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Band 3

DIE EIGENTLICHE INNERE STADTGESCHICHTE

1. Abschnitt - Übersichtliche Darstellung der Entwicklung und Ausbildung des Rüdener Stadtwesens im Zusammenhang

Kapitel 6

Geschichte des Verfalls der Stadt Rüden

(§.121a.)

Die Geschichte des allmählichen Verfalls der Stadt Rüden ist die Geschichte der allmählich eintretenden Ursachen, die diesen Verfall herbeiführten; die Grundursache selbst aber war, außer einer allgemeinen, die Blüte aller deutschen Städte knickenden Zeit- und Geistesrichtung, für Rüden insbesondere das Aufhören derjenigen Verhältnisse, auf welche seine Blüte begründet war.

Obgleich ganz bestimmte urkundliche Nachrichten darüber nicht vorliegen, so ist es doch unzweifelhaft, dass zuerst der Handel sank. Dieses Sinken war nicht ein für Rüden allein entstehendes, sondern hatte darin seinen Grund, dass durch Entdeckung neuer Seehandelwege im Großen auch andere Landhandelswege eingeschlagen werden mussten, von denen Rüden, namentlich eines größeren Flusses entbehrend, weit entfernt lag.

So wie hierdurch manche Städte sanken, kamen andere, durch ihre Lage begünstigt, dagegen in Flor. Überhaupt war ja Rüdens Handelsverkehr kein unmittelbarer, sondern es genoss nur durch Vermittlung der Stadt Soest die großen Vorteile des Hansabundes. Mit dem sinken und Aufhören desselben verfiel mit Soest selbst auch Rüden. Ähnliche Schicksale trafen Brilon, das im Mittelalter eine jetzt kaum glaubliche Größe und Blüte erreicht hatte.

So können wir denn als die erste und Hauptursache des Verfalls der Stadt Rüden den Verfall des Hansabundes bezeichnen. Zweitens verlor die Stadt immer mehr dadurch an ihrem Glanze, dass die vielen edlen Burgmannsgeschlechter durch gänzliches Aussterben, durch Verarmung und Missheiraten zu den gemeinen Bürgern herabsanken oder durch Verziehung von Rüden endlich ganz in Abgang kamen.

Zu Brandis' und Röingh's Zeiten war kaum noch das eine und andere Geschlecht in seinen letzten Sprossen in Rüden ansässig. Diejenigen Geschlechter, welche in der Rüdener Gemarkung ihren Ursprung hatten, waren im 16. Jahrhundert schon fast alle ausgestorben und ihre Güter an gemeine Bürger veräußert. Die Edelherren von Rüdenberg waren schon früh in den Stand der gewöhnlichen Dienstmänner herabgesunken und verarmt, ihre letzten Sprossen scheinen in Unbedeutendheit abgestorben zu sein.

Ebenso war es mit den von der Möhlen, deren letzte Töchter die Ehen der Plebejer nicht verschmähten. Unter den einheimischen Geschlechtern hielten sich am längsten die von Loen bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein, ohne ein bedeutendes Gewicht zu behaupten. Die großen und vielen Güter aller ursprünglichen Ritter in Rüdens Umgegend waren zersplittert und in die Hände der übrigen Bürger gekommen.

Nur allein die ausheimischen Geschlechter, deren Ansehen und Wohlstand nicht so sehr auf ihre Rüdener Lehngüter, als auf ihre entfernten Stammgüter sich gründete, erhielten zwar ihren Stamm, waren aber für Rüden ausgestorben. Was sollte auch sie an die verödete, verarmte Stadt noch fesseln, da ihre anderen Güter, nicht in das Gemeinwesen einer allgemein sinkenden Stadt verknüpft, ihr Ansehen und ihren Wohlstand aufrecht, ihre Familien unvermischt erhielten?

Diese Familien blühen meistens noch, während die übrigen, die nur als Rüdener Bürger und Teilnehmer an dem städtischen Wohlstand einst mächtig waren, dem allgemeinen Verderben mit unterlagen. Auch sehr viele angesehene Bürgerfamilien, die wir aus Urkunden kennen, erlagen dem Sinken des Handels und der Gewerbe, starben aus in Dürftigkeit, gingen unter in Kriegszeiten oder suchten durch Auswanderung anderweitigen Unterhalt.

Aber nicht allein das Aufhören der Gewerbsquellen, das Verschwinden einer glänzenden Ritterschaft, der Untergang des wohlhabenden Bürgerstandes, störte unmittelbar die Blüte der Stadt; auch die freie Verfassung des Gemeinwesens erhielt einen gar empfindlichen Stoß, da ein fremdes eindringendes Recht das auf altem Herkommen und verliehenen Freiheiten gegründete teure einheimische Recht bekämpfte, besiegte, vernichtete.

Die Doktoren des fremden römischen Rechts bei den landesherrlichen Gerichten, sowie die studierten Rechtskonsulenten waren den eifersüchtigen Bestrebungen des Landesherrn ein willkommenes Mittel die städtischen Richter um Ansehen und macht zu bringen und das einheimische Recht zu verdrängen.

Die Lehrer des frommen Rechts waren besonders glücklich im Auffinden der allerunpassendsten Analogien in dem fremden Rechte da, wo die Gültigkeit eines einheimischen Institutes zwar außer Zweifel stand, aber der Beweis für den Rechtsbestand desselben aus Mangel an schriftlichen Quellen nicht genügend geführt werden konnte, in welchem Falle sie das Institut gewöhnlich ganz und gar verwarfen. Das alte Rüdener Recht ging zu Grunde und mit ihm das Ansehen des berühmten Rüdener Gerichtshofes.

Es hat sich nichts erhalten, als das Recht über eheliche Gütergemeinschaft. Mit dem eigenen Rechte war die städtische Freiheit, die Schöffenverfassung zu Grabe gegangen, welche in der auf römisches Recht sich stützende Landeshoheit auf- und unterging. Die Stadt verlor immer mehr an Macht und wurde durch landesherrliche Behörden in den Hintergrund gedrängt; das Recht der Selbstverteidigung war geschwunden; die Einkünfte waren verringert, die Abgaben vergrößert.

Alle Ursachen des Verfalls sind nicht vereinzelt, sondern sie wirkten wechselseitig; mit dem Erscheinen der einen, traten als Folge die anderen hervor. Als nämlich das gesunkene Ansehen der städtischen Ämter, welche zudem durch Anfeindungen widerspenstiger Bürger allen Reiz verloren, keine Lockung mehr für die Ritter war, zogen sie es vor, lieber die Stadt zu verlassen, auf das Bürgerrecht zu verzichten, und auf ihren Rittergütern auf dem Lande der Steuerfreiheit zu genießen, als der Stadt und den landesherrlichen Gerichten drückende Abgaben zu geben.

Es sind uns noch Nachrichten überliefert worden über den Kampf der städtischen und der landesherrlichen Gerichte. Diesen eigentlichen Todeskampf der städtischen Gerichtsbarkeit werden wir unten näher beschreiben. Es war jene Zeit, da sich die Macht der Fürsten in den Grenzen ihrer Territorien abgeschlossen und konzentriert hatte. Damit mussten die Einschränkungen der städtischen Freiheiten zunehmen.

Als Kaiser Karl V. die Bündnisse des Adels und der Untertanen, so wie die Gesellschaften der Kaufleute abtun musste, war auch das Innungsrecht, die letzte Stütze der städtischen Macht, gefallen. Die Seele des Rüdener Stadtlebens verhauchte in den Grundsätzen der neueren Staats- und Regierungskunst.

"Der ehemals in reicher Fülle sprudelnde Quell des öffentlichen Lebens", heißt es in einer Gelegenheits-Schulschrift, Gymnasialprogramm von Oppeln für 1844. "versiegte und versumpfte, je mehr der Boden, auf welchem die Teilnahme am Gemeinwesen sonst die üppigste Nahrung gefunden hatte, einschrumpfte."

Entwaffnet, ohnmächtig, verarmt und bedeutungslos, ein Bild des Jammers erblicken wir die Städte unseres Vaterlandes am Ende des 30-jährigen Krieges; vergiftet ist die alte Treue und Redlichkeit ihrer Bewohner durch die arglistige Politik der Fürsten; zerstört die alte deutsche Sittenzucht durch die im Kriege verübten Ausschweifungen heimatloser Söldnerhaufen, sowie im Frieden durch die Laster, welche der Adel und die Vornehmen in elender Nachäfferei fremdländischer Verderbtheit herrschend machten; versunken die moralische Kraft des Volkes in Aberglauben und frechen Unglauben; geknechtet endlich und die Brandmale der Knechtschaft zur Schau tragend der Geist in seinem edelsten Ausfluss; der Sprache. Nur mit Wehmut folgt der Blick dem sinkenden Städtewesen, das auch im 18. Jahrhundert für eine erfreulichere Betrachtung wenig Anhaltspunkte gewährt.

Erst als gegen das Ende des Jahrhunderts die alte Ordnung der Dinge in Frankreich zusammenbricht und die Formen uralter Staatsgebäude in Schutt und Trümmer fallen, reift unter Druck und herber Entsagung in unserem Vaterlande ein neuer Zustand heran.

Was in diesen Worten über das sinken der Deutschen Städte im Allgemeinen ausgesagt wird, lässt sich fast durchaus auch auf unser gesunkenes Rüden anwenden. Besonders passten die Worte über den 30-jährigen Krieg, in Westfalen "Schwedenkrieg" genannt, auf die Stadt Rüden. Was früher der Stadt Wehrhaftigkeit begründet, sie zu einer wichtigen Grenzfestung gemacht, ward damals zu ihrem Verderben.

Sie diente zum Sammelplatz und Standlager aller möglichen Truppen, von denen schwer zu sagen, ob es Feinde oder Freunde. Es war Mittelpunkt, von wo aus die brandschatzenden, sengenden und mordenden Söldnerscharen das flache Land heimsuchten, es war der Ort, wo die Bürger beraubt, misshandelt, gemordet, vertrieben und ausgesogen wurden. Es darf ganz kühn behauptet werden, dass dieser Krieg für Rüden in jeglicher Hinsicht der Todesstoß war.

Man sah dies in Rüden auch sehr gut ein, wie nicht nur die der Nachkommenschaft aufbewahrten ausdrücklichen nachrichten hierüber dartun, sondern viele gleichgültige Verhandlungen, selbst Lehnsbriefe über den unsäglichen Jammer und das Elend aussprechen, welches, Gut und Lebensfreudigkeit den Bürgern raubend, der unglückseligste aller Kriege verbreitet hat.

Dazu kam die furchtbare Geißel der Menschheit, die Pest, die in jenen schrecklichen Zeiten die Bürgerschaft hinraffte und ihre Häuser verödete, ein Verlust, der nie wieder ersetzt worden. Wie die Stadt Rüden in jenem unglücklichen 17. Jahrhundert gleichsam hingemordet wurde, darüber verweisen wir hier auf das traurige unten mitzuteilende Unglücksregister, wie wir die Chronik der merkwürdigen Begebenheiten nennen dürfen.

Erst unter Preußens sengensreicher Regierung erholt sich sichtlich die Todeskranke und gibt die schönste Hoffnung zu einer neuen erstarkten Gesundheit, Die aus edlem, freien Antriebe entstandene Städteordnung, die auch Rüden verliehen worden - ein zeitgemäßer Ersatz der ehemaligen Rechte und Freiheiten - wird heilsame Arznei sein. Der Herr gebe seinen Segen dazu!

(§.121b.)

Durch einen Zufall ist es geschehen, dass wir, nachdem vor länger als Jahresfrist der vorstehende §. 121 vollendet war, nun noch nachträglich einen Aufsatz von Seibertz: "Über den Verfall der westfälischen Städte insbesondere der Stadt Rüthen" in Wiegands Archiv (I.B.4.H.32.ff.) und einen älteren im Dortmunder Magazin für Westfalen (Jahrgang 1797- 2. Heft. S. 97 ff.) mit der Überschrift "Woher kam es, dass zur Zeit des hanseatischen Bundes in den Ackerstädten des Hellwegs Manufakturen blühten?" zur Vergleichung des schon Gesagten ziehen können.

Die in diesen Aufsätzen dargelegten Ansichten nötigen uns, noch einmal in diesem nachkritischen §. auf die Geschichte des Verfalls von Rüden zurück zu kommen. Die oben angegebenen Gründe des Verfalls wollen wir zwar im Allgemeinen in ihrer Kraft bestehen lassen, sehen uns aber veranlasst, noch einige andere allgemeine und besondere Gesichtspunkte zur Aufhellung der mehr materiellen Ursachen von Rüdens Aufblühen und Verfallen zu berücksichtigen.

Seibertz ist ganz allgemein der Ansicht, dass ihm der hanseatische Bund die Unterlage zu sein scheine, auf welcher der frühere Wohlstand der westfälischen Landstädte beruhe, dass das Auf- und Verblühen derselben mit dem der Hansa in genauer unzertrennlicher Verbindung stehe.

Er geht dann speziell auf Rüden über und hebt mit Recht als ein besonderes Zeichen des früheren Glanzes den Umstand hervor, dass man die Accise von Wein und Bier, im gleichen die fallenden höchsten Brüchten für hinreichend hielt, um die Kosten des nicht geringen Festungsbaues der Stadt davon zu bestreiten.

Dies geht aus Artikel 34 und 64 des Rüdener Rechts hervor:


Wenn nun ferner aus den von Seibertz beigebrachten Urkunden deutlich hervorgeht, dass schon von 1350 an, der Ruin der Stadt beginnt, dass schwere Schuldenlast den Grundbesitz drückte, dass die Mauern nicht erhalten werden konnten, dass die Häuser verfielen und verödet standen, so sehen wir uns, nach Betrachtung dieser urkundlichen Nachrichten, zu einigen beachtenswerten Bemerkungen veranlasst.

Zuerst wird die, auch in Seibertz Urkundenbuch II. B. S. 427 abgedruckte Urkunde von 1353 mitgeteilt, worin Erzbischof Wilhelm klagt, dass die Stadt in Abtragung der landesherrlichen Gefälle, Beiträge und Dienste säumig sei, weil die Häuser, Gebäude und Güter der Stadt mit vielfachen Gefällen und jährlichen Geldrenten an auswärtige Leute beschwert seien. Wegen dieser drückenden Lasten würden die Häuser und Gebäude wie verödet und verfallen verlassen.

Daher verordnet er, dass alle auswärtigen Bürger solcher Renten zu den bürgerlichen Lasten ebenso beitragen sollen, wie die übrigen in der Stadt wohnenden Bürger. Dann folgt eine Urkunde von 1354 (auch bei Seibertz Urkb. S. 438) über einen Bund Rüdens mit den Nachbarstädten zur Vertreibung der rheinischen Schafe, worin von den mannigfachen Nöten der Stadt die Rede ist:

dorch mannigher leye not willen, de uns anligende is

Der Erzbischof hatte ihnen aber zwei Tage vorher die Befugnis zur Vertreibung der Schafe zur Vertreibung der Schafe verliehen (Seibertz a.a.O. 437) "weil das Vieh der Rüdener Bürger durch die ungeheure Menge des fremden, das die Rüdener Äcker und Weiden heimsuchte, abmagerte und aus Mangel an Weide starb, weil auch die Äcker selbst ganz und gar unfruchtbar wurden und den Bürgern daraus merklicher Schaden erwuchs."

Das Verschuldet- und daraus hervorgehende Verlassenwerden der Rüdener Häuser und Hofstellen nahm in späteren Zeiten auf eine klägliche Weise immer mehr zu. So verkaufte z.B., nach der uns vorliegenden Originalurkunde, 1391 Wilkge deckens sone ... drey Schillingh geldes erfliker Jargulde vie myme huys dat belegen ys bynnen ruden be neuen nolken huys des porteners ... deme ... Johanne wedekynde burger to Soest usw., besiegelt von dem weltlichen Richter Klocke zu Soest (drei Glocken im Wappen.) Die Urkunde, die Seibertz ferner mitteilt, vom Erzbischof Dietrich von 1430 besagt, dass derselbe angesehen habe die großen Gebrechen, Hindernisse, zunehmenden Verderb und Verwüstung der Stadt Rüden, welche die Bürger litten wegen Verfallung der Häuser und wüster Hofstätten, darum weil dieselben zu hoch belastet und beschwert seien mit jährlichem Zinse, Ingelde und Renten, so dass die verfallenen Häuser und meisten Hofstätten niemand wieder bauen wolle.

Er verordne daher, dass die Eigentümer solcher verfallenen Häuser und Hofstätten aufgefordert würden vom Bürgermeister und Rat, dieselben so gewiss binnen Jahr und Tag in Redlichkeit wieder zu bauen und zu besetzen, als widrigenfalls diejenigen, welche gegen Entrichtung landesherrlicher und städtischer Dienste jene wieder bauen, sie besitzen und behalten sollten.

Dass der Verfall nicht gehemmt wurde, lehrt die folgende mitgeteilte Urkunde von 1438, worin Erzbischof Dietrich der Stadt Rüden zum Baue und Besserung der Stadt eine Wollen-Accise binnen der Stadt zu erheben vergönnt, nämlich von jedem "Clude" Wolle, das Auswärtige in der Stadt verkaufen, 12 Pf. soestisch. Wenn aber ein Bürger seine produzierte Wolle außerhalb verkaufe, so solle die Wolle verfallen sein usw.

Der Handelsverkehr hatte also damals so abgenommen, dass die bisherigen Accise zu den öffentlichen Bauten der Stadt nicht mehr hinreichte.- Durch die Soester Fehde wurde die Not wieder größer. Deshalb gab der Erzbischof das ferner mitgeteilte Privileg von 1450, worin dem Bürgermeister und Rat zu Rüden erlaubt wird, alle Woldemeine vor der Stadt einzufriedigen, zur Steuer und Beihülfe des Schadens und Verlustes, den sie in der letzten Fehde erlitten hatte.

Der Hauptschaden der Stadt aber, das Verlassen der Häuser, dauerte fort; das zeigt die mitgeteilte interessante Urkunde von 1478, worin Goebel Kale, geschworener Gogreve und Richter des Erzbischofs von Köln zu Rüden, bekennt, dass er, ...

... von Bürgermeister und Rat veranlasst, mehrere wüste und verfallene Häuser und Hofstetten wegen rückständigen Grundzinses de Erzbischofs von Köln und rückständiger Stadtdienste "dreimal zu je vierzehn Nächten zu geschlagen und in Kummer gelegt habe nach Rüdener Recht, Dies Contumacial- und Confiscations-Verfahren stimmt mit den §§.65 ff. des Rüdener Rechts überein. " namentlich des Hans Revelungs Haus, des Christian vom Bechom Hofstette, des Arnd Bruwerdinghausen Haus, des Rotger Kastrops Haus und Menken Bogen Haus, denen Allen Gott gnade; er habe allen Interessen solches verkündigt und zuletzt einen letzten Pflichttag angesetzt auf Dienstag nach St. Thomas, nebst Vorladen zu rechter Richtzeit unter unter das Rathaus, Vergl. die Note Seite 48 dieser Geschichte. er habe dort geheget ein Gericht nach Gogericht Recht und habe einmal, zweitens, drittens gefragt, ob jemand Einsprache zu tun habe, da aber keiner gewesen, der die Rückstände an Grundzins und Diensten abtragen wollte, habe er die wüsten Häuser und Hofstetten für Bürgermeister und Rat kaduziert. Zugegen seien gewesen die Standesgenossen und Umständer des Gerichts usw.

Etwa 20 Jahre später (um 1500) werden nach einem urkundlichen Verzeichnis 72 verfallene Häuser aller Art kaduziert. - Noch im Jahr 1515 hielt es die Stadt für nötig, sich dieses Kaduzitätsprivilegium durch Erzbischof Hermann erneuern zu lassen. Es ist ebenfalls in dem Aufsatze von Seibertz mitgeteilt, so wie zum Schluss eine Ladung des Richters Pranghe von 1530, woraus sich ergibt, dass jenes Privileg noch damals geübt wurde.

Es heißt darin, dass ...

... durch Feuersnot die Stadt Rüden in großes Unglück geraten sei, so dass viele Bürger ihre Stetten nicht wieder aufbauen könnten, dass deshalb die Stadt an Diensten und Steuern nicht wenig Mangel gelitten, ebenso der Erzbischof an Schatz, Grundzins und Diensten. Bürgermeister und Rat habe die wüsten Stetten dreimal in Kummer legen lassen und es werde hiermit ein Rechttag angesetzt zum weiteren Verfahren.

Die interessanten Mitteilungen von Seibertz schließen mit der wahren Bemerkung, dass die Gräuel des 30-jährigen Krieges den Rest des Wohlstandes vernichtet haben.

Wir verweisen ferner nur noch auf das unter §. 183 dieser Geschichte mitgeteilte Marktprivilegium des Erzbischof Hermann von 1532, worin des jämmerlichen Verderbens der Stadt durch Brand und anderes Unglück, des Verlassens der Stadt, der Verwüstung der Türme und Mauern, gedacht wird, und zur Unterhaltung der Mauern, Tore und Bau die Märkte verliehen werden.

Dann gehört hierher der § 148 mitgeteilte Beschluss von 1581, Nr. 5, über die geklagte Verwüstung der Stadt- und Bürgerhäuser. Das Marktprivileg von 1600 (§. 183) spricht ebenfalls von der Vergünstigung zur Erbauung der Mauern und Pforten. Endlich gibt der §. 207 Nachricht von der 1635 stattgehabten Verwüstung von mehr als hundert Bürgerhäusern.

Die Bemerkungen aber zu denen uns die vorstehenden urkundlichen Nachrichten veranlassen, sind folgende:

  1. Der Verfall der Stadt Rüden war keineswegs zunächst an den der Hansa geknüpft. Nach Sartorius (Geschichte des hanseatischen Bundes - 1. Auflage) geht die erste Periode des Hansabundes bis 1370, wo derselbe so glorreich aus de kriegen mit Woldemar III., König von Dänemark, hervorging.

    Gegen 1350, wohin wir den Wendepunkt des Glanzes der Stadt Rüden setzen, war der Hansabund schon keineswegs das große organische Ganze, das auch die kleineren Landstädte an seinem Segen teilnehmen ließ, und wenn auch schon Soest in der ersten Periode sich in den englischen Handel einließ, ja an dem dänischen Kriege Anteil nahm (Sartorius I. B. S. 86 und 96), so liegt doch kein Anzeichen vor, dass Rüden schon damals zur Hansa gehörte.

    Auf jeden Fall aber lag nicht schon damals der Grund des Sinkens der Stadt Rüden in dem Hansabunde, da weder im Allgemeinen dieser damals dazu Anlass geben konnte, noch aus obigen Urkunden etwas derartiges sich folgern lässt. Ebenso wenig lässt sich der Glanz Rüdens auf die Hansa zurückführen; diese Periode ist eine frühere, es ist die Zeit der Abfassung der ersten §§. des Rüdener Rechts, etwa das 13. und die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.

    Die zweite Periode des Hansabundes von 1370 bis 1495 ist die des Höhepunktes derselben, und, merkwürdigerweise, in dieselbe Zeit fällt der sichtliche Verfall Rüdens, der durch die hanseatische Verbindung höchstens nur aufgehalten wurde, bis er vollendet war in der dritten Periode der hanseatischen Geschichte, der des Sinkens, die bis nach dem 30-jährigen Krieg dauerte. Erst in dieser Periode gehen Rüdens Schicksale mit denen der Hansa denselben Weg.


  2. Welches war denn die Entwicklungsgeschichte von Rüdens Glanze und Verfalle in materieller Hinsicht (in politischer und moralischer sind sie geschildert?) Zufällige, in die Zeit obiger Urkunden fallende, Unglücksfälle, als die 1353, 1530 stattgehabten Einäscherungen der Stadt, die Soester Fehde, die Abweidungen fremden Viehes sind doch am Ende nicht im Stande, allein so nachhaltig verderbliche Folgen zu haben.

    Nur die aus den Urkunden ersichtliche Abnahme des Binnenverkehrs kann Zusammenhang haben mit der allgemeinen Handelsgeschichte, wohl aber kaum die große Verschuldung so vieler Bürger, worin wir den Hauptkrebsschaden zu erkennen glauben, der am Wohlstande der Stadt nagte.

    Woher aber die große allgemeine Belastung des Grundeigentums kam, ist zwar nicht bestimmt überliefert worden, hat aber wohl in den schlimmen bürgerlichen und gesellschaftlichen Zuständen am Ende des 15. und Anfange des 16. Jahrhunderts ihren Grund, da an die Stelle der ursprünglichen Gleichheit die drückenste Ungleichheit getreten, die Last der Dienstbarkeit aufs Übermaß gesteigert war. Auf dem Lande ging daraus der berüchtigte Bauernkrieg hervor, in den Städten bürgerliche Revolution.

    So entstand 1509 ein Aufruhr in Erfurt. Der Rat, welchen fast lauter Verwandte und Gefreunde gebildet hatten, war auf das gemeine Beste nicht bedacht und trug daher kein Bedenken, auf Kosten der armen Bürger eine Menge Schulden zu machen. Da es noch keine Ratmeister aus den Handwerkern gab, so war der Gemeinde die Schuldenlast von 600.000 Gulden unbekannt geblieben. (S. Jachenau, der deutsche Bauernkrieg - Buch I. Seite 25)

    Dieser Zustand mag Ähnlichkeit gehabt haben mit dem auf der römischen Plebs ruhenden Drucke durch ihre patrizischen Gläubiger. Denn auch in Rüden war in den Händen einzelner Familien ein sehr großer Grundbesitz, dessen ungleiche Verteilung notwendig vor und nach die Verarmung eines großen Teils der Bewohner zur Folge haben musste. Denn Rüden war seiner Bestimmung nach eine Ackerstadt und seine Blüte durch Handel und Industrie war eine zufällige, bedingte, künftige, zeitweilige. Ein Verlust in letzter Hinsicht ist zu verschmerzen, zu ersetzen; ein allgemeines Verschulden und Fallen des Grundbesitzes schlägt dem Wohlstande Todeswunden. Daß in Brilon ganz dieselben Gründe des Verfalls herrschten zeigt unter andern die von Seibertz (Wigand's Archiv, IV.,3. S.253) erwähnte Urk. vom Jahre 1435.

Wenn wir den wahren materiellen Grund von Rüdens Verfalle glauben entdeckt zu haben, so lassen wir jetzt noch einige Ideen über den uns wahrscheinlichen materiellen Grund des Aufblühens der Stadt folgen, zu denen uns zunächst der oben erwähnte Aufsatz im Magazin für Westfalen veranlasst hat.


Also nicht sowohl der Verfall der Hansa (denn es haben sich ja auch in Westfalen Fabriken genug erhalten) hat den Untergang der Manufakturen in Landstädten, wie Rüden, Brilon u.a. bewirkt und sie auf den bloßen Ackerbau zurückgebracht; sondern das allmähliche Aufhören der vorhin angegebenen Ursachen des Blühens der Gewerbe in ihnen: die veränderte Verfassung der Städte und des Landes besonders seit dem 15. Jahrhundert. Das Grundeigentum und der Ackerbau kamen in andere Hände.

Dass die Landesherren ihren Anteil an den Gütern und Gerechtsamen der Städte verkauften und verpfändeten ist kein seltener Fall; wenn wir daher den Grund des ursprünglich vom Erzbischof Philipp erworbenen Haupthofes, so wie alle Grundgerechtigkeiten: als Jagd, Fischerei, Accise, Äcker, wiesen, Weiden, Waldungen, ja selbst die Burg im Besitz der Rüdener Stadt und Bürger sehen, so kann man mit Recht ein Gleiches vermuten.

Hatte ja Erzbischof Kuno 1369 zum Ankauf der Grafschaft Arnsberg auch von Rüden Geld geliehen (Seibertz Urkb. II. S. 547) und 1370 die Burg zu Rüden dem Bischof zu Paderborn versetzt (S. 575). Dazu kam, dass die Erfindung des Schießpulvers den Adel, als kriegerische Besatzung in Rüden, überflüssig machte; das Dienstmannsrecht ging ein.

Die Geschlechter, welche den Aufenthalt auf dem Lande dem in den Städten vorzogen, verpachteten ihre Güter, oder zerstückelten sie und verkauften sie an gemeine Bürger, bei denen nunmehr ein, wenn auch kleiner, Grundbesitz allgemein wurde. Sie wollten Manufakturisten und Ackerbauer zugleich sein, zwei Lebensarten, die sich nicht vereinigen lassen. Indem sie ihren Landwirtschaften nachgingen, versäumten sie ihre Profession. Die Manufakturen verfielen und Rüdens Bürger kehrten zur ersten und liebsten Beschäftigung zurück.

Auch auf dem platten Lande war eine große Veränderung vorgegangen. Ritterschaft und Städte, worunter auch Rüden, hatten im 15. Jahrhundert durch mehrere Landfriedenschlüsse (siehe §. 206, 206) Sicherheit des Eigentums und rechts im Lande befestigt. Da hörten die Fehden auf, Handel und Gewerbe konnten aufs offene Land ziehen, wo die Tendenz der alten Markenverfassung immer mehr nachließ, wo sich der anbauende Fabrikant von nun an besser wohnte, als auf dem engen Raume der Stadt.

In ihr bestanden nur noch die für die nächsten Bedürfnisse der Ackerbürger durchaus notwendigen Handwerker. - Die Gedanken Mösers (Patriotische Phantasien I. B. Nr. 2) über den Verfall der Handlung in den Landstädten, dass wir nämlich, im Gegensatz zu den Zeiten der Hansa, unsere Manufakturen fremden Kaufleuten vertrauen und uns durch dieselben herumführen lassen, dass ein Grund des Verderbens liege in der Schwächung der Handwerker, und in der Ermunterung unserer Krämer und dergleichen, gelten gewiss auch von Rüden.


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