schroff heran. Auf der Nordseite verflacht sich das Gebirge an die Ebenen des Hellweges, welcher auf dieser Seite den Anfang der großen westfälischen und niedersächsischen Ebene macht.

Der Haarstrang ist ein Flötzgebirge aus Kalkstein bestehend. Vor Rüden kommt ein grünlicher Sandstein unter dem Kalkstein hervor Siehe hierüber: "Nöggerath die Gebirge in Rheinland und Westfalen." 3. Bd. S. 4 folg., so dass man hier die Auflagerung des Kalks auf den Sandstein deutlich beobachten kann. In einem Steinbruch daselbst findet man den deutlichsten Übergang aus dem Kalk- in den Sandstein, indem der unmittelbar auf diesem ruhende Kalk stark mit großen und kleinen Sandkörnern durchmengt ist, und ebenso, wie der Sandstein, grünen erdigen Chlorit deutlich eingeprägt enthält.

Die obersten Schichten des Sandsteins sind dünn, die unteren dagegen mehrere Fuß dick; die grüne Farbe rührt von erdigem Chlorit her. Die unmittelbar auf dem Sandstein liegenden Kalkschichten sind ziemlich reich an Petrefakten, besonders Ammoniten, Beleminten, Inokeramiten. Die oberen und mittleren Schichten des Sandsteins sind feinkörnig, die unteren grobkörnig und von Eisenoxydhydrat bräunlich gefärbt. Der Kalk- und Sandstein scheinen von gleich alter Bildung zu sein, weil sie ineinander übergehen.

Der Rüdener Sandstein gehört zu dem Quadersandstein und der darauf liegende Kalk zum Flötzkalk. Der Quadersandstein aber liegt wieder unmittelbar auf der Grauwacke und dem Tonschiefer.

Der nördliche Abhang und die zunächst angrenzenden Abhänge, worauf Rüden liegt, bestehen aus jenem Quadersandstein, der südliche nebst den benachbarten Abhängen aus Tonschiefer und Grauwacke. In diesem südlichen Abhange nach Warstein hin ist ein Lager sehr stark abfärbenden schwarzen Zeichenschiefer in Tonschiefer. Dazwischen viele Quarz-Gangtrümmer. Auf den Tonschiefer folgt nahe bei Suttrop Übergangskalk. Der Roteisenstein kommt bei Rüden wohl selten vor.

II. Flüsse

(§.27.)

Rüden gehört zum Flussgebiet der Möhne, welches im Norden der Haarstrang einschließt und im Süden der Arnsberger Wald von der Ruhr scheidet. Die Möhne entspringt im Kreise Brilon unfern Elleringhausen, fließt an Rüden und Belecke vorbei, verstärkt sich durch mehrere Berggewässer und mündet bei Neheim in die Ruhr.

Nebenflüsse der Möhne im Rüdener Gebiete sind rechts: Ahlebecke in der Mister Mark, Rischnei, mündet zwischen Fahlenhof und Rüden bei der obersten Mühle, Kitzelbach oder Küttelbach zwischen Rüden und Alten-Rüden. Links: die schon bedeutendere Biber oder Bever zwischen Mister- und Rüdener-Mark nordwestlich fließend und der Rischnei gegenüber mündend, und Glenne, die in derselben Richtung an der Rüdener Südgrenze fließend die Börmecke aufnimmt und sich zwischen Rüden und Belecke mit der Möhne vereinigt. - Die Rüdener Waldungen sind reich an sog. Siepen, die verschiedene Namen führen.

III. Klima

(§.28.)

Das Rüdener Klima ist nicht auffallend von dem auf der Haar überhaupt herrschenden verschieden. Man kann es ein Gutes nennen; weniger mild als auf dem Hellweg und weniger kalt und rau als im Süderlande bildet es den Übergang zwischen beiden.

IV. Bodenbeschaffenheit und Produkte.

(§.29.)

Der Boden in den Gärten zu Rüden enthält teils gute, schwarze Gartenerde (Humus), teils grauen Sand, wie wenn jene Erde mit abgeriebenen Sandsteinteilchen vermengt wäre. Darin werden sämtliche Gartenfrüchte, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche ein milderes Klima verlangen (als Spargel, Gurken und sog. Südfrüchte), produziert; die feineren (zarten) Sorten Stockbohnen, sind nur in sehr warmen Jahren ergiebig. - Was die Bodenbeschaffenheit der Feldmark betrifft, so ist hier ein Unterschied zu machen.

Im Hauptfelde nämlich, nördlich der Stadt, und zwar zwischen dieser und der Haar, befindet sich der vorzüglichste Ackerboden. Er ist schwärzlich, tiefackerig und produziert alle Arten der Feldgewächse, namentlich Roggen, Gerste, Hafer, Feldbohnen, Erbsen, Flachs, Kartoffeln und Klee, wogegen Hanf, Weizen und gelbe Erbsen selten ertragreich sind, daher auch fast angebaut werden.Über die "Flora Rüdensis", einem uns fremden Gebiete, sind uns genauere Forschungen der Sachkenner unbekannt; wir müssen uns daher damit begnügen, die, welche sich dafür interessieren, auf ein Werk von L. B. Jüngst "Flora von Bielefeld; zugleich die Standorte der selteneren Pflanzen im übrigen Westfalen enthaltend" (Bielefeld und Herford 1837) zu verweisen, wonach (Vorrede p. XIX) der Haarstrang zum siebenten Bezirk der westfälischen Flora gerechnet ist.

Der Boden in den übrigen Feldern, die meistens sich jenseits der Möhne an Bergabhängen befinden, besteht meist aus leichtem Acker, sog. Faulschieferacker. Er ist zum Teil sandig und hat durchweg nicht so tiefe Ackerkrume. Es befindet sich daselbst die sog. Wucherblume, weshalb auch diese Felder vorzugsweise zum Kartoffelbau benutzt werden.

Weil der Acker Alles zum einfachen Lebensgenuss hergibt, so ist auch immer die Landwirtschaft die Hauptnahrungsquelle der Einwohner geblieben, und, weil zu den besseren Gegenden des Vaterlandes gehörig, haben sie die Anlage von Fabriken verschmäht. Der gute Boden eignet sich auch sehr gut zur Obstkultur.

Große Strecken der Rüdener Gemarkung sind mit vortrefflichem Gehölz bewachsen, namentlich mit Buchen, Eichen, Erlen und den anderen in Westfalen gewöhnlichen Waldbäumen. Uralte Linden zieren noch hier und da die Feldflur. An der Möhne trifft man Wiesengrund, aber nicht von so guter Beschaffenheit, als an der Lippe und Ruhr.

(§.30.)

An Produzenten finden sich hier außer den vorstehend bezeichneten Getreidesorten und Gartenprodukten alle Arten Haustiere, als Kühe, Pferde, Schweine, Schafe, Gänse und Ziegen, wogegen die Zahl der früher so sehr häufigen Esel deshalb sich so sehr vermindert hat, weil früher jeder Bürger (Bürger d. i. Sohlstätten-Besitzer) berechtigt war, mittels eines Esels seinen Holzbedarf aus dem Stadtwald zu holen, welches Recht aber durch Einführung einer geregelten, und vom Staate streng kontrollierten, Forstwirtschaft vollends aufgehört hat, weshalb Esel, mit Ausnahme der den Müllern zur Bedienung der Mahlgäste nötigen, höchst selten gesehen werden.

In den so auffallend ausgedehnten Privat-Jagdrevieren der Stadt Rüden, sowohl im Walde, als in den Feldmarken der Stadt und der Dörfer Altenrüden, Drewer, Miste, Kneblinghausen und Hemmern, findet sich das verschiedenartigste Wild, als Hasen, Rebhühner, Wachteln und Füchse; im Walde Auerwild, Rehe, Birk- und Haselwild, wogegen Hirsche und Schweine jetzt nur selten vorkommen, wenigstens nicht zum sog. Standwildbret mehr gezählt werden können.

Die Fischerei-Gerechtsame der Stadt ist nicht minder ausgedehnt als die Jagd, auch meist privativ und liefert vorzüglich Forellen, Aale, Krebse und andere gewöhnlichere Fischarten. Bemerkenswert scheint zu sein, dass sich hier (in der Möhne und in der Biber) bis in die jüngste Zeit Biber gefunden haben, wogegen Otter, so wie der Dachs zwar selten, aber mitunter noch sichtbar werden. Von den Mineralien verdient allerdings der Sandstein den Vorzug, der zu Schleifsteinen und zu Bauwerken aller Art, so wie zu Monumenten etc. verbraucht und weit versendet wird, woraus die feinsten und zierlichsten Bildhauereien gemacht werden. Früher wurde der Sandstein von den Genossen einer eigenen Steinhauerzunft bearbeitet.

V. Wegeverbindung

(§.31.)

Die Stadt hat kürzlich einen chauffierten (Kommunal-) Weg über Suttrop nach Warstein (seit 1832 planiert, seit 1840 aber mit der Steindecke versehen), gebaut, den sie auch unterhält, wodurch die Stadt mit der Staatsstraße (Koblenz-Mindener), die Warstein durchschneidet, eine Verbindung erhalten hat. Von der in Angriff genommenen Provinzial-Möhnestraße:

  1. von Brilon nach Rüden zu 4800 Ruthen sind 300 Ruthen fertig,
  2. von Mülheim bis zum Dreversteinbruche 1421 R. und soll von Mülheim nach Neheim fortgeführt werden.

Eine andere Straße ist von Rüden über Menzel, Nettelstädt, Berge nach Göbbingerhof auf die Mindener Hauptstraße in Projekt. Die Straße von Rüden durchs Möhnetal nach Belecke ist seit 1846 in Arbeit.

Was die Wegverbindungen im Altertum betrifft, so ist zu bemerken, dass der etwa ½ Stunde nördlich von der Stadt über den Haarstrang streichende Haarweg zu den sog. Hellwegen, d. i. Heerwegen, gehörte, deren sich schon die Römer bedienten.

Die, die Rheinfesten Wesel und Xanten mit der Lippefeste Aliso verbindende, Kriegsstraße, lief in einem Zweige, dem Haarweg, über Unna, Haarhof, Anröchte, Berge, Geseke nach Paderborn. Auf diesem Wege sind wirklich römische Münzen gefunden worden. Er war, wie er in alten Urkunden auch genannt wird, 'via regia' (Königstraße), das heißt, er stand als öffentliche Reichsstraße unter dem öffentlichen Frieden, und wurde daher in blühenden Zeiten gewiss von Rüden zum Handel benutzt. Oberhalb Rüden heißt der Haarweg noch heutigen Tages die Königsstraße. Sie dient nur noch zu einem Feldwege.

Wenn auch Friedrich der Große diese Wegegerechtsame vom Kurfürsten von Köln kaufte, um eine Verbindung zwischen der Mark und Hessen, wahrscheinlich zur Beförderung des Viehhandels - wie uns privatim mitgeteilt worden - herzustellen, so hat die Straße umso gewisser nicht von ihm den Namen, als der Name
'via regia' Werl und Soest an der strata regia, in Urk.-b. von 1326 und 1329 bei Seibertz II, S. 221 und 237 urkundlich feststeht. - Von Mainz aus ging eine sehr besuchte und gewiss sehr alte Hauptstraße Siehe Seibertz: "Die Straßen des Herzogtums Westfalen", der auch die berührten römischen Münzen besitzt über Marburg, Hallenberg, Assinghausen, Olsberg nach Nuttlar über Körtlinghausen nach Rüden und von da über Steinhausen nach Paderborn.

VI. Beschreibung der Stadt

(§.32.)

Die Stadt Rüden liegt auf einem Berge, der von der Möhne an der Südseite bespült wird, uns ist von drei Seiten, im Osten, Süden und Westen von tiefen Tälern unmittelbar umgeben, während nördlich sich eine große, durchaus ebene Feldmark bis zur Haarhöhe hin, die ungefähr ¾ Stunde von der Stadt entfernt ist, ausdehnt.

Die Stadt ist halbmondförmig gebaut, hat breite und ebene Straßen, die teils gepflastert, meist aber (seit 1839) chauffiert sind, jetzt noch zwei Kirchen, ein schönes Rathaus, aus Sandsteinen im neueren Geschmacke gebaut, die so großartig, als schön angelegt und durch unverkennbare Meisterhand ausgeführt ist. Das Rathaus ist 1730 unter den Bürgermeistern 'Hake-Tütel, Wilthelm und Vasbach' erbaut, deren Familienwappen über der Eingangstür angebracht sind. An der Südseite steht die steinerne Statue des Stadtpatronen St. Nikolaus in einer Nische in Lebensgröße und ebenso an der Nordseite die Justitia.

Das vormalige Kapuziner- später Minoriten-Kloster ist im Jahr 1840 zum Gerichtsgebäude (für das K. Land- und Stadtgericht) ausgebaut.

Die Knabenschule in der Mitte der Stadt bei der Nikolaikirche, so wie das 1844 erbaute Feuerspritzenhaus sind aus behauenen Sandsteinen errichtet.

An vielen Seiten ist noch die vormalige Befestigung der Stadt durch Mauern (meist aus Sandsteinen) ersichtlich, worin sich auch ein gut erhaltener kleiner Turm am südöstlichen Ecke befindet, der den Namen Herenturm führt. Eines der Stadttore (Hachtor) ist noch mit einem Torturm versehen, der aus Sandsteinen erbaut und nebst Mauern zu beiden Seiten noch gut erhalten ist.

Die früher bestandenen, mit Torwächterwohnungen versehenen, Tore waren: Osterporte, Borgporte, Hachtporte und Schneveringsporte. Westlich unmittelbar vor der Stadt, da, wo ehedem das uralte 'Castrum' (Burg) von Rüden, das man jetzt insgemein die Ruthenburg nennt, gestanden hat, ist seit 1822 der Totenhof (Friedhof) angelegt, der vermöge seiner hohen Lage nicht weniger schöne Aussichten darbietet, als der zu Gärten benutzte Platz vor dem Schneringer Tor (südwestseits der Stadt), von wo aus die Städte Kallenhardt, Warstein, Hirschberg und Belecke, die sämtlich zum Rüdener Gerichtsbezirk gehören, nebst Suttrop und Altenrüden zu sehen sind.

Die Bauart der Häuser in Rüden ist sehr verschieden.

Der im Jahre 1834 den 15. Oktober stattgehabte große Brand, sowie die kleineren späteren Brände, veranlassten viele Neubauten; die meisten der älteren Häuser haben die Bauart 'Fachwerk mit Stintern und Lehm' und die Einrichtung wie die gewöhnlichen westfälischen Bauernhäuser. Über die Dreschtennen kommt man ins Haus, welches mehr zum Ackerbaubetrieb, als zur Wohnung dienende Räume und Einrichtungen enthält.

Dass aber diese Einrichtung deshalb so sehr zur Güte der berühmten westfälischen Schinken beiträgt, weil diese auf der Tenne, die unmittelbar an der Küche liegt, so geräuchert werden, dass fortwährend Luft und Rauch, beide gleichmäßig, darauf einwirken können, dürfte unzweifelhaft sein, zumal in anders eingerichteten Häusern auch so gute Schinken nicht produziert werden.





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