Inhalts-
verzeichnis

Sie sind hier: www.familie-von-rueden.de ::: Geschichte der Stadt Rüden ::: Band 3- Abschnitt 2 - Kapitel 1





Band 3

DIE EIGENTLICHE INNERE STADTGESCHICHTE

2. Abschnitt - Das besondere des Rüdener Stadtwesens in seiner Anschliessung.

d.i. Darlegung aller einzeln auf Verfassung, Verwaltung, Gerichtseinrichtung, Verhältnis zu den landesherrlichen Behörden, öffentliche Anstalten und ähnliche Dinge sich beziehende Punkte.

Kapitel 1

Gerechtigkeitspflege und Verwaltung. Gerichte und Magistrat.

A. Unter kölnischer Landeshoheit

  1. Gerichte
    1. Geschichtliche Entwicklung der Gerichtsverfassung im Allgemeine und der Freigerichte insbesondere.
      (§.122.)

      Die freien Besitzer eines Erbes hatten in der altgermanischen Volksgemeinde das Urteil bei Streitsachen in Händen, welches sie in ihren Zusammenkünften (placitis) sprachen. Der Richter (oder Graf), hatte in seinem Gau den Vorsitz.

      Seit Karl dem Großen blieb im Wesentlichen dieselbe Einrichtung. Auch später erhielten sich die öffentlichen Gerichte in Gegenwart aller Eingesessenen, als Zeugen und Teilnehmer der Verhandlung, oder auch als Schöffen, insofern sie nach ihren Geburtsrechten es sein können, zwar noch, aber die Gerichtsbarkeit selbst wurde vielfach zersplittert.

      Früher nämlich hatte man die Rechtspflege als unmittelbar vom König ausgehend und als unabhängig von dem Länderbesitz angesehen. Allmählich aber wussten zuerst die geistlichen Stiftungen, dann auch weltliche Herren die Gerichtsbarkeit über ihre Eigen- und Schutzhörigen an sich zu bringen, wodurch die alten Gerichtsbezirke auf mancherlei Weise zerrissen werden.

      Als sich in Westfalen allmählich die Landeshoheit entwickelte und mehr geschlossene Territorialbezirke sich bildeten, richteten neben anderen Territorialherren ganz besonders auch die Erzbischöfe von Köln in Westfalen ihr eigenes Gerichtswesen förmlich ein, durch die Ansetzung von Gografen, welche, zwar mit Beibehaltung der alten Gerichtsbezirke, doch nicht als königliche, sondern als landesherrliche Richter, die Gerichtsbarkeit übten.

      Wenn man auch aus dem Eingange des Rüdener Rechts schließen möchte, dass schon 1178 der Erzbischof Philipp von Köln die Gerichtsbarkeit in Westfalen überhaupt, und namentlich sein eigenes Gogericht in Rüden gehabt habe, so würde diese Erscheinung freilich umso auffallender sein, als erst 1180 Kaiser Friedrich I. dem Erzbischof Philipp I. nebst der herzoglichen Gewalt in Westfalen und Engern überhaupt, namentlich die Gerichtsbarkeit und gräflichen Rechte (ducatum cum omni jure jurisdictione, videlicet cum comitatibus contulimus: Verleihungsurkunde bei Seibertz I. Nr. 81) geschenkt hat.

      Dass aber Erzbischof Adolf I., dem gegen 1200 von Kaiser Otto IV. und 1204 von König Philipp II. die herzoglichen Rechte bestätigt wurden (die Urkunden bei Kindlinger Volm. Gesch. 2 B. S. 96 und Seibertz Urkb. I. S 164), schon bei der eigentlichen Gründung der Stadt Rüden 1200 dort sein eigenes landesherrliches Gogericht hatte, folgt aus der Stiftungsurkunde (de judiciis, Seibertz I. S. 155) selbst, und aus dem seiner Grundlage nach wohl nicht viel jüngeren Stadtrechte (§. VII: dat richthe tho Ruden dat unses heren van colne ys).

      Dieses Gericht hatte über die Bürger selbst wenig Macht, deren Beschränkung schon im Stadtrechte ausgesprochen ist. Jedoch dürfte das Rüdener Evokations-Recht gegen auswärtige Richter, das in dem §. VII. ausgesprochen ist, nicht älter sein, als das von Brilon von 1302 und das Soester von 1310 (siehe Seibertz Urkb. II. S. 72).

      Wenn sich aus dieser Zeit die Bedeutung des Gogericht noch nicht mit Sicherheit bestimmen lässt, so wird doch schon gegen 1300 die Gografschaft Rüden unter den zwölf in Westfalen ausdrücklich aufgezählt. (Seibertz Urkb. Bd. I. S. 643).

      (§.123.)

      Während nun der Erzbischof von Köln, zuerst nach Erwerbung einzelner Güter und Hörigen, wozu noch manche Freie als Schutzhörige traten, dann nach ausdrücklicher Verleihung der gräflichen Rechte, seinen Hörigen einen Vogt oder Schulzen, seinen ursprünglich Freien einen Richter unter dem Namen des alten Landrichters, nämlich einen Gografen, ernannte, blieben diejenigen freien Leute, die weder in Hörigkeits-, noch in ein Schutzverhältnis zu einem Herrn getreten waren, sondern den Stand ihrer alten Freiheit beibehalten hatten, unter einem besonderen Richter, der über ihre Personen und Güter richtete, der von dem von den letzten Inhabern übrig gebliebenen, unmittelbaren Reichsgute die fiskalischen Reichseinkünfte erhob, und nicht als landesherrlicher Beamter, sondern als königlicher Richter unter Königsbann das Urteil sprach und dessen Gerichtsbezirk, zum Unterschied von der Gografschaft, den Namen Freigrafschaft führte. Der Richter des Freien hieß deshalb Freigraf.

      Alle diese Verhältnisse traten in Rüden schon frühe vor die Augen. Das erzbischöfliche Schulzenamt (villicatio) unter einem Schulzen (scultetus) kommt schon in der Gründungsurkunde von 1200 vor. Demselben stand später ein Amtmann (schon im Rüdener Rechte §. XIX: ammetman), oder Officiatus vor.

      (§.124.)

      Das Rüdener Freigericht, Freiding, Freigrafschaft ist ohne Zweifel eben so alt, wenigstens kommt in der ältesten Urkunde, worin der Rüdener Gografschaft ausdrücklich Erwähnung geschieht (gegen 1300: Seibertz I. S. 644) die "Vrygraschap in Ruden" ganz ausdrücklich vor.

      Indessen waren weder die Gegenstände der Gerichtsbarkeit, noch die Grenzen der Gerichtsbezirke verschieden. Denn da sowohl die Freigrafschaft, als die Gografschaft aus den alten Landgerichtsbezirken hervorgegangen war, als Zweige einer Wurzel, so konnten beide in einerlei Grenze zusammen fallen, oder auch einander durchschneiden, wenn die Veränderungen des Territorialbesitzes eine Trennung im Zusammenhang des alten Gerichtsbezirkes hervorgebracht hatten.

      Der Treveresgau nun, als alter Gerichtsbezirk betrachtet, erfuhr ebenfalls derartige Schicksale. Der alte Malplatz desselben dürfte am ersten in Alten-Rüden zu suchen sein, wie schon früher bemerkt. Die Gografschaft und Freigrafschaft sind die Zweige dieses alten Landgerichts.

      Die westfälischen Freigrafschaften enthielten aber, je nach ihrer Ausdehnung, einen oder mehrere Freistühle, d. i. Mal- oder Dingstätten, wo der Freigraf im Umstande der Scheffen und übrigen Freien, sein Gericht, das Freiding, hielt.

      Wir haben schon gesehen, dass gegen 1300 neben der Gografschaft Ruden auch die Freigrafschaft genannt wird. Wo der freie Stuhl der, in jener Urkunde gemeinten, Freigrafschaft gelegen, oder ob sie mehrere umfasst habe, folgt aus keiner weiteren Nachricht. Wohl aber wissen wir, dass wenigstens um die Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Freiding auf der Burg bei Rüden (natürlich, wie an allen Malplätzen, frei unter dem offenen Himmelszelt, ohne Gerichtssaal, ohne Hallen und Schranken) von einem erzbischöflichen Freigrafen gehegt wurde.

      Mit diesem Freigericht ist doch wohl die Freigrafschaft in Rüden gemeint, die ja eben als Besitztum des Erzbischofs in der Urkunde angegeben wird. Wenn wir aber bedenken, dass auf der Burg erst nach deren Zerstörung die Malstatt sein konnte, so erkennen wir in derselben umso weniger die ursprünglichste und älteste des Gaues, weil wir gerade in Alten-Rüden ebenfalls einen Freistuhl finden, dessen freilich zuerst 1334 (Seibertz II. S. 251) Erwähnung geschieht, und der nicht unangesehen war, da selbst der landesherrliche Richter in Rüden vor demselben einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit vollziehen ließ.

      Das Alter dieses Stuhles dürfte schon deshalb weit hinaufgehen, da er gewiss erst durch mancherlei Schicksale und Verleihungen einen Knappen von Langenstraße zum Stuhlherren hatte. Von dem Stuhle auf der Burg ist er schon leicht dadurch zu unterscheiden, dass über diesen der Landesherr Stuhlherr war.

      Wenn im Rüdener Rechte §. 8. und §. 9., wie es wahrscheinlich ist, ein bestimmter freier Stuhl gemeint wird, so ist ebenfalls wohl dabei an den Stuhl zu Altenrüden zu denken, wodurch denn sein höheres Alter gesichert ist.

      Ursprünglich war ja Rüden, eben nur das Dorf Altenrüden, und dieses bedeutend älter, als die Stadt desselben Namens. - Die Freigrafen wurden fortwährend als königliche beamte betrachtet; als ihren obersten Vorgesetzten erkannten sie ursprünglich den herzog von Sachsen an, von dem auch ihre Ernennung ausging.

      (§.125.)

      Wir haben oben erwähnt, dass die herzoglichen Rechte auf den Erzbischof von Köln übergegangen waren. Dieser war nunmehr, als Herzog von Westfalen, des Königs Statthalter und oberster Stuhlherr (siehe Kopp "Heimliche Gerichte" S. 272 ff., besonders S. 297). Der oberste Stuhlherr nun konnte nicht alle Stühle selbst mit Freigrafen besetzen, daher gab er die meisten derselben an Andere, besonders an adlige Familien, zu Lehen.

      Die Stühle wurden entweder aus Gnade verliehen, oder versetzt und verkauft. Das erstere war gewöhnlich der Fall, wenn eine Stadt mit einem freien Stuhle und dessen Gerechtigkeit begnadigt wurde, wo dann die Stadt Stuhlherr wurde. Die gewöhnlichen Abfälle und Brüchten bei den Freigerichten erhoben die damit Belehnten, oder diejenigen, denen die Freigrafschaften ganz oder zum Teil wieder versetzt oder gar verkauft waren, freilich mit dem Vorbehalt der Lehnsverbindlichkeit.

      Diese Inhaber der Stühle betrachteten sich nun als Stuhlherren und besetzten den Stuhl mit Freigrafen. Oft auch teilten die Untervasallen die Grafschaften weiter, versetzten und verkauften solche mit den zugehörigen Freienstuhlsgütern und Leuten stückweise. So viele Stücke, so viele Stuhlherrn gab es demnach. Man versetzte und verkaufte auch die Freigrafschaften ohne die Güter, und diese ohne jene. (Kindlinger, Münstersche Beiträge I. S. 30) Umgekehrt aber hatten auch oft mehrere freien Stühle, namentlich als die zahl der Freien bedeutend abgenommen, nur einen Freigrafen, der alle Stühle versah.

      (§.126.)

      In der Rüdener Geschichte finden wir beide Arten der freien Stühle noch neben dem erzbischöflichen, später kurfürstlichen freien Stuhle. Nämlich erstens, den 1354 von Erzbischof Walram der Stadt Rüden verliehenen freien Stuhl (Cosmann, Materialien S. 14), und zweitens den in Alten-Rüden, über welchen 1334 Volland von Langenstrodt Stuhlherr war.

      Dieser konnte ihn nur auf die oben angegebene Weise erhalten haben. Dass er also noch als erzbischöfliches Lehen zu betrachten ist, lässt sich, auch bei dem Mangel an Nachrichten hierüber, nicht bezweifeln.

      Wir haben also sicher drei freie Stühle in der Freigrafschaft Rüden nachweisen können und wenn dieselbe dem Umfange nach, der Gografschaft Rüden entspricht (und beide zusammen dem alten Gaue), welche unsere Vermutung durch die Urkunde bei Kindlinger, Münstersche Beiträge III. B. S. 720, durchaus bestätigt wird, so haben gewiss noch andere, uns unbekannte, Freistühle dazu gehört. Von Belecke wissen wir, dass es an dem Rathaus sein Freigericht hielt. Ein freier Stuhl in Warstein und einer in Kallenhardt ist zu folgern aus Wigands Fehmgericht S. 572.

      (§.127.)

      Auffallend mag es erscheinen, dass der Stadt Rüden vom Erzbischof 1354 ein freier Stuhl, als ein Privilegium, verliehen wurde, nachdem, ebenfalls als ein Privilegium, früher die Stadt von dem Freidinge eximiert wurde. Diese Befreiung der Stadt von dem Freigerichte ist im 8. und 9. §. des Rüdener Rechts erhalten. Danach soll in der Stadt Rüden kein Freiding gehalten werden.

      So wie man sich hierdurch der Freidinge innerhalb der Stadt erwehret hatte, so war die folgende Bestimmung umso wichtiger, als dadurch alle Evokationen der Bürger an auswärtige Freistühle verhindert wurde. Es heißt nämlich: "man solle keinen Bürger außer den mauern vor ein Freiding laden, wegen Sachen, über die das erzbischöfliche Gericht richten kann." Nur die Streitigkeiten über erbliches freies Gut sollten vor ein Freigericht kommen.

      Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich von dem mächtigen und gefürchteten Gerichte, das über Fürsten und Bauern gleichmäßig Recht sprach, befreien mochte. Ganz besonders aber musste den Städten, bei ihrem Streben nach Selbständigkeit, daran liegen, ihre Bürger vor derartigen Beschränkungen ihrer eigenen richterlichen Gewalt zu bewahren. Duldete ja auch die Stadt Rüden immer nur ungern in ihren Mauern das erzbischöfliche, später kurfürstliche, Gericht, dem sie nur über die Bürger eine sehr beschränkte richterliche Macht einräumte!

      Die Städte überhaupt sind eine dem alten germanischen Staatsleben fremdartige Erscheinung, die sich am allerwenigsten mit den beiden Zweigen der alten Landgerichte fernerhin befreunden konnten. Ganz neue eigentümliche Lebensbeziehungen und das Streben nach Unabhängigkeit, waren schon Grund genug, die eigene Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder, als das allerwichtigste Privileg den Städten erscheinen zu lassen.

      War dieses teure Kleinod der eigenen Gerichtsbarkeit errungen: wie hätten die Städte nicht Alles aufbieten sollen, jede fremde Gerichtsbarkeit, so viel wie möglich abzuwenden? So Rüden. Sein städtisches, vom Bürgermeister und Rat gehegtes, Gericht ist so alt, als die Stadt selbst.

      Wenn nun der Stadt ein freier Stuhl mit allen seinen großen Gerechtigkeiten verliehen wird, wenn also der Bürgermeister, als Vertreter der Stadt und Vorsitzender im Stadtgerichte, der Stuhlherr des Freidings ist, als Vorsitzender das Gericht heget, so ist es ja klar, dass die Verleihung derjenigen Gewalt, der man sich, in anderen Händen, nur erwehren musste, eine bedeutende Erwerbung wurde. Ganz ähnlich war es mit Dortmund, das zuerst ein fremdes Freigericht aus seinen Mauern bannte und dann selbst eins erwarb. S. Wigand's Geschichte von Corvey I. S.264

      So gewann der Magistrat die Gerichtsbarkeit über alle Sachen, die nur unter Königsbann behandelt werden durften. Die Verleihung des freien Stuhl also war eigentlich nur eine Erweiterung der richterlichen Befugnisse des Magistrats. (Röing, S. 259, bestätigt dies ausdrücklich, da er sagt: "dass Rüden fast die pricipaliste Jurisdiction quoad civilia et criminalia ex privilegio des freien Stuhles übernommen habe".)

      Die Ursache, die Kindlinger (Münstersche Beiträge B. II. S. 210) für die Aushebung der Städte aus dem alten Landgerichte und für die Entstehung von eigenen Stadtgerichten angibt, dass nämlich die Gerichtsstätten zu entfernt von den Städten gelegen, ist eine mehr äußere. Die Aushebung aus den Freigerichten geschah nur durch besondere Eremitionsprivilegien vom Papst, Kaiser und den obersten Stuhlherren.

      Städte, Stifter und Große bemühten sich um solche Befreiungen. So hatte sich schon frühzeitig Dortmund gegen diese Gerichte durch Privilegien zu schützen gewusst. Die Befreiung der kurmainzischen Untertanen schreibt sich von Kaiser Friedrich III. her.

      Die Reichsstädte sollen sogar strenge ihren Bürgern verboten haben, sich vor diesen Gerichten zu stellen, und die braunschweigschen Städte sich förmlich gegen dasselbe verschworen haben. (Siehe Goebel, de secretis judiciis p. 9. et p. 34; Kopp "Heimliche Gerichte" S. 198 ff.; Cosmann, Materialien, S. 15).

      (§.128.)

      Was die Beschränkung der Gerichtsbarkeit der Freigerichte in Bezug auf die Personen betrifft, so spricht sich die Reformation der Freigerichte von Kaiser Rupert von 1404 dahin aus, dass unter ihrer Gerichtsbarkeit nicht standen die geistlichen, Juden, Weiber und Kinder. Dasselbe Dokument sagt in Betreff der Ersteren, dass eine geweihte Person vor ihren Obersten gehört, und wenn sie eine Missetat tut, soll man sie vor einem Bischof überantworten und weisen. (Siehe Goebel p. 179 und 189. Vergl. auch Kopp, S. 181 und 206)

      Hiermit ist also wiederum eine Art der Gerichtsbarkeit, nämlich eine geistliche ausgesprochen. Auch diese finden wir in Rüden, nämlich die Gerichtsbarkeit des Probstes in Soest, als Archidiakons des Haardistriktes, wozu Rüden gehörte. Diese Archidiakonal- oder Synodal-Gerichte werden allgemein Send- oder Sindgerichte genannt, die der Archidiakon auf seinen Rundreisen in seinem Bezirk auch zu Rüden hielt, um den Zustand, die Moralität und Wirksamkeit der Geistlichen zu prüfen. Das Nähere über dieses Gericht findet sich in des Verfassers "Geschichte von Warstein - S. 84 ff.)

      (§.129.)

      Wie schon gesagt, war der Erzbischof von Köln oberster Stuhlherr, als herzog von Westfalen und beständiger Statthalter des Kaisers in Beaufsichtigung sämtlicher westfälischer Femegerichte. Deshalb kam es, dass derselbe die wichtigsten Amtshandlungen als oberster Stuhlherr an der im Baumgarten unter dem Schloße zu Arnsberg, also bei seiner westfälischen Residenz, (seit dem Erwerb der Grafschaft Arnsberg 1368, deren frühere Besitzer, die Grafen von Arnsberg, ja schon alle Freigrafschaften als Reichslehen besessen hatten) gelegenen Malstätte auszuüben pflegte.

      Deshalb gelangte dieser Freistuhl neben dem obersten aller westfälischen Stühle zu Dortmund bald zu dem höchsten Ansehen, so dass sein Freigraf sich oberster Freigraf nannte, und dass hier auch Kapitelstage, d. i. Versammlungen aller Freigrafen zur Aufstellung von Weistümern stattfanden.

      Unter diesen kurfürstlichen Ober-Freigrafen standen die übrigen Freigrafen, und er selbst besaß noch einige andere Stühle. Zwar wurde der Erzbischof von Köln als Herzog von Westfalen schon Oberstuhlherr, und es standen schon insofern die westfälischen Freistühle unter seinem Oberfreigrafen zu Arnsberg (welches Verhältnis - nach Kleinsorgen Kirchengeschichte II. B. S. 237 und Kopp a.a.O. Seite 297 - erst seit 1355 stattfinden soll), aber es gab noch alte Freigrafschaften, mit denen Niemand weiterer von ihm beliehen worden, über welcher er unmittelbarer Stuhlherr war, und die er durch seine erzbischöflichen (später kurfürstlichen) Freigrafen hegen ließ.

      Als solche kommen namentlich schon gegen 1300 die Freigrafschaften in Rüden, Scherve, oder vielmehr Scherfede, Canstein und Medebach vor. Der Erzbischof hatte für alle ihm unmittelbar zustehenden freien Stühle nicht auch eigene Freigrafen, sondern Einer versah mehrere. Namentlich hegte der Oberfreigraf des Erzbischofs mehrere erzbischöfliche Freidinge, und unter anderem auch, so weit die Nachrichten Auskunft geben, immer den freien Stuhl bei Rüden.

      Hierher gehört zuerst die Stelle bei Röingh über den 1354 verliehenen freien Stuhl, worin "der Arnsberger Oberfreigraf in seinem außer der Stadt auf der Borch haltenden Gericht" vorkommt (siehe Cosmann, Material S. 15). An einer anderen Stelle spricht Röingh von "dem Gericht, so der kurfürstliche Oberfreigraf auswendig der Stadt zu halten pflegt." (Manuskript S.195)

      Im Jahre 1525 kommt Christoph Loen kurfürstlicher Freigraf zu Rüden vor. Dies war aber Niemand anders, als der Arnsberger Freigraf, wie eine Urkunde von 1549 beweist (Freigraf Christoph von Loen zu Arnsberg). Ferner zeigt dies eine Urkunde von 1583, worin "Matthias Harke, Freigraf zu Arnsberg, als zu haubt vor Ruden, Fuerspergh und Bilstein" sich findet. Zuletzt spricht noch dafür ein sehr junger Bericht des Oberfreigrafen Zeppenfeld bei Wigand S. 572.

      Die Schöffen des Freigerichts wurden natürlich aus den freien Gerichts-Eingesessenen selbst genommen. Da sich die Zahl der echten Freien fortdauernd verminderte (Wigand, Femgericht, S. 97), so kam es mit der zeit dahin, dass alle Gerichtsgenossen zugleich Gerichtsschöffen waren, oder dass der Stand der Freien sich ganz mit der Freischöffenwürde verschmolz, indem, da der Stand selbst bedroht war, alle Freie, die die Kompetenz des Gerichts anerkannten, auch Freischöffen wurden (Wigand S. 283).

      Das Gericht, bei dem bloß die Freischöffen zugegen waren, wurde so ein geschlossenes, besonderes oder geheimes Gericht. (i.e. judicium secretum, nicht clandestinum, I.c. S. 300).

      Außer dem Kaiser selbst und seinem Statthalter, dem Erzbischofe, hatten die Freigrafen das Recht, Freischöffen zu machen, oder was dasselbe ist, Unwissende wissend zu machen (Kopp S. 315 und 261). Die Freischöffen für den freien Stuhl in Rüden wurden von dem Arnsberger Oberfreigrafen angeordnet und gemacht, oder kreiert und qualifiziert (Röingh S. 195; Cosmann S. 15).

      Aus vorstehender geschichtlichen Entwicklung des Rüdener Gerichtswesens früherer Zeiten ergeben sich von selbst die verschiedenen Arten der in Rüden stattfindenden Gerichtsbarkeiten, die wir nun in den folgenden §§. einzeln näher betrachten wollen.



    2. (§.130.)
    3. Die verschiedenen Gerichtsbarkeiten in Rüden.

      1. Das Femgericht, Freigericht, Freiding, oder heimliche Gerichte.

        1. Der Erzbischöfliche, später kurfürstliche freie Stuhl bei Rüden.
          Die mehrmals schon angeführte, auf diesen freien Stuhl (Vriengraschop to Ruden, in einer Urkunde von 1458) bezügliche Stelle aus Röingh bei Cosmann S. 15 lautet:

          Es wird kein Bürgermeister, oder Ratsherr, oder Diener zum peinlichen Verhör zugelassen, er seie dann zuförderst ein Freischöffe creirt, also erst qualificirt gemacht; solche Creation der Freyen verrichtet hierselbst der Arensberger Oberfreigraf in seinem außer vor der Stadt auf der Borch haltenden Gericht, welchem Freigrafen eine Mark, und dem Magistrate eine Mark, jeder creirter, oder neu gemachter Freyer pro jure abstatten muß.


          Eine andere wichtige Stelle bei Röingh S. 195, nach der die kaiserlichen Freischöffen, die vom kurfürstlichen Freigrafen kreiert worden, zur Tortur hinzugezogen wurden, die Bürger aber nicht von dem kurfürstlichen Oberfreigrafen vor seinen Stuhl gezogen werden durften, und woraus eine gewisse Abhängigkeit der Gerechtsame des Magistrats von dem außerhalb der Stadt auf der Burg zur Herbstzeit gehegten freien Stuhle wenigstens noch symbolisch angedeutet wurde, teilen wir unten §.150 Art. 30 vollständig mit.

          Über den Gerichtsbezirk und die Gegenstände der Gerichtsbarkeit dieses freien Stuhls lassen wir eine Urkunde (zwischen 1583 und 1612) bei Kindlinger (Münstersche Beiträge III. B.S. 720) folgen:

          Rüden wirt das Gericht vor der Stadt auf der Altenborgh gehalten, an wilchs Gericht gehörigh und folgen müsen alle Eingesesene des Gogerichts; item die von alten Mellrich und von Ulde; und wird dies Gericht jedes Jahrs 3 mal gehalten. Und ist nach altem Gebrauch eingebracht und geclagt worden alle Diebstall, übel Scheldtwörter, Abzeünen, Abbauen, Abgraben, Abtorven, da einer Jemanden die gepreüchliche Wege, als Hellewege, Kerckwege, Mollenwege, Richtelpade und andere noetwendige Wege versperrt, entenget, oder nicht besseren wol, über Entziehungh dero Wasserflüsse, auch da einer den anderen mit den Wasserfluss, mit Erdtfangen und Mergelkhulen zu graben, Schaden zugefueget.


          Dergleichen zur Kriminaljustiz gehörige Fälle waren schon in dem Weistum, das auf dem großen Kapitelstage zu Arnsberg 1490 gehalten wurde, fast wörtlich festgesetzt worden. Dieses ist u.a. bei Kindlinger (Münstersche Beiträge III. B.S. 622) abgedruckt. Für "Hellewege" steht dort "Koninckstrate", wodurch jenes erklärt wird. Siehe über die hierher im Allgemeinen gehörigen Gegenständen unter vielen: Wigand, Femgericht, S. 343 ff. - Goebel, l.c.p. 167.

          Kopp, a.a.O. S. 151 erwähnt des 1354 (er setzt irrig 1535) vom Erzbischof Walram der Stadt Rüden geschenkten freien Stuhles, vor welchem Graf Adolph von Nassau 1415 einige vom Adel in Anspruch genommen. Er verwechselt aber hier den freien Stuhl in der Stadt mit dem auf der Burg; denn dass hier der letztere gemeint sei, folgt aus den Worten, die er hinzufügt: "denn diese sagen in einer Urkunde von dem Jahre, jener habe sie geheyschen - gein Ruden an den Berg vor den fryhen Stule."

          Aus dem sog. Belecker Stadtbuch lassen wir eine, auch für den Stuhl auf der Burg zu Rüden, geltende Bestimmung über den Verkauf von Freistuhlsgütern folgen:

          1583, 23. Januar - Mathias Harcke, Freigraf zu Arnsberg "als zu haupt vor Ruden, Fuerspergh und Bilstein" bekennt: wenn ein Freistuhls oder frei Gut Jemand verkaufen wolle oder übertragen müsse durch den Freigrafen zu dreien ehelichen Dingen, d. i. an drei Gerichtstagen, über den freien Stuhl ausgerufen werden, käme denn einer und sage: "Ich bin deß Verkäuffers oder Innehabes Regster Reue und Bluitsverwante, und bin daher dem freye guite neher alß ein wildtfrembder und kann daßelbige dar thuen", so werde derselbe dem Fremden vorgesetzt und als der nächste Blutsverwandte die dem Gute mit Urtheil und Recht behalten."


          Eben daselbst findet sich von 1549 am Gudendage nach Catharinae Virginis ein Erkenntnis von dem Freigrafen Christoph von Loen zu Arnsberg, im Baumgarten in einem offenen gehegten Gericht in Beisein der Beisitzer Philipp Bock, Mengen von Hörde und Thonnies Wullenmeier, Bürgermeister zu Arnsberg. Derselbe Freigraf kommt 1532 als kurfürstlicher Freigraf in Rüden vor.

          Das Verzeichnis der Rüdener Freigrafen ist das der Arnsberger. Jedoch müssen wir nachträglich bemerken, daß auch eigene Rüdener Freigrafen vorkommen.

          So nahm an einem 1457 zu Arnsberg in dem Baumgarten gehaltenen Kapitel, worin daß Verfahren gegen einen Freischöffen für nichtig erklärt wurde, auch der Frygreve Joris Fricke zu Reden Antheil. Daß Reden aber Rüden ist, folgt aus dem Folgenden.

          Das Kapitel von 1457 findet sich in Wigand's Archiv IV. B.2h. S.188. Ebendaselbst B.IV.3.h.S.300 ist ein Kapitel mitgetheilt, worin die im Baumgarten zu Arnsberg versammelten Freischöffen ds von einem Freigrafen ergangene Erkenntniß für nichtig erklären, im Jahre 1458.

          Darin heißt es: Jans Frecke der fryen Grasschop tzo Roden. Ebendas. folgt S.306 ein Kapitel vom Jahre 1458, worin zwei Freigrafen ihres Freigrafenamtes entsetzt werden. Dabei war zugegen Loris Fricke der Vriengraschop to Ruden. Außer diesem erscheint in derselben Urkunde Hunolt Greve to Reden (Rüdenh) Borgermester als Vryscheppe. Es waren also beide Rüdener Stühle zugleich vertreten.
          Dass wegen des städtischen freien Stuhles der Bürgermeister und Rat zu Rüden vor Arnsbergischen Oberfreigrafen den freien Eid ausschwören musste, folgt aus der zitierten Stelle bei Wigand S. 572.

        2. (§.131.)

        3. Der städtische freie Stuhl auf dem Rathause zu Rüden
          Über diesen Stuhl dient uns Röingh zur Quelle, S.256 ff. - Dass früher fast alle Schriftsteller, ehe Wigand ein neues Licht für die Geschichte der Femgerichte angezündet, das uns auch als Leitstern in der obigen geschichtlichen Untersuchung dienen musste, annehmen, dass das Femgericht von Karl dem Großen eingesetzt worden sei, dass die Freigrafen und Schöffen selbst daran glaubten, dass es in kaiserlichen Urkunden als ausgemachte Wahrheit angenommen wurde (Wigand a.a.O. S. 9), stellt auch Röingh als etwas Unbezweifeltes an die Spitze seiner Nachrichten.

          Er fügt hinzu: "von Carls Nachfolgern sei der Kurfürst von Köln, als Herzog von Westfalen, damit jederzeit belehnt und von diesem die Freigrafen angeordnet und angesetzt worden. Dann lässt er die Stelle folgen, die schon Cosmann a.a.O. mitgeteilt hat:

          So ist zu wissen, dass Weyland Erzbischof Walramus von Gülich in anno 1345 diese Stadt Rüden mit solchem freyen Stuhl undt dessen Gerechtigkeit privilegirt, undt darumb unter anderen statuirt, wie die freyen Scheffen Bürger, ehe sie admittirt worden, qualificiret sein sollen; und daß kein Bürger an aufwendig gericht citirt oder beruffen werden solle, derowegen zeitig regirender Bürgermeister uffm Rathaus als praeses Judicii dieß gericht heeget, undt wird kein Bürgermeister oder Rathsherr oder Diener zum peinlichen Verhör oder actu von Alters ehe zugelassen, er seye dan


          usw., wie bei dem kurfürstlichen freien Stuhl angeführt worden. Dann folgt:

          Specification derenjenigen Pünkten so in dies freyes Stuhl gehörig seyn:
          1. Über die Christen Leyen männlicher Gebuhrt, so vom Christengelauben zum Ungelauben abtretten undt abfallen.
          2. Ueber diejenige so geweihede Kirchen undt Kirchhoeffe in den freien Kayserlichen Straßen uffsetzlich brennen, schänden und rauben.
          3. Ueber die so bekandtliche Verrätherey und Falschheit betreiben und damit umbgehen.
          4. Ueber die so Kram- und Kinderbette, undt Kinderbethsfrawen schänden und berauben.
          5. Umb Dieberey, Raub, Mord undt Brennen, undt fort über alle diejenige, so gegen die Ehr handelen undt darumb zu den Ehren mit antworthn oder rechtspflegen willen.


          Ähnlich werden die Verrechen, die vor das Femgericht gehörten in vielen anderen Weistümern angegeben, z.B. bei Riesert, Münstersche Urkunden, B. 2. Abt. S. 107; Wigand S. 264, 344; Goebel; I.c.p. 166 usw.

          Darauf erwähnt Röingh die vom Erzbischof Hermann 1538 im Druck erlassene Reformation und Ordnung des Freigerichts, nach der ein Freigraf nicht allein echt, recht ohne Leibeigenschaft, sondern auch auf westfälischen Boden geboren sein soll; ferner kein Geistlicher noch Weltlicher gegen das freie Stuhlgericht verfahren, noch deswegen in einem Punkt beeinträchtigen solle.

          Es ist interessant, dass unser Röingh uns hier die Jahreszahl einer Reformation angibt, über welche man noch im Unklaren ist. Goldast setzt sie 1525, Freher 1522, Kopp nach 1532 (Kopp S. 31, Goebel p. 124). Röingh fährt fort:

          Sonsten gehören vermög alten Herkommens allnoch in dieß Freygericht alle das Verbrechen, so wegen Holtz- undt Feldtschaden, auch wegen Sonntaglichen oder Feyertaglichen arbeithen, Brawen, Backen, Fischen, Jagen, undt was dessen mehr herrühret, inhalts der Stadt-Protocollen, aus welchem allem genugsmb abzunehmen ist, daß die Stadt Rüthen fast die prinzipaliste Jurisdiction quoad civilia et criminalia ex privilegio des freyen Stuhls überkommen undt biß hierzu üblich erhalten.


          An einer anderen Stelle (S. 162) spricht Röingh von den Brüchten, die dem Magistrat von seinem freien Stuhle auf dem Rathause zufallen. Sie ist unten im §.150 Nr. 10 mitgeteilt. Ebendaselbst Nr. 28 findet sich die Stelle, wonach zur Tortur sieben Ratspersonen, welche Freischöffen sind, zugelassen werden.

          Über die zum freien Gerichte notwendige Siebenzahl der Schöffen, die gewiss schon älter ist, als Karls des Großen Zeit und sich schon im gallischen Recht bei den Rachinburgen, Rathinburgen, bei den Rathmannen (consules) in den städtischen Gemeinden, als ursprüngliche Vorsteher und Schöffen der freien Gemeinde, findet, siehe Wigands Femgericht S. 23, Kopp S. 176, Goebel S. 153.

          Hierher gehört auch eine Stelle aus dem Bericht des Oberfreigrafenrat Zeppenfeld in Arnsberg (aus dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts) bei Wigand S. 572:

          Die Städte Rüden, Warstein, Callenhart, Belecke, sodann die Freiheiten Hüsten, Sundern, Hagen und deren Bürgermeistere und Rathsglieder, müssen vor mir, als Oberfreygarffen den freyen aydt außschweren und wird denenselben dabey die heilige Feme (gleich wie heutiges Tages bei der Milice die parolle außgetheilet wird) offenbahret, wie solches von undenklicher Zeit alßo hergebracht ist.


          Nach einer Reihenfolge der Freigrafen des Rüdener Stuhles haben wir nicht zu fragen, da der jeweilige Bürgermeister "praeses judicii" (d. i. Freigraf) war und mit seinen sieben freien Ratsschöffen das Gericht hegte. Nur erwähnen wir noch namentlich, dass auf dem 1490 zu Arnsberg gehaltenen Kapitelstage: Volpert Holtforste und Volpert Beverlinck Burgermeister zu Ruden, in dieser Eigenschaft (der Stede Frunden) zugegen waren (s. Kindlinger, Münstersche Beiträge, III. B. S. 625).


        4. (§.132.)
        5. Der freie Stuhl zu Alten Rüden
          Diesen freien Stuhl lernen wir durch die bei Seibertz (Urkb. II.S. 251) abgedruckte Urkunde kennen, worin der Knappe Volland von Langenstrot (d. i. Langenstraße), als Stuhlherr, bekennt, dass vor seinem freien Stuhl in Altenrüden (sedes mea judicialis in altenruden), unter den Vorsitz seines Freigrafen Johann, genannt von Horn, (Johannes dictus van horen vrygravius meus), der Ritter Friedrich von Sassendorf (der Richter in Rüden war) dem Probst und Konvent des Klosters St. Walburgis (in Soest) und dem Konvent in Annenborn (zu Waltringhausen, Gerichts Melrich, gestiftet 1332) seine Güter in Robringhausen (Roberninchusen) verkauft habe.

          Die Gegenwart der aufgezählten Zeugen bezieht sich nicht auf das gehegte Freiding, sondern bloß auf Ausstellung der Bescheinigung des Stuhlherren. Jene Güter waren also doch wohl freie oder Freistuhlsgüter.

B. Die Landesherrlichen Gerichtsbarkeiten in Rüden

  1. Das Quartal Rüden und die dazu gehörenden landesherrlichen Gogerichte und Untergerichte.
    (§.133.)

    Unter kurkölnischer Regierung wurde das Herzogtum Westfalen in vier Quartiere oder Quartale eingeteilt. Eines derselben hatte seinen Namen von der Stadt Rüden. Das Rüden'sche Quartier nun, zu welchem dasjenige Stück des Hellweges gehörte, welches im Norden an die Lippe stößt, und ein beträchtliches Stück vom Haarstrange, zerfiel, wie auch die übrigen Quartiere, in Ämter oder Drostenbezirke, und diese wieder in landesherrliche Untergerichte.

    Manche derselben behielten vorzugsweise den Namen Gografschaft oder Gogericht, womit namentlich, aus früher angegebenen Gründen, die ältesten Gerichte bezeichnet wurden. (Die uralten zwölf erzbischöflichen Gografschaften kommen schon am Ende des 13. Jahrhunderts in der Urkunde bei Seibertz B. I. S. 643, als solche vor und unter denselben namentlich Rüden, Geseke, Fruethe). Zum Quartier Rüden nun gehörten folgende Ämter:

    1. Das Amt Rüden selbst
      unter einem eigenen Amtsdrosten. Der nördliche Teil dieses Bezirkes fällt in den alten Gaubezirk des Hahold "Erpesfeld", worin namentlich Höinkhausen, alt Hojanusini, der südliche in den demselben Grafen einst gehörenden Gaubezirk "Treveresgau". Über die, neben dem späteren Gogericht daraus entstandenen Freigerichte war schon die Rede. Das Amt Rüden zerfiel wieder in folgende landesherrlichen Untergerichte:

      1. Das Gogericht Rüden, auch Hochgericht
        genannt, unter einem kölnischen Richter. Dieses Gericht erstreckte sich, außer der mit dem Magistrat in Rüden konkurrenten Gerichtsbarkeit in der Stadt Rüden, in Alten-Rüden und Fahlenhof, in Miste, Kneblinghausen, Aschental, und Ettingerhof, über die übrigen Filialen des Kirchspiels Altenrüden:

        • Drewer,
        • Menzel,
        • Nettelstädt,
        • Kellinghausen und Hemmern;
        • das Kirchspiel Höinkhausen (Ostereiden, Westereiden, Weickede und Haus Eringerfeld,
        • das Kirchspiel Langenstraße (mit Heddinghausen),
        • das Kirchspiel Effeln,
        • das Kirchspiel Suttrop.

      2. Das kölnische Gericht in Warstein,
        neben der konkurrenten Gerichtsbarkeit des Magistrats (siehe "Die Geschichte der Stadt Warstein - Seite 83 ff.) und dem freien Stuhle daselbst


      3. Das kölnische Gericht in Kallenhardt
        (wozu noch Körtlinghausen und die Hammerhäuser daselbst) neben der konkurrenten Gerichtsbarkeit des Magistrats und einem freien Stuhle. Das erzbischöfliche Gericht kommt schon am Ende des 13. Jahrhunderts vor (Seibertz Urkb. I. S. 617.) Ferner bestand dort ehedem für den erzbischöflichen Haupthof ein Schultenamt unter einem "Villicus", zu dem auch Biginghausen gehörte (Bygenchusen, längst untergegangen, auf dem Binkerfeld südlich von Kallenhardt vor dem Walde. Vgl. Seibertz, Urkunde von 1256, S. 373, S. 612; dessen Gauverfassung S. 39).

    2. Das Amt Erwitte,
      im Altertum der Gaubezirk "Marca Sturmethi", später zerfallend in die Gografschaft Erwitte, dem Erzbischof zuständig (altum judicium apud Eruethe, quod hochgerichthy dicitur, Urkunde von 1256 bei Seibert I. S. 369, 615), wozu ursprünglich auch Lippstadt gehörte, und in mehrere der Ritterfamilie von Erwitte gehörende Freigerichte,



    3. Amt und Gografschaft Geseke,
      einst der Gaubezirk Langancka, später, neben der Erzbischöflichen sich über 5 Pfarreien erstreckenden Gografschaft Geseke (Seibertz Urk. I. S. 618), mehrere Freidinge umfassend, als Geseke selbst (1154 placitum Thictardi Commitis de Gieseke: Kindlinger III. 48. Urk.), Mönnighausen und Störmede (Kopp a.a.O. S. 151


    4. Amt Oestinghausen,
      wahrscheinlich einst zu einem Untergaue (pagus Sosaciensis, Goestergau) des Voroctergaues gehörig, als Amt erst später entstanden, dessen Landgemeinden einst, befreit von jedem Freidinge und Gogerichte, nur unter das große erzbischöfliche Schultenamt zu Soest gehörten (s. Seibertz, Gauverfassung S. 30, Statutarrechte S. 310, Urk. I. S. 453). Außer dem landesherrlichen Gericht lag in diesem amte das von Plettenberg'sche Patrimonial-Gericht, früher erzbischöfliche Schultenamt (Seibertz II. 352); Hofstadt, ältester Sitz der westfälischen Grafen, dann ein mit kölnischen Burgmännern besetztes Kastell, das zuletzt 1733 von den von der Heiden an das Haus Plettenberg kam.


    5. Herrschaft und Gericht Melrich,
      vermutlich ein Bestandteil des Treveresgau dann teils zum Gogericht Erwitte, teils zum Gogericht Roberinghausen gehörig (dies folgt aus den Urkunden des Mülheimer Archivs:

      • 1575 Ländereien zu Walthausen in der Melricher Feldmark im Gogericht Erwitte. (Vgl. die älteren Urk. von 1308 bei Seibertz II. 45, worin Güter zu Waltringhausen in gogerichte to Erwytte und Gogherichte to Brocksode genannt werden.)
      • 1490 Armenholthausen im Gogericht Roberinghausen und Belecke
      • 1775 Aleff Kruische gogreve zu Roberinghausen in dem gehegten Gerichte
      • 1544 Der Comptur von Mülheim appelliert von dem Richter zu Robringhausen an die kurfürstliche Kammer in Arnsberg; dieses Gogericht kommt, wie das Gogericht Welschenbecke 1466, sonst nicht vor.


      Die Familie von Kettler, Erben der uralten Ritter von Melrich, Burgmänner in Rüden, besaß im 16. Jahrhundert mit den Gütern Eggeringhausen und Melrich, die Gerichtsbarkeit über Neu-Melrich als Allod.

      Der Kurfürst Ernst schloss 1597 mit Johann von Kettler einen Vertrag, wonach jener diesem 2500 Thlr. Zahlte, die bisher allodiale Jurisdiction über Neu-Melrich als Lehn offerierte, wogegen die Gerichtsbarkeit auch auf Alten-Melrich, Ülde, Klive, Robringhausen und Waltringhausen erweitert und kettler mit der das ganze Kirchspiel Melrich umfassenden Gerichtsbarkeit beliehen wurde.

      Die Herrschaft kam 1618 durch Verkauf an die Grafen von Rietberg, mit den dazu gehörigen Lehen der Gerichtsbarkeit wurde 1690 Graf Adolf von Plettenberg beliehen. Als der Kurfürst die Güter des Grafen von Rietberg konfisziert hatte.

  2. Die landesherrlichen Beamten zu Rüden
    (§.134.)

    Die wichtige Stellung nun, die Rüden in dem Staatsganzen seit uralter zeit eingenommen, war auch der Grund, dass daselbst mancherlei erzbischöfliche, spätere kurfürstliche Beamten notwendig waren.

    Wir wollen dieselben einzeln, wie sie nacheinander in der Rüdener Geschichte auftreten, näher betrachten. Der aller älteste, der uns schon bei der Gründung der Stadt entgegentritt ist:

    1. Der erzbischöfliche Schulte, scultetus (villicus) mit einem Schultenamt, oder einer villicatio (Urkunde von 1200, Seibertz I. 155). Die Besitzer der eigentlichen Haupthöfe richteten als Hofrichter nach Hofsrecht über die Einwohner, Güter und Gerechtsame der Bauerschaft. Die meisten der Haupthöfe kamen an die Erzbischöfe von Köln oder überhaupt in geistliche Hände.

      Die Bischöfe, Stifter und Klöster, da sie ihre Haupthöfe nicht selbst bewohnten, noch weniger die Hofesangelegenheiten besorgen konnten, stellten Verwalter auf diesen Höfen an, um stellvertretend das Amt des Hofherrn und Hofrichters zu verwalten, die man nach fränkischer Weise Schulteten (Schulten, Schulzen, Schultheißen) nannte; die Höfe selbst waren Schultenhöfe.

      Ein solcher erzbischöflicher Ober-Schulten-Hof unter einem Schulteten war auch in Rüden. Das Hauptgeschäft des Schulten war das richterliche über die zu dem Schultenhofe gehörige Hofes- und Bauerngemeinde, die dagegen von dem Gogericht und Freigericht befreit war. (Das Schultenamt überhaupt lernt man durch die Urk. Bei Seibertz I. 453 und andere auf das Soester große Schultenamt bezügliche Urkunden ebendaselbst kennen).

      Die Schulten haben, nach meiner Ansicht, den Namen daher, dass von ihnen das Urteil gescholten wurde ("dat Ordell wart geschulden": Kindlinger M. B. II. 366). Schulheiß aber ist mir eine missverstandene Zerdehnung.

      Schon im Anfang des 14. Jahrhunderts kam neben Schulte und Villication ein anderer Ausdruck auf, der sich in der Bedeutung von Richter und Gericht bis auf unsere Zeit erhalten hat, nämlich "Officium, Officiatus", und auf Deutsch: Amt, Amtmann; der Hof Amthof, die Hofgemeinde Amtsgenossen. Des Ammetman's in Rüden thut schon das Rüdener Recht Art. 19 Erwähnung, mit der Bestimmung, daß er Bürger sein und der Stadt Treue und Huld schwören müsse. Wenn wir also schon 1381 einen "Officiatus" und 1393 einen Amtmann, aus den ersten Familien des Landes, in Rüden finden, so müssen wir schließen, dass die Gerichtsbarkeit des Amtmanns über die unmittelbaren erzbischöflichen Hofesleute, womit natürlich die Verwaltung der Gefälle usw. verbunden war (vgl. unsere Rent- und Domänen-Ämter) für nicht unbedeutend zu erachten.

    2. (§.135.)
    3. In einer Urkunde von 1246 bei Seibertz B. I. S 302 kommt vor: Godefridus marscalcus de ruden, ferner ebendaselbst S. 318: Arnoldus Marscalcus in Ruden. Derselbe wird in zwei anderen Urkunden ebendaselbst S. 416 und S. 420 genannt: Arnoldus tunc Marschalcus coloniensis 1266. Also auch ein Marschall in Rüden.

      Die Marschälle von Westfalen waren diejenigen Beamten, durch welche die Erzbischöfe von Köln ihr Herzogtum Westfalen regieren ließen. Diese übten namentlich die Gerichtsbarkeit in Landfriedens-Sachen, nebst der Gewalt, den Landfrieden mit den Waffen zu schützen. Alle Burgmänner, Vasallen und Städte mussten sich vor sein Gericht stellen.

      Der Bezirk seiner Gewalt und Gerichtsbarkeit hieß das Marschall-Amt Westfalen, d.i. der Teil des Herzogtums, den Köln vor dem Erwerb der Grafschaft Arnsberg besaß. Dazu gehörten namentlich: Rüthen, Soest, Brilon, Geseke, Werk, Medebach und andere. Seit 1442 trat an die Stelle des Marschalls von Westfalen ein Landdroste, der mit den Räten das höchste Landes-Justiz-Kollegium zu Arnsberg bildete.

      Über die Marschälle von Westfalen vgl. Stangenfol, Ann. Circ. West. III. o. 382; Kopp "Heimliche Gerichte" S. 289 ff; Cosmann Material S. 217 ff.; Gründliche Widerlegung der Thumbkapitularischen Protestation von 1725; S. 80, woselbst ein Verzeichnis der Marschälle und Landdrosten. Ein vollständigeres hat Seibertz mitgeteilt in Ledebur's Allgem. Archiv. 16. B. S. 61 ff., woselbst auch ein Godefridus als Marschalcus Westfalie 1240 nachgewiesen wird.

      Wenn unser Godfried und Arnold auch zugleich Landmarschalle von Westfalen gewesen zu sein scheinen, so hatten sie doch offenbar eine spezielle Beziehung zu Rüden. Unter ihnen einen Anführer der Burgmannschaft zu vermuten, dürfte freilich dem Namen entsprechen, wäre aber gegen alle Analogie.

      Dass es außer dem Marschall von Westfalen noch andere Marschälle in Westfalen gegeben, tut schon Kopp a.a.O. dar und viele Urkunden bestätigen es. Z.B. bei Seibertz I. 243 kommen 1230 zwei Marschälle, Goswin und Richwin vor, von welchen letzterer bei Kopp S. 291 "Marschalcus Westphalie" heißt, und ersterer, wie der bei Kopp a.a.O. vorkommende Marschall Hermann, bloß ein Erbhofbeamter zu sein scheint: ferner S. 599 ein Marschall Erenfridus de Brecdenole zu Siegen.

      Entscheidend für den Rüdener Marschall ist der Umstand, dass ein gewisses Marschall-Amt mit anderen Ämtern verbunden vorkommt, woraus zu schließen ist, dass das Geschäft eines Marschalls einesteils von dem eines anderen landesherrlichen Beamten nicht sehr verschieden sein musste und sich gut in einer Person vereinigen ließ, anderenteils deshalb nicht sehr bedeutend sein konnte.

      Kopp führt von 1575 unter anderen einen Marschall und Amtmann zu Unna in der Person des Diedrich von Reck an. Von der Stellung des Amtmanns oder Officiatus konnte also die des Marschalls nicht sehr verschieden sein. Daher war selbst das eigentliche Marschall-Amt von Westfalen mit dem "Officium der Villication zu Soest" zuweilen verbunden.

      Wenn beide 1220 und 1230 getrennt erscheinen (Richwin Marschall, und Hermann, dann Goswin Schulte: Kopp S. 291, Seibertz I. 243), so ist 1253 der Schulte Heinrich zu Soest zugleich auch kölnischer Marschall (Seibertz I. 348), 1302 Johann von Plettenberg Marschall von Westfalen und Officiatus des Schulten-Amtes, und 1338 Heinrich von Lewenberg Marschall des Landes in Westfalen und Vorsteher des Soester Schulten-Amtes (Seibertz II. 12 und 265)

      Wenn also der Marschall ähnliche Verrichtungen hatte, als der Schulte, Officiatus oder Amtmann, so lernen wir aus einer Notiz, die uns über das Marschall-Amt, in Bezug auf Rüden selbst, erhalten ist, diese näher kennen. Es heißt in der Urkunde von Seibertz I. 612, dass der Marschall gewisse Gefälle aus dem Gogericht Rüden zu erheben hatte. Wenn dort auch der eigentliche Marschall von Westfalen gemeint ist, so lässt dies doch schließen, dass die übrigen Marschälle unter anderen eine Art von Domänenrentmeister waren.

      Aber nicht nur Amtmann und Marschall war oft ein und dieselbe Person, sondern auch Amtmann und Droste. Es konnte also auch deshalb schon der Marschalldienst, nicht sehr vom Drostenamt verschieden sein. Die Stellungen eines Drosten oder Amtsdrosten lässt sich zunächst mit der eines Amts-Hauptmann in Sachsen und eines Landrates in Preußen vergleichen, so wie die Drostenbezirke oder Ämter mit unseren landrätlichen Kreisen.

      Die Drosten waren aber auch richterliche Behörden. Sie hatten die Gerichtsbarkeit in Polizei- und Fiskalsachen, sowie in Aufschub leidenden Zivilsachen (jurisdictio in civilibus prorogabilis: Cosmann, Material S. 236) in erster Instanz. Die Appellation von ihm ging an den kurfürstlichen Hofrat.

      Sie waren auch die nächsten Vorgesetzten über die landesherrlichen Untergerichte in ihren Amtsbezirken (vgl. meine "Geschichte von Warstein" - S. 89). Man vergl. Westph. Archiv des Wahren, Nützlichen und Schönen 1812 n. 54. S. 12. Die Drosten waren die eigentlichen Amtmänner. Sie hatten in den ältesten Zeiten die Oberverwaltung der Kammergüter, welche sogar zuweilen an sie versetzt waren; sie hatten das ganze Polizeiwesen, öfters auch die höhern Justizsachen mit Ausschluß der höhern Criminalsachen in ihren Bezirken zu besorgen usw. Wenn nun aus dem Marschall von Westfalen später ein Landdroste geworden ist, so liegt die Vermutung sehr nahe, dass aus dem "Marschall von Rüden" ein "Droste von Rüden" geworden ist; die Verwaltung der erzbischöflichen Gefälle war ja auch Sache der Drosten.

      Dass den Posten eines Amtmanns Marschalls, Drosten eine Person bekleiden konnte, lag gerade im Charakter derselben, alle drei waren richterliche und Verwaltungsbeamte zugleich. Und wenn der aus dem Schultheißen entstandene Amtmann später nicht mehr in Rüden vorkommt, so hatte, wenn seine Funktion als Hofesrichter noch nötig gewesen sein sollte, selbige der Droste, ebenfalls als Richter über die Gogerichtsleute seines Bezirks ganz übernommen. Der Droste selbst aber war in die Stelle eines früheren Marschalls getreten.

    4. (§.136.)
    5. Der dritte landesherrliche Beamte der der Richter (judex) in einem gewissen Gerichtsbezirke. Die zwei ersten uns bekannten sind "Joh. Rothelinc judex in ruden" 1312, (Seibertz Urkb. II. S. 104) und "Hermannus de Beffete judex in opido ruden" der in einer ungedruckten Urkunde des Stifts Geseke von 1315 vorkommt. (Vergl. Seibertz Urkb. II. S. 47 Note Hermannus Beffeta.) Auf ihn folgt eine lange Reihe erzbischöflicher und kurfürstlicher Richter im Gogericht Rüden.

    6. (§.137.)

    7. Gert von Winterscheid, Amtmann zu Rüden 1354.


    8. Im Jahre 1381 war "Ludolfus van der Molen dictus miles pro tunc Officiatus et drostetus" in Ruden (Seibertz Urk. II. 663) Er hatte also das Schultenamt mit dem Drostenamt zugleich, und, dieselben Posten auch in Geseke gehabt, wie denn schon 1266 der "Marschall Arnold von Rüden" auch in gleicher Eigenschaft in Geseke (Seibertz I. 420), und 1344 nach einer ungedruckten Urkunde "Hermannus de Molendino dictus Plettenberg miles et Officiatus" in Geseke vorkommt, der auch 1346 zum Amtmann des Schultheißen-Amtes zur Hovestadt bestellt wurde (Seibertz II. 352), und 1330 Ratsherr in Rüden war (ebendaselbst S. 339).
    9. 1393 kommt in einer ungedruckten Geseker Urkunde "Renfrit de Clusener Amptmann tor tyt to ruden" vor. - 1401 war kurfürstlicher Amtmann in Rüden "Gerd von Ensen". Der als solcher noch 1411 vorkommt. Einen späteren Amtmann habe ich nicht gefunden.
    10. 1585, 1596 ist "Philipp von Meschede" Droste zu Rüden; 1620 "Melchior von Meschede" Droste zu Rüden usw. - Die Amtsdrosten wurden aus dem Adel genommen. Die letzten Drosten zu Rüden um 1786 waren "Engelbert Freiherr von Droste zu Delwig, kurfürstlicher Geheime Rat" und seit 1793 "Max Friedrich von Weichs zur Wenne, Geheimer Regierungs-Rat".

  3. Die einzelnen landesherrlichen Gerichtsbarkeiten in Rüden selbst
    (§.138.)

    Nach dieser Beweisführung ergeben sich folgende kurfürstliche Gerichtsbarkeiten in Rüden:

    1. das alte Schultengericht über die zu den erzbischöflichen Domänen gehörigen Leute,
    2. das Marschall-Amt in Rüden, an dessen Stelle später trat
    3. das Drostenamt, und
      (§.139.)
    4. das erzbischöfliche, später kurfürstliche Gogericht
      Dieses Gericht hatte die alleinige Gerichtsbarkeit in dem oben angegebenen Umfange des Gogerichts, und außerdem mit dem Magistrate die die konkurrente Gerichtsbarkeit über die Stadt und die dazu gehörigen Dörfer. Worin die letzteren bestanden, wird in einem späteren Abschnitte ausführlich dargetan werden.

      Im Allgemeinen bezog sie sich auf Schuldsachen, Besichtigungen toter Körper, kumulative Real-Immission. Außerdem hatte der Richter für die Erhebung gewisser, dem Kurfürsten zukommender, Brüchten bei Blutrunsten, die Abfassung der Kriminalurteile auf Requisition des Magistrats usw. Siehe unten.

      Dem Richter stand ein kurfürstlicher Gerichtsschreiber zur Seite. Die Exekutionen und dergleichen wurden durch die kurfürstlichen Gerichtsfrohnen vollzogen. In gewissen Sachen, als über die dem Kurfürst gebührenden Brüchten, erkannte der Richter mit Hinzuziehung der Gerichtsschöffen (judex et scabini, Scheffengericht).

      Die Scheffen der Landgerichte waren aus denjenigen Freien hervorgegangen, die den Landesherrn als ihren Schutzherrn, nach Aufgebung der vollen Freiheit anerkannten. (siehe Wigands Femgericht S. 87) So wie die Stadt ihren Anwalt im Syndikus hatte, so hatte ihn der Landesherr in seinem Fiskalanwalt, die beide in der Rüdener Geschichte vorkommen.
    5. Das Frohngericht, gebildet aus einem vom landesherrlichen Richter eingesetzten Frohn und einem vom Bürgermeister ernannten, ist ein bloßes Rechtsaltertum für Rüden, von dem an einem anderen Orte die Rede ist. Ueber das Frohngericht im Allgemeinen und in andern Westf. Städten verweisen wir noch auf Wigand's Geschichte von Corvey B.I. S.293, 276ff., woselbst die Analogie der Gerichtsfrohnen mit den Burrichtern (z.B. in Soest) dargethan wird.

      Später scheint der Gerichtsfrohn in Rüden blos Churfürstlicher Gerichtsdiener gewesen zu sein (s. unten §.150 N. 23, 24), wird aber ausdrücklich von dem Burrichter unterschieden (ebendas. Nr. 23).


  4. Die städtischen Gerichtsbarkeiten in Rüden
    (§.140.)
    1. Das eigentliche Stadtgericht des Magistrats, gehalten von Bürgermeister und Rat, dem ein Stadtsekretär zur Seite stand. Zu dem Personal des Gerichts gehörten auch die Rats- oder Stadtdiener.

      Auch über den Bereich der Gerichtsbarkeit des Magistrats ist unten ausführlich die Rede. Im Allgemeinen bemerken wir, dass sich dieselbe auf Erb- und Sterbefälle, Injurien- und Gewaltsachen, Immissionen innerhalb der Stadt, Kriminal-Untersuchungen, gewisse Brüchten und dergleichen bezog.

      Eine alte Sporteltaxe für das Rüdener Magistratsgericht, was der Bürgermeister und die Ratsdiener von der Vorladung in Zivilsachen, in Kriminalsachen, von Immissionen, von Taxierungen, Exekutionen, Auspfändungen, Versieglungen, von Gefängnis zu erhalten hat, findet sich in dem Manuskript von Röingh. Der Bürgermeister begnügt sich mit Wenigem, mit einigen Kannen Weines, oder mit gar nichts.

      Die Gerichtsschreiberei klebte dem Sekretariate an und brachte nur sehr geringe Accidentalien, im bloßen Abschreiben der Akten ein, usw.
    2. Das Holzgericht oder die Holzgrafschaft unter einen Holzgrafen, unter dem die Holzknechte standen
    3. Die Bauerrichter und ihre Gerichtsbarkeit; Versammlung der Bauerschaften auf dem Tigge in den Stadtdörfern
    4. Die Richtmänner mit den Amtsknechten und ihre Befugnisse in Zunftangelegenheiten. Über die Gerichtsbarkeiten 2, 3, 4, siehe das Nähere an anderen Stellen dieser Geschichte.


  5. Geistliche Gerichtsbarkeit.
    (§.141.)

    Dies war die Gerichtsbarkeit des Probstes zu Soest. Die von demselben, als Archidiakon des Haardistriktes, ausgeübte Gerichtsbarkeit war eine rein geistliche, die sich nur auf die Klagen bezog, welche vor der geistlichen Synode anhängig gemacht wurden. Diese Archidiakonal- oder Synodal-Gerichte hießen gewöhnlich Sendgerichte und wurden von dem Archidiakon selbst oder seinem Offizial, von den Sendschöffen unterstützt, auf eigenen Rundreisen in dem Archidiakonat abgehalten. In Rüden war der "Soest'sche Archidiakonalsend in der niederen Kirche".

    Dass das Sendgericht, das schon 1120 vorkommt (Seibertz I. 49, 3), auch in Rüden uralt ist, folgt aus dem 1287 vom erzbischöflichen Offizial zu Köln zur Abwehr der Jurisdictional-Eingriffe des Probstes zu Soest erlassene Mandate bei Seibertz I. 509, woraus hervorgeht, dass der Archidiakon sich auch in Rüden eine Gerichtsbarkeit in Schuld- und Kriminal-Sachen angemaßt hatte. Über diese Tatsache und über diese Sendgerichte überhaupt findet sich das Nähere in meiner "Geschichte von Warstein - S. 84, 85 und 91".

Von den Instanzen

(§.142.)
  1. Das Recht der ersten Instanz
    Röingh sagt über diesen Punkt, dass die Bürger in Rüden alle Erb- und Sterbefallsachen vor dem Magistrat als kompetentem Richter der ersten Instanz verfolgen und sich anderer geistlicher und weltlicher Gerichte, bis zur etwaigen Appellation enthalten sollen, wie solches auf der Bürgersprache bei Strafe festgesetzt ist.

    Solches ist auch schon im 18. Art. des Rüdener Rechts mit klaren Worten ausgesprochen, nachdem kein Laie einen Bürger wegen einer weltlichen Sache außerhalb der Stadt vorladen soll, es sei denn, dass ihm in der Stadt vor Gericht kein Recht geschehen möge.

    Dasselbe liegt auch in dem früher besprochenen Privilegium von Erzbischof Walram von 1345, dass nämlich kein Bürger an ein auswendiges freies Stuhlgericht solle geladen werden, "welchem auch der zeitige Oberfreygrafe von Arnsberg, obschon jährlich sein Gericht hieselbsten, uff oder vor der Borg unterm blauen Himmell mit seinen Scheffen undt Gerichtsgeliedern heget, sich jederzeit bequemt hat."

    Die Magistratsprotokolle zeigen, dass diejenigen Bürger, die gegen dies "jus primae instantiae" verbrochen und zur Vexierung der Bürger Prozesse und Mandate zu Soest, Werl, oder anderswo (offenbar ist das Offizialgericht zu Werl und das Synodalgericht zu Soest gemeint) ausgebracht haben, vom Magistrate bestraft worden sind.

  2. Das Recht der zweiten Instanz
    Gleich wie, - referiert Röingh weiter, - die Stadt Rüden auf Soest'schen Rechten gegründet worden (Seibertz Urkb. I. S. 155: hoc oppidum eo jure gaudebit et libertate, qua opp Susatum) und von dem "Stadt Soest'schem Richters Gericht" die Appellation an den Magistrat daselbst geht, also wird auch das kurfürstliche Gericht in Rüthen, so in der Stuben unter des Magistrats "consensu" gehalten wird, das Untergericht, aber der Magistrat das Obergericht genannt.

    Vormals wurde vom kurfürstlichen Untergericht gewöhnlich an den Magistrat appelliert, wie die Akten des Stadtarchivs dartun; namentlich ist daraus zu ersehen, "dass der kurfürstlich Rüden'sche Droste an den Magistrat als‚ judicem secundae instantiae' in Sachen seines eigenen "Coloni", um Verhelfung unparteiischen Rechts‚ intercessionales' ausgelassen".

    Aus dem Archiv ist ferner zu ersehen, dass auch die Stadt Warstein (vgl. Geschichte derselben S. 91, 92 und die S. 201, 202 unter Nr. 38, 39, 40,42 für diese Behauptung sprechenden Verhandlungen des Warsteiner Magistrats mit dem Rüdener als Appellationshof), Kallenhardt (Appellationsverhandlungen bis zum Anfang des 17. Jahrhundert in Seibertz Statutarrecht S. 306), Belecke, Winterberg (Seibertz a.a.O. 310), Hallenberg (S. 308) und andere Städte "per viam appellationis et recessus" vormalig ihr Recht beim Magistrat von Rüden gesucht und erhalten haben.

    Die genannten Städte bedienten sich alle des Rüdener Mutterrechts, weshalb auch der dortige Gerichtshof als Appellationshof angesehen wurde. (Die Beweise siehe bei Seibertz im genannten Buche an verschiedenen Stellen.)

    Röingh hätte auch Geseke nennen sollen, von dessen Gerichte, wie eine interessante Urkunde des Rüdener Magistrats von 1377 aussagt, sowie von dem anderer kleinen Städte in Westfalen, die Appellation an das Gericht des Magistrats zu Rüden ging "gleichsam zu ihrem unmittelbaren Oberhaupte." - Siehe Seibertz Urkb. II. 625, Statutarrechte 353 - Schon zu Röingh's Zeiten zessierten die Appellationen und waren motifiziert.

    Röingh ist der Meinung, dass deshalb ehedem die Appellation vom Richter an den Magistrat gegangen sei, weil im Rüdener Rechte - er meint den Artikel 20 - bestimmt wird, dass der Richter schwöre: "ein gerechter Richter zu sein zum Rechte des Erzbischofs und zum Rechte der Stadt", und weil deshalb der Richter, bei Indizierung der Stadtrechte und Adhibierung des Stadtdieners, für einen Stadtrichter gehalten sei, und deshalb nicht, weil er kurfürstlicher Richter, die Appellation von ihm an den Magistrat gegangen seien, oder das kurfürstliche Gericht das Untergericht, der Magistrat das Obergericht genannt sei.

Rechtliche Beziehungen und Verträge zwischen Rüden und Geseke

(§.143.)

Wenn Rüden über Geseke und andere kleine Städte durch das Mutterrecht und den Appellationshof gleichsam Oberhaupt war und dieses Verhältnis vielfache Berührungen der bezüglichen Städte hervorbrachte, so ist unter allen vorzüglich Geseke zu nennen, das seit uralten Zeiten durch mancherlei Umstände und Beziehungen mit der Nachbarstadt Rüden in enger Verbindung stand. In den aller ältesten Zeiten waren beide Orte, wenn auch in verschiedenen Gaugerichtsbezirken gelegen, doch zu dem einen großen Comitate Haholds gehörig.

Wenn Geseke damals leicht angesehener war, als (Alten-) Rüden, so bediente sich ersteres dagegen der Rüdener Rechte. Gleichheit der landesherrlichen Verhältnisse und Stadteinrichtungen machten es möglich, dass, wie oben schon gezeigt, dieselben Personen in beiden Orten Ämter zugleich bekleiden mochten.

Hier wollen wir bloß einen Umstand hervorheben, der von einer innigen Vereinigung beider Städte zeugt: dass nämlich Rüdener Burgmänner und Bürger schon frühzeitig Besitzungen in Geseke hatten, dort Bürger waren und an den öffentlichen Verhandlungen teilnahmen, so wie wiederum Geseker Bürger (wie die Familie Orth ab Hagen), in Rüden ansässig, die bedeutendsten dortigen Lehen und Stellungen inne hatten.

Der Beweis lässt sich führen durch die Geseker Stifts-Urkunden und viele Rüdener Dokumente. Einzelne Beispiele kommen bei anderen Gelegenheiten dieses Buches vor. Ja die gegenseitigen Übersiedlungen waren so häufig, dass dadurch besondere Verträge zwischen beiden Städten nötig wurden, außer den allgemeinen Bündnissen, welche beide Orte noch mit den übrigen des Herzogtums verbanden. Zu bemerken ist, dass unsere beiden Städte stets im Frieden gelebt zu haben scheinen und sich gegenseitig treu halfen und unterstützten.

Röingh nun teilt uns das Wichtigste aus einem 1611 zwischen Geseke und Rüden geschlossenen Vergleich mit, den wir umso weniger übergehen dürfen, da er uns einige noch nicht vorgekommene Gerechtigkeiten der Stadt Rüden vorführt.

  1. Vergleich der Städte Rüden und Geseke wegen allseitiger Befreiung der Ausfuhr oder des Zehnten Pfennigs.
    Wenn ein Bürger seinen Wohnort und sein Hauswesen an einen anderen Ort verlegte, war er schuldig der Stadt von allen seinen beweglichen Gütern, die er mitnahm, verkaufte oder an einen anderen Ort vererbte den zehnten Pfennig zur Ausfuhr, bei Strafe der Konfiskation, zu geben.

    Dies Recht der Ausfuhr oder des zehnten Pfennigs war in Rüden von uralten Zeiten hergebracht und noch 1526 von Landdroste und Räten bestätigt worden. Im Jahre 1611, 5. April, ward nun diese Zehntung zwischen Rüden und Geseke gänzlich aufgehoben.

  2. Vergleich beider Städte wegen Erbschaft des vierten Teils Gerade und Hergewedde.
    Wenn der eine oder andere Ehegatte ohne Leibeserben "ab intestato" stirbt, so soll den nächsten Verwandten der vierte Teil aller nachgelassenen Erbschaft "cum suo onere", jedoch ohne Abzug von Gerade und Hergewedde (so nunmehr in die gemeine Erbschaft gerechnet werden soll) in beiden Städten unter den Mitbürgern anfallen und frei ausgefolgt werden. Rezess vom 5. April 1611.

    Das "jus succedendi" wegen Gerade und Hergewedde ist 1665, 7. November, auf dem Landtage vom Kurfürsten abgetan worden und in die gemeine Erbschaft verwiesen.

  3. Ausfolge jeder fallenden Erbschaft gegen Zuversicht.
    Von der Stadt Rüden wurde keinem Auswendigen sein bei der in- oder auswendigen Bürgerschaft vererbfallter Teil, nach erlegtem zehnten Pfennig, eher ausgefolgt, bis er von seiner Obrigkeit eine schriftliche Zuversicht, d. i. Versicherung, beibrachte, dass in einem gleichen besonderen Erbfalle die etwa fallende Erbschaft an einen Rüdener Bürger auf gleiche Weise ausgefolgt und nicht aufgehalten werden solle.

    Wegen Mangel einer solchen Zuversicht wurde damals eine bedeutende Erbschaft von Rüden nicht ausgefolgt. Im Staatsarchiv werden viele Zuversichtsbriefe aufbewahrt. Vormals wurden sie nicht nur auf die gemeinen Erbfälle, sondern auch insbesondere auf Gerade und Hergewedde ausgestellt. Weil aber das Recht des Gerade und Hergewedde zwischen Rüden und Geseke, den gemeinen Erbschaften einverleibt wurde, so ist damit das recht an Gerade und Hergewedde und folglich auch die Zuversichtsbriefe kassiert und niedergelegt worden.

Der Magistrat als Verwaltungsbehörde

  1. Kurze Geschichte des Magistrats in Rüden
  2. (§.144.)

    Wo wir zuerst in Urkunden einer eigenen Verwaltungsbehörde der Stadt Rüden begegnen, da scheint dieselbe einigermaßen aristokratischer Natur gewesen zu sein, zumal aus jenen Zeiten keine Belege für die Teilnahme der gemeinen Bürgerschaft an der Verwaltung sich vorfinden, das Verwaltungspersonal vielmehr aus den angesehensten Familien der Stadtgemeinde bestand.

    Aber in den deutschen Dokumenten finden wir schon die sicherste Andeutung eines demokratischen Elements in der Rüdener Verfassung. Manche Beschlüsse werden nunmehr in der ganzen Bürgerversammlung gefasst und gehen aus vom Rat und der Gemeinheit.

    Im Allgemeinen, namentlich was die Anzahl der Magistratsmitglieder betrifft, ist von uralten Zeiten an, die ganze kurkölnische Periode hindurch, die Ratsverfassung wenig geändert worden. Das Wesentlichste betrifft den Wechsel der Namen der Verwaltungsbehörde, und das in einer gewissen Periode beginnende Auftreten zweier Bürgermeister, statt eines.

    Was erstlich die Anzahl der Ratsglieder betrifft, so scheint dieselbe zwar bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, wie freilich nur aus einer Urkunde von 1282 zu folgern ist, sechs gewesen zu sein, seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts aber war dieselbe stehend zwölf mit dem Bürgermeister, ohne denselben elf. So gegliedert erscheint der Rat zu Rüden in später näher zu beleuchtenden lateinischen Urkunden von 1312, 1322, 1330, 1334, 1382 usw.

    Auch noch zu Röingh's Zeiten bestand der Rat aus 12 Mitgliedern und ohne Zweifel bis in unser Jahrhundert. Ein Bürgermeister und elf Ratsherren war überhaupt die in vielen westfälischen Städten hergebrachte Zahl des Warum gerade zwölf?

    Siehe die Beilage 2. in Waitz "deutscher Verfassungsgeschichte" Kiel 1844. 1.B.: "Ueber die Zwölfzahl in den Germanischen Verhältnissen."
    Magistrats . Solches ist erwiesen von Marsberg (siehe die betreffenden Urkunden bei Seibertz II. 135, 184, 104,610), Brilon (Ebendaselbst I. 497, 525, 530, II. 4), Geseke (II.218), Werl (II. 220) usw. Nach der Urk. von 1323 ibid. II. 189 waren in Arnsberg ein Bürgermeister und 10 Rathsherrn.

    Ob die Zwölfzahl ursprünglich ist, lässt sich nicht bestimmen. Denn auch die Doppelzahl, 24, in Soest war nicht ursprünglich, sondern 1283 aus 36 reduziert (I. 495); die entsprechende Zahl für kleinere Städte ist 18.

    Was zweitens den Namen betrifft, so nannte man in lateinischen Dokumenten, wie in den anderen Städten, so auch in Rüden, den Vorsitzer im Rate, den Bürgermeister "Proconsul" und die Ratsleute"Consules", gegen die wahre römische Bedeutung dieser Wörter. Bei "Proconsul" dachte man sich wohl einen Vor-, d. i. ersten "Consul".

    Erst in neuerer Zeit, namentlich unter hessischer Regierung, als man meistens zwei Bürgermeister hatte, unterschied man richtiger den ersten, regierenden Bürgermeister (auch "Consul" genannt), von dem zweiten, der den Titel "Proconsul" führte. Als man mehr anfing sich deutscher Ausdrücke zu bedienen, hieß der "Proconsul" Bürgermeister und die "Consules" Ratsleute (ratlüde schon 1382 in Rüden), Ratsherren, Ratspersonen, Ratsfreunde, Ratsverwandte, Ratsscheffen. Was früher "Proconsul et Consules", war jetzt Bürgermeister und Rat.

    Wahrscheinlich als richterliche Behörde nahm der Rat auch den Beisatz "Weisheit" an, von den Rechtsweisungen (as se wyset vor recht: Rüdener Recht Art. 24). Deshalb heißt es; Rat und Weisheit, Weisheit und Rat. Bei denjenigen Angelegenheiten, bei denen die allgemeine Bürgerversammlung zur Beratung gezogen war, erscheint die höchste Stadtbehörde in der Formel: " Rat und ganze (oder allinge, allige) Gemeinheit, auch Rat und Weisheit mit der ganzen Gemeinheit".

    In unserem Jahrhundert ist an die Stelle der Gemeinheit, mit Ausnahme der allerwichtigsten Abgelegenheiten, als der Bürgermeisterwahl, die Bürger-Repräsentanten-Versammlung getreten. Wann und warum endlich an die Stelle eines Bürgermeisters deren zwei getreten sind, von denen der erste der regierende genannt wurde, und was die eigentliche Stellung des zweiten gewesen, ist nicht recht klar.

    In Rüden, wie anderswo, finden wir zwei Bürgermeister wenigstens im 16. Jahrhundert allgemein. Das wahre Sachverhältnis ist wohl dieses, dass bei der jährlich stattfindenden neuen Bürgermeisterwahl der abgehende alte, als erster Ratsherr, eine nähere Beziehung zu der Verwaltung hatte, als die übrigen Ratsherren.

    Wenn wir sogar einige Mal drei Bürgermeister in Rüden finden, so haben wir unter dem dritten sicher nichts weiter zu denken, als einen noch im rate sitzenden früher abgegangenen Bürgermeister, In Westfalen gilt ja noch das Sprichwort: "Einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister". Ein solcher zweiter Bürgermeister hieß dann wirklich in echt römischem Sinne "Proconsul".

    (§.145.)

    Es folgen nun urkundliche Belege zu dem in §.114 Gesagten.

    • 1282
      Vollandus des Langenstrut, Albertus de Melderike milites, Bodo natus Vollandi militis predicti, Godefridus de Langenole, Marquordus de Herdinchusen, Amelungus dictus de Holtmarket proconsules civitatis Ruden (Detmarus sculthetus dictus de Wekede et alii quam plures). Actum et datum apud Rudene 1282 III. non. Jun. - Seibertz Urkb. I. S. 486.

    • 1312
      Nos Gobelinus de vlede proconsul in ruden, Lubertus de Antaghen, hermannus de dreuere, henricus waldradis, Lubertus dictus düüel, fredericus hillebrandi, henricus henfridi, Lubertus de netelstede, hermannus de Lon, hermannus helengardj, Goscalcus dictus pal et wulfhardus consules ibidem - In einer Bredelarer Urkunde bei Seibertz II. 103

    • 1315
      Gobelinus dictus Dobbrer proconsul in Ruden; Gobelinus dictus de Ulde, Florinus dictus de Stene, Joh. dictus Struch, Conradus dictus Hasso, Ulricus de Ghesike Joh. Dict de Wathan, Herm. De Valkesing, Fried. Dict. de Stochem et alii - In einer ungedruckten Geseker Stifts-Urkunde, als Zeugen.

    • 1322
      Nos lutbertus proconsul dictus de Anlagen, Hermannus de lon, Gobelinus Vluim, Johannes reynfridi, giselbertus de Kneuelinchusen, Detmarus mekelike, Johannes Stolle, Alexander Regelen, Hermannus Vnekman, Johannes volperti, Conradus de Effle, et Hinricus filius Hermanni de dreuere, consules opidi Ruden - In einer Rüdener Urkunde bei Seibertz II. 177

    • 1330
      Arnoldus de bruwerdinchusen tunc temporisin Ruden proconsul, Johannes Kebetan, Sanderus, detmarus de bruninchusen, Henricus de dreuere, Hermannus de Molendino, Joh. Buch, Conr. Neuelunc, Conr. De lyt, Godeschalcus Godeschalci, Herbodus lutfridi, Hermannus de sewordinchusen consules ibidem. - In einer Rüdener Urkunde bei Seibertz II. 239

    • 1334
      Dethmar de Bruninchusen Proconsul (war 1330 Ratsherr), Joh. de Snevordinchusen, Alexander de Henepe, Wefgardus Everdinc, Hoh. Elrikinc, Henr. Helegart, Godalc., Conr. Nivelunc, Conr. De Lit, Herm. De Helwordinch, Conr. Wolgerikede et Conr. Radinc consules opidi Ruden. -In einer ungedruckten Urkunde des Stifts Geseke

    • 1372
      Fredericus volquini (vielleicht soviel, als oben Wolgerikede) proconsul, Heynemannus Waidrad, Joh. Ketteler, Gotfridus ysvogel, Conr. Proborning, Joh. Ecberti, henricus droste, Conr. De vlde, herm. Smalenborch, Herm. Ludingher, Joh. Calenhard et Gobelinus de vlde consules in Ruden. - In einer Rüdener Urkunde bei Seibertz II. 606

    • Gobele van Ulde, hinr. De Keteler, herm.Smalenberg, demele Kudden, Gobele buke, dethard van nettelstede, herm. Ludinchers, cord Smedele, Joh. Goschalkinck (oben Godescalci), Joh. Kallenhard und Cord van Ulde to dufser tyt ratlüde to Ruden. - In einer ungedruckten deutschen Urkunde von 1382 des Stifts Geseke als Zeugen (s. unten §.189.c.)


    Zur Vergleichung mit der spätern Zeit theilen wir die folgende Uebersicht des Magistrats mit:

    • Bürgermeister:
      (1687) Diedrich Höne,Adrian Wulf
      (1732) H.F. Vasbach, Dr. Berg
      (1803) Anton Joseph Graetz, Anton Offermanns

    • Kemmerer:
      (1687) Johan Ruberg, Heinrich Winckhausen
      (1732) Groß, Hensemann
      (1803) Jodoc. Helle, Johann Luigs

    • Baumeister:
      (1687) Hermann Heller, Henrich Geckh
      (1732) Wilh. Basterdt, Christoph Bause
      (1803) Caspar Petrasch, Anton Bitter

    • Küchenmeister:
      (1687) Johann Wilhelm Hensemann, Christoph Kochlings
      (1732) Georg In Der Helle, Bernhard Hense
      (1803) Thomas Abel, Peter Roper

    • Brodtwager:
      (1687) Johann Conrad Roynckh
      (1732) Pholo.

    • Siegelherr:
      (1687) Anton Tutel
      (1732) Conrad Luigs

    • Eymerverseher:
      (1687) Johann Schandell
      (1732) Melch. Knickenberg

    • Artellerey Meister:
      (1687) Ebert Fischer
      (1803) Franz Knickenberg, Philipp Hoffmann, Wilhelm Schlüter, Joseph Danill.


  3. In dem bei Seibertz II. 69 abgedruckten Statutarrecht der Stadt Rüden kommen folgende Ausdrücke vor:
    1. De rait ind wysheit mit der megeheit, S. 86
    2. De rait ind de wysheit, S 87
    3. 1400: de Rad ind wysheit, S. 89
    4. De wysheit ind Rait, S. 89
    5. De Borgermester ind Rait, S. 92
    6. De Rait, S. 93
    7. De Rayt ond gantze gemegenheyt, S. 94
    8. De Rayt und wisheit mit der gansen gemeinheyd, S. 94
    9. De Frunde und gantze gemeinheit, S. 94
    10. Eyn Ersam Burgermester und Radt alt und nw sampt alle Burgere, anno 1559, S. 95
    11. Gantze gemeinheit, S. 95
    12. usw.
  4. Nach Kleinsorgen's Kirchengeschichte 3. Teil S. 280 kommen um 1580 schon zwei Bürgermeister vor. In den Truchsessischen Unruhen die zwei Bürgermeister Johann Hartmann und Helmig von Lohe vertrieben, die 1584 wieder als solche eingesetzt wurden. Merkwürdig ist aber, dass in einer Urkunde (ebendaselbst S. 483) drei Bürgermeister von Rüden (1584) genannt werden, nämlich Joh. Hartmann, Joh. von Lohn und Christophen Hartmann. Noch einmal finde ich drei Bürgermeister im Jahre 1692, nämlich: Werner Joachim Wickede, Johann von Loen und Johann Diedrich Wickede.

Vorläufige Übersicht des städtischen Beamten-Personals.

(§.146.)
  1. Der regierende, jährlich neu zu wählende, Bürgermeister, der, wie die wenn auch lückenhaften Verzeichnisse dartun, wieder gewählt werden konnte.
  2. Elf Ratsherren, von denen der erste ebenfalls Bürgermeister hieß. Jährlich schieden, wenigstens in späterer Zeit, beim Magistratswechsel, sechs aus.
  3. Der bei den Versammlungen protokollierende Stadt-Sekretär, der, mit juristischen Kenntnissen versehen, einen wichtigen Posten bekleidete. Der erste, den ich gefunden, Secretarius Ermolaus, lebte 1528.
  4. Der Stadt-Kämmerer, der Verwalter der städtischen Finanzen, dem Range nach gleich auf den Bürgermeister folgend.
  5. Die dem Kämmerer in Aufhebung und Berechnung der Stadtgefälle beigeordneten 4 Accise-Herren.
  6. Der zur Einnahme der Accise mit Besoldung angestellte Accisemann, nebst dessen Diener und Kornschreiber.
  7. Der Stadt-Wagemeister, der die Mühlen-Accise auf der Stadtwaage wog.
  8. Der Rats- oder Stadtdiener.
  9. Der Stadtbote.
  10. Die Holzdiener oder Holzknechte.
  11. Die städtischen Schäfer, Sauhirten und Kuhhirten.
  12. Der Stadt-Spielmann.
  13. Der Stadt-Scharfrichter Nach alten Rechnungen werden unter die von der Stadt besoldeten Personen gerechnet: Pastor, Rector, Scholmester; - Schreiber, Stadtdiener und Ustrider (Ausreiter), Stadtbotten, Acisemann, Zisemann, Kornschreiber, Wagemeister, Fürsprecher, Umgenger, Pförtner, Schuttern, Holzforster, Eidschwerer, Tornhoder (Thurmhüter), Bohm Schluiter, Holzknecht, vier Nachtwächter. In einer Rechnung steht: "Rickert dem Dickgraffen gegeben van dem Dieke in der Brumeke":

Von allen diesen Posten ist an anderen Stellen die Rede. Wir lassen zunächst einige sehr wichtige auf das Verwaltungswesen bezügliche Notizen, nach Anleitung von Röingh's Geschichte, folgen.

Amtseid und Pflicht des Richters, Bürgermeisters und der Ratsherren.

(§.147.)

Unter dieser Überschrift macht Röingh darauf aufmerksam, dass

  1. der Richter
    in Rüden den Vorzug des Standes habe, dass er aber von der Gemeinheit nicht eher respektiert und angenommen werde, bis er dem Magistrat den bürgerlichen und richterlichen Eid geschworen, welches nach den Stadtprotokollen auch alle Richter getan, wie in Werl auch der Amtsdroste dem dortigen Rat und der Stadt den Bürgereid leisten müsse. - Dies ist ein Privilegium, welches im 19. und 20. Artikel des Rüdener Rechts enthalten ist.


  2. Der Bürgermeister
    Der Bürgermeister, bevorab der regierende, ist das "kommandierende Haupt" der in- und auswendigen Bürger, dem ein Jeder auf gebot und Verbot, vermöge seines Bürgereides 'Gehorsam schuldig ist".

    Dem Bürgermeister liegt ob

    über jedens Handelung und verfahren, über der Stadts Hochheiten, Privilegien und Gerechtigkeiten, in Justiz- und Polizei-Sachen, item wegen der hohen Wildtbahn, Jagten, Gehöltz, FeldtMark, Gräntzen, Wolldemeine, Hode, Weide, Fischerei, der Stadts-Gebauwen, als Kirchen, Schuhle, Hospitalien, Stadt-Nähhäuser, Mauren, Thürnen, Mühlen, Brücken, auch über Einnahmb und Außgabe der Stadtskemmerey, undt Schatz-Gefällen, Kirchen- und Klausen-Rehnten, die obere Inspection, in Kriegs- und Friedens-Zeithen, zu führen die befindende Gebrechen mit Zuziehung des Raths dem Befinden nach bester Gestalt zu remediiren, alles ohne Respect der Personen, undt ohne Suchung eines privaten Nutzens, so woll dem Reichen als dem Armen zum besten zu befördern, zu administriren, zu dirigiren, bevorab das gemeine Wesen, uti salus populi (quae suprema lex esto) ohne Suchung eines Nutzens gar treu undt fleißig zu beachten, undt forzusetzen, die consula ad effectum zu bringen, endlich also undt dermaßen in allem sich zu verhalten, daß er es vor Gott undt jeder Obrigkeit, auch in seinem Gewissen verandtworthen kann, undt als einem getreuen Burgermeister eignet und gebührt, davon der adjungirter Bgmster-aydt genüchende Nachricht mittheilt.

    Folgt der tenor juramenti consulis.

    Bezüglich der bürgermeisterlichen Rechte setzt Röingh das Weitere auseinander, dass der Bürgermeister, obgleich er für seine große Mühverwaltung eine angemessene Erstattung und Ersatz verdiene, doch in der Wirklichkeit nichts anderes, wegen der Stadt, davon habe, als die bloße Freiheit (Befreiung) während seiner Regierung; ferner ¼ Weines aus der Kemnerei, auch wegen verkaufter Waren ¼ Weines aus derselben Kemnerei, und aus dem Weinzapfen aus jedem Fass ein Gewisses; auch auf jedes vierhochzeitliche Fest 2 Kannen Wein aus selbigem Zapfen. Ferner bekommt er von den jährlichen Ratsgefällen seinen Anteil und zwar je doppelt so viel, als ein Ratsherr. Obwohl die Ratsherren solches nicht genehmigen, so hat nach altem Herkommen doch der Bürgermeister immer ¼ Weines und der Ratsherr ? erhalten. Da aber derjenige, so den Bürgermeister oder den Rat injuriirte, dem Ersteren 2 Eimer Wein und jedem Ratsherrn 1 Eimer geben musste, so folgt daraus das Recht der doppelten Portion, wie es der Artikel 35 des Rüdener Rechts bestimmt.

    Zu den Accidentalibus des Bürgermeisters gehörten nur Jura Arresti, Inhibitionis und Pfändung, je ein Kopfstück, was überhaupt selten vorfällt. Wenn ein Bürgermeister, er sei in regime oder nicht, stirbt, so wird an drei Tagen dreimal zu Rüden, Altenrüden und Miste geläutet. Die Witwe muss dem Pastor durch den Ratsdiener opfern lassen einen Korb, worin ein Schinken, 4 Groschen Weisbrodt und ein Reichstaler zum Viertel Wein in einer zinnern Kanne etc.

  3. Kemner-Amt und Eid.
    Der Stadtskemner ist "vom Bürgermeister die andere Person im Rath". Derselbe muss samt seinen Acciseherrn der Stadt, gleich seinem eignen Gut, in Erhebung, Ausgabe, Wiederverrechnung der Stadtzinsen, Renten und Gefälle vorstehen. Er darf nichts versäumen oder zu seinem eignen Nutzen verwenden, gemäß dem 1581 bei der Bürgervereinigung gemachten Rezess. Besonders hat er durch den Accisemann, Acciseherrn nebst den Dienern an den Pforten und draußen bei den Pfahlbürgern Aufsicht über die Accise zu üben, damit der Unterschleif ertappt und bestraft werde.

    Die zu Martini fälligen Kornintraden muss er durch den Kornschreiber gegen sein Krimpekorn eintreiben. Der Kemner kann sogar ohne den Bürgermeister deshalb Exekutionen verhängen. Auf Laetarc muss das Korn "wehrdirt" und zum Besten der Stadt verkauft werden.

    Der Kemnerei klebet auch das Fiskalische Amt an, das den Kemner verpflichtet, auf die Verbrecher, so wegen Auszugs den zehnten Pfennig schuldig sind, zu achten, sie zu inquirieren, zitieren und dem Rate anzugeben, und nach dem Geständnis oder der Überführung in Strafe zu nehmen und zu exequieren. Der Kemner ist das Haupt und der Präsident seiner vier Acciseherrn. Einen strafbaren Acciseherrn kann er mit den übrigen Accise-Herren abweisen und brüchten "immaßen sie unter sich dero Ämbter als Küchen-Meister zu bevorstehender Kemnerey-Rechnung ansetzen, auch die neuen gleich dem Rath innigen."

    Der abgehende Kemner mit seinen Acciseherrn findet sich von alten Michaelis bis zur Raths-Chur täglich zur Einnahme und Verrechnung auf dem Rathause ein. Die Zehrung wird dem Kemner gut getan und was in dieser Zeit an Accise fällt, kommt denselben zu. Sie haben auch während der Zeit der Einnahme und Verrechnung das Recht, persönlichen Arrest zu geben. Der Kemner hat immer das Recht, die der Stadt schuldig sind, durch den Stadtdiener zu pfänden usw.

    Obgleich der Kemner wegen seiner sehr großen Müheverwaltung, seiner Versäumnisse, seiner vielen Vorschüsse in Stadtsachen, zu Zimmern, Boten, Jagen, Rechtssachen usw. einen guten Ersatz verdiente, so hat derselbe doch nicht mehr als 6 Taler an Restanten laut seiner Kemnerei zu genießen, und wie die anderen Ratsherren seine Rats-Portion aus dem Küchen-Register und ? Wein aus der Kemnerei zu erheben. Röingh teilt auch die Eidesformel für den neu gewählten Kemner (auch Kämmerer, camerarius vom lat. camera) mit, so wie auch den Acciseherren-Eid, dass sie dem Kemner fleißig und treu bestehen wollen.

  4. Ratsherrn.
    Demnach der völliger Rath von zwölf Personen etc. (Röingh)


Die Gemeindeversammlung (Bürgersprache) und deren Anteil an der Stadtregierung, in Folge der bürgerlichen Unruhen.

(§.148.)

Alles was in diesen Abschnitt gehört knüpfen wir an einen 1581 bei der bürgerlichen Unruhe aufgerichteten und von zwei kurfürstlichen Räten und verschiedenen Städten versiegelten Rezess, dessen wesentlichen Inhalt wir folgen lassen:

Puncta Churfürstlichen Recessûs de 1581

1581 und vorhergehende Jahre hatten sich zwischen dem Magistrat und der inwendigen Bürgerschaft allerlei Irrungen und Streitigkeiten erhoben, welche, vor dem landdrosten und Räte gebracht, mit Zuziehung der Nachbarstädte durch einen Rezess vom 7. April 1581, der vom Kurfürsten Ernest 1584 30. Juni laut Transfixes bestätigt wurde, beigelegt wurden. Es folgen die einzeln im Rezess besprochenen Punkte:

  1. Ratswahl
    Da vormals der Hauptstreit darin bestanden, dass der abgehende Rat jährlich einen neuen Rat allein wieder erwählte und dabei allerlei Parteilichkeiten mit unterliefen, auch der Kemner nicht Rechnung legte, die Gemeinheit aber sich vielfältig beschwerte: so wurde durch den Rezess verabschiedet, dass

    • jährlich zur Ratswahl ein kurfürstlicher Obmann (so vorhin niemals gewesen) hinzugefügt, und vom zeitigen Landdrosten und Räten ernennet (vergl. "Warsteiner Geschichte - S. 86 und 97).


    • die Ratswahl jährlich den zweiten Sonntag nach Galli (styli novi) gehalten werde, wozu jährlich den Samstag vor der Chur durch die gemeine Bürgerschaft (so den vorigen Tag durch die Bauerrichter, aber am Samstage selbst durch das Geläut der Bürgerglocken in beiden Kirchen abgeladen worden) vierundzwanzig ehrliche unverleumdete katholische Personen ernennet werden sollen; ferner, dass


    • den zweiten Sonntag nach Galli nach gehaltenem Gottesdienst alle Jahre acht Chürherrn (wie in Warstein a.a.O. S. 97 Wahlbürger, Churmänner, Electores), vier aus der Gemeinheit, nämlich aus jeder Bauerschaft einer, von den sechs sitzen bleibenden Ratspersonen, sollen erneuert werden, welche alsbald, ohne einiges Abweichen vom Rathause (nachdem sie erst den gewöhnlichen Kur-Eid ausgeschworen), sechs wieder angehende fromme, unberüchtigte, zu dem Regiment dienliche, römisch-katholische Personen - als einen Bürgermeister, fünf Ratspersonen, zwei Accise-Herren, mit Hintansetzung aller ungebührlichen Affektion erwählen sollen, welche den folgenden Montag publiziert und von den bleibenden sechs Ratspersonen sollen beeidet werden.


    Die beigefügte Eidesformel der Churmänner übergehen wir.

    Röingh teilt noch ferner Bemerkungen über die Chur mit: Einige Tage vor der Wahl muss der Magistrat durch einen Boten sich von Landdroste und Räten einen Obmann oder die Alleinanvertrauung der Wahl erbitten, dass Ernennungsschreiben dem Obmann mitteilen, damit er sich in dem vom Magistrat bestimmten Logis, woselbst er auch traktiert wird, zeitig einfinden können. Wenn der Rat mit dem Churherrn fertig, wird der Obmann durch den Ratsdiener mit der Leuchte in die Ratsversammlung geholt, in die vier "Seddalen" geführt, bewillkommt, seine Kommission vorgelesen, die Churherrn publiziert, vereidigt, dann, nach Entfernung der Anderen, zur Wahl berufen, und mit dem Obmann in dem geschlossenen Rathaus allein gelassen, bis nach vollzogener Wahl. Abends werden die Churherren auf dem Rathaus traktiert. Montags frühe, nach dem Geläut der Bürgerglocken, wird die neue Wahl verkündigt, und auch die Kemnerei-Rechnung vorgelegt, was, nach dem Rezess von 1581, eine zeitlang, beim Kriege bis zur Bürgersprache, verschoben wurde (vgl. "Warsteiner Geschichte" - S. 97).

    Der alte abgehende Rat und Bürgermeister behalten noch die Regierung bis Donnerstag oder Freitag (wie wohl einige es pro interregno halten"). Am Samstag, etwa 4 Uhr nachmittags, nimmt der sitzen bleibende Bürgermeister und rat die neu erwählten Bürgermeister und Ratspersonen und Accise-Herren in Eid, halten ein Ermahnung an dieselben in den 4 Seddeln, vereinigen sich über Verteilung der Geschäfte, setzen die Baurichter an, und machen die Verteilung auf der Bürgersprache bekannt.

    Fragen wir nun, wie war die Ratswahl vor dem Rezess bestellt, so enthält der 146. Artikel im Nachtrag zu dem Rüdener Recht (Seibertz, Urk. II. S. 94) folgende Bestimmung:

    Im Jahre 1528 haben die Frinnde und ganze Gemeinheit "verkoren" und eingesetzt, wenn man den Rat kieset, soll man des Sonntags, wann die Mette aus ist, auf dem Rathause den neuen Rath und die Rechenschaft auslesen, wie das gewöhnlich ist, und anderen Niemandes Klage verhören, und dann wieder weggehn und Gottesdienst hören, und des nachfolgenden Sonntags soll man wieder aufs Haus kommen, wenn die Messe aus ist und man gegessen hat; und die Pforten sollen dann den ganzen Tag zustehen, dann soll der neue Rath die Chur vorgeben nach alter Gewohnheit und Jedermanns Gebrechen darnach verhören.



  2. Bürger-Sprache.
    An dem auf den Vereidigungstag folgenden Montag pflegt der Magistrat sich auch mit der Gemeinheit ("so die Bürgersprache genennet wird") zu vereinbaren, dazu die Bürger Tags zuvor durch die Baurichter abzuladen und durch Läuten die Zeit des Erscheinens anzugeben.

    Auf der Bürgersprache werden aber keine Justizsachen, sondern Gemeinheits- und Bürgerschafts-Angelegenheiten vorgenommen. Der Bürgermeister, mit dem Rat in den 4 Sedeln sitzend, begrüßt die versammelte Bürgerschaft und proponiert derselben: "wann etwas Wichtiges, die ganze Gemeinheit berührendes vorkäme, wie der Rat sich zu verhalten, und mit wessen Zuziehung solches vorzunehmen sei." - Item, "ob die Gemeinheit bei ihren alten Chüren, als wegen Winnen und Unterwinnen, Kaufen und Unterkaufen zu verharren entschlossen sei." - Item, "wie es ferner zu halten mit den tag- und Nachtwachen, Wein- und Branntweinzapfen, Bau- und Brennholz, Accise und Mehlwaage". - Item, "wegen Revidierung, Berechnung der Schatzung, auch Zahlung der Stadt-Kreditoren."

    Zur Einholung der Meinung gibt der Bürgermeister einem oder dem anderen Haupt oder Vorstand der Gemeinheit jene Punkte auf, um mit letzterer zu beraten und Jener Meinung einzubringen. Solches wird verzeichnet und vom Rat auf bescheidenes Begehren zur Ausführung gebracht. Bei Schließung dieser Bürgersprachen werden von den Bürgern 12 oder 24 Personen frei gewählt und publiziert, welche dem Magistrat in gewissen Angelegenheiten beratenden Beistand leisten, ("dem Magistrat in reservatis punctis, quo ad Consutationem assistentz leisten".) Dies waren also die Bürger-Repräsentanten oder Stadtverordneten.

    Dann wird vom Magistrat der "status politicus" revidiert, und an die Rats- und Gemeinheits-Offizianten eine Ermahnung gehalten und ihnen befohlen, monatlich Rechenschaft abzulegen, und den Verbrecher zur Bestrafung zu bringen.


  3. Schatz und Schoß-Revision.
    Der andere streitige Punkt betraf die Revision von Schatz und Schoß, wegen deren ungleichen Verteilung geklagt worden war.

    Die Revision war dem Rat und acht anderen Deputierten übergeben worden. Alle künftigen Streitigkeiten wegen Ungleichheit in den Schoß- und Schatz-Registern sollte der Rat mit Zuziehung von acht Personen aus der Gemeinheit erörtern.

    Gegen den vom Rat und den Ausschuss gemachten Beschluss wurde 1661 von Privatpersonen bei Landdroste und Räten geklagt, dass die Schatzung vielmehr nach dem strengsten Rechte und nicht nach einer billigen Berücksichtigung (d.i. secundum aes et libram, excluso aequo et bono") revidiert, auch nur die unbeweglichen Güter, und welche als solche angesehen werden, ferner nur die der Rüdener Stadtbotmäßigkeit unterworfenen angeschlagen werden sollen, ohne Rücksicht auf Schulden und den Stand der Leute.

    Die nachteiligen Folgerungen, die sich daraus ziehen lassen, liegen auf der Hand. Namentlich würde offenbar der Aufschlag über den armen verschuldeten Mann auslaufen, die Rentiers sich aber befreien, auch diejenigen, welche ihre Nahrung aus beweglichen Gütern haben, und gar keine unbeweglichen besitzen, frei ausgehen, umso mehr, da 1654 vom Kurfürst der Stadt an jeder Schatzung 150 Königstaler, wegen der vielen Kriegsschulden nachgelassen worden und es doch eine Unbilligkeit wäre, da die Schulden bei Verteilung der Landschatzung berücksichtigt würden, solches bei der Stadtschatzung nicht zu tun, und dass einem in Unglück Geratenen durch Linderung der Schatzung nicht geholfen werden könnte.

    Solche und ähnliche Konsequenzen sind in dem Gegenbericht des Magistrats hervorgehoben. Auch in anderen Städten wurde der Anschlag, trotz der Gegenversuche, mit der Waage der Billigkeit abgewogen. Es kam unter den Rüdener Parteien ein Vergleich zustande, und nach dem 1661, 14. Oktober geschlossenen Rezess blieb die Schatzung unsepariert und wurde durch billige Berücksichtigung gemäßigtem rechtlichen Maßstab (secundum aes et libram cum temperamento acqui et boni) auf alle unbeweglichen Güter, Geld- und Korn-Renten, Gewerbe und Hantierung durch beeidete Revisoren angeschlagen usw.

    Kemnerei-Rechnung und Acciseberechnung.
    Die Stadtrenten sollen verzeichnet werden und der Kemner, die Accise-Herren wöchentlich die eingelaufene Accise berechnen. Jährliche Rechenschaft soll dem Rat und acht gewesenen Churherren abgelegt werden.

    Die Rechnung wird, mit dem neuen Rat, veröffentlicht. Der abgegangene Kemner soll die Reste innerhalb zwei Monaten ausfordern. Die Nichtzahlenden soll der Rat exequieren, ebenso die Hospitals- und Kirchen-Schuldner. Auch die Kirchen- und Hospitals-Provisoren sollen dem Rat jährlich Rechnung legen.

    die Schaftrift
    Es soll dabei verbleiben, wie bisher; und keine fremden Schafe, noch Schindgäule, so des Winters über nicht ausgefüttert, sollen auf gemeine Weide geschlagen, und keine Ziegen gehalten werden.

    [Was die fremden Schafe betrifft, können wir auch auf das hier hinweisen, was in der "Geschichte von Warstein - S. 117 und 238" mitgeteilt worden ist. Vom Rhein aus wurde in früheren Zeiten nämlich eine so große Menge von Schafherden (innumerabilis et nimis excessiua ouium que oues Renenses vulgariter appellantur multitudo) auf die Fluren von Rüden, Warstein, Belecke, Kallenhardt getrieben, dass den dortigen Äckern und Weiden ein ganz bedeutender Schaden zugefügt wurde, weshalb der Erzbischof Wilhelm auf September 1354 den genannten Städten auf ihr untertäniges Bitten die Befugnis erteilte, die rheinischen Schafe zu vertreiben, wenn deren Besitzer, Knechte und Hirten sich ferner unterstehen, die Flure jener Städte zu besuchen.

    Am 9. September 1354 nun schlossen die vier Nachbarstädte Rüden, Warstein, Kallenhardt und Belecke, aus Veranlassung jenes ihnen vom Erzbischof Wilhelm verliehenen Privilegs (ghenade), die rheinischen Schafe zu vertreiben, ein ewiges Schutz- und Trutz-Bündnis miteinander ab. Die beiden im Rüdener Stadtarchiv verwahrten Urkunden sind bei Seibertz II. S. 437 und 438 abgedruckt.]


    Über die geklagte Verwüstung der Stadt- und Bürgerhäuser
    ist beschlossen, dass von den gewesenen Bürgerhäusern, so zu Schafställen und Scheunen gebraucht werden, die gebührlichen Stadtlasten (Stadts-Dracht) wie von den Wohnhäusern sollen getragen werden. Die baufälligen Häuser und leere Stätten sollen innerhalb zwei Jahre wieder erbaut, oder die Stätte durch den Rat, in Versäumung desselben aber durch den Kurfürsten, an Andere zur Bebauung verschenkt werden. Diese Bestimmung betraf auch die Geistlichen und Adeligen. Andere Stätten, die nach Gutdünken des Rats unbebaut bleiben sollen, müssen aber der Stadt ihre Gebühr entrichten.

    Beschwerdepunkt
    wegen Versperrung der Straßen, Verwüstung einer Wasserleitung, Schmälerung der Waldemeine

    Punkt
    betrifft einige ähnliche Gebrechen

    Punkt:
    Betrifft die Schützen, so sich Inhalts dero Nottulen und Articulen verhalten sollen, davon keine gewisse Nachrichtung erfindtlich.


Clausula Finalis:

Undt soll sonst nit allein der neuer auffgeworffener Diener Tillmannn Wollner, sondern auch die ganze Trennung, Ufflehnung undt Verbundnüß der Gemeinheit gegen den Rath gänzlich abgeschafft seyn, undt ginführo die Gemeinheit dem Rath mit gebührlichem Gehorsamb erzeigen, undt denselben keines weeges vorgreiffen, vielweniger davon sich trennen und absonderen.

Finis:

Zu Urkunde diese ist dieser Abscheidt mit gedachter Churfürstlr. Räthe und Städte Brilon, geseke, Werll und Attendorn, wie dan auch mit der Stadt Rüthen Siegelen versiegelt. Datum im Tausendt fünffhundert ein undt achtzigsten Jahr, den siebendten Monaths Tag Aprilis.

L.S.

Sequitur confirmatio Churfürstl. Ernesti per transfixum de Ao. 1584. 30. Juny

Über die kurz nach obigem Rezesse 1583 ausgebrochenen inneren Unruhen und Empörung gegen den Rat in Folge der Truchsessischen Händel in Westfalen und die 1584, am 30. Juni, durch den in Rüden anwesenden Kurfürst Ernst geschehene Beilegung derselben (bei welcher Gelegenheit der Rezess von 1581 erneuert wurde), wird an einem anderen Orte dieser Geschichte gesprochen.

Konkurrenz und Eifersucht der Churfürstlichen Richter und des Magistrats.

Ein Abschnitt, dienend zur Darlegung der gegenseitigen Befugnisse, und der Rüdener Rechtsaltertümer überhaupt, mit Zugrundelegung eines alten Jurisdiktionalallibells.

(§.149.)

Wir wollen in diesem Abschnitte nunmehr näher auf die einzelnen Gerechtigkeiten der Stadt selbst und auch der landesherrlichen Gerichte eingehen, da wir durch Zusammenfassung derselben unter dem Gesichtspunkte der Konkurrenz alles Einzelne in einem innigen Zusammenhange vortragen können, ohne uns an die in den beiden voran stehenden Abschnitten befolgten strengen, hier aber nur hemmenden, Scheidung der bezüglichen Verhältnisse zu binden.

Das Folgende nun ist umso mehr als das Wichtigste für die Verfassungsgeschichte der Stadt in einem Jahrhunderte andauernden Zeitraum anzusehen, als Alles auf der allerbesten Quelle beruht. So wie nämlich schon Röingh die Verfassungsgeschichte an ein bei dem großen Streite zwischen städtischen Privilegien und landesherrlichen Gerichten aufgesetztes Jurisdiktionalallibell anknüpft, so können wir auch nichts Besseres tun, als das Wesentliche dieses wichtigen Dokuments im Auszug mitzuteilen.

Indem Röingh die "ad merum et mixtum imperium befindliche Gerechtigkeit und was dessen mehr ist" an die Hand nimmt und ordentlich anzeigt, so soll ihm dazu "der mit weiland Richter Schellewaldt in diesem Punkt mehrenteils im Jahre 1628/29 befangener und 1637 vor dem Offizial zu Köln erhaltener Prozeß und 'definitiva una cum executorialibus' den Weg weisen, immaßen der in denselben Akten verfügter artikulierter 'Jurisdictional libellus' hierher gezogen, die probationes kürzlich und was dabei weiters zu deklarieren nötig bei jedem articul angeheftet werden."

So wollen auch wir die lange Reihe der Artikel vorführen, und aus den jedem beigefügten Probationen, Justifikationen, Additionen und Deklarationen, die meist auf allegierten Dokumenten beruhen, das Wesentliche in Kürze beifügen.

Sequitur Tenor Libelli

(§.150.)

WollEhrwürdig, Edell, Ehrenvest und Hochgelehrter Herr Official, dieses Churfürstlichen Cöllnischen Geistlichen Hoffgerichts ordentlicher Richter etc.

Vor Euch Woll Ehrwürden erscheint Syndicus oder Aldt der Ehrenvesten Hochgelahrten, Vorsichtig und Woll Ed. H. H. Bgmstrn. Raths und Gemeinheith der Stadt Rüthen Impetranten in gemüth und meinung erhebliche undt im Rechten Beständige sachen anzuzeigen, warumb der jüngsthin im Nahmen obgem. Hrn. Pricipalen wieder Raab Dietherichen Schellewaldt Richteren zu Rüthen und Hrn. Johansen Höynck Churfürst. Westphälischen Brüchtmeisteren opponenten außgebrachter, exequirter undt reproducirter poenal-Mahnungs gebotts undt verbotts Brieff mit allen seinen Clausulen zu manuteniren undt zu handthaben, auch sonsten ferner in dieser sachen, wie hernach zu Endt gebetten, zu erkennen sey, undt übergibt in allerbester gestalt undt manier, wie er zu recht thuen soll kann oder mag, nachfolgende Articulen, mit Bitte, berührte opponenten dearauff undt einen jeden Articul, insonderheit glaub wahr oder nit wahr zu seyn, lauter, klar, ohne allen Anhang undt zu recht gnusamb zu antworthen an zu halten, was alsdan nit gestanden und verneint werden wolle, erbeut sich Syndicus, absque tamen onere superflui zu beweisen.

Protestatio.

Es wolt auch Syndicus darab austrücklich protestirt haben, daß er weiters nit gesetzet haben wolo, dan er hernacher beweisen, undt ihme in hoc ordinario Possessorio Judicio zum Sieg rechtens vonnöthen undt dienlich seyn wirdt usw. usw. usw. mit Vorbehalt allsolcher Protestation setztet und sagt Syndicus in Rahmen,

1. ARTIKEL

DAMALIGER ADLICHER RATH

Wie anfänglich wahr seyn, daß die Stadt Rüthen im Erz-Stifft Cöllen und Herzigthumb Westphalen notorie gelegen, undt in vorigen Jahren ein Rath daselbst mit lauteren adelichen und Rittermäßigen personen besetzt gewesen sey.

Zu declarirung undt probirung dieses ersten Articulß will nötig seyn obige zum Anfang wegen Rüdischer Adelicher hoher habender Gerchtigkeiten gesetzte Qualification undt sonsten die hiebey angeheftete Historien über incorporirung des Erz-Stiffts, wannehr undt welcher gestalt solche geschehen, hiehin zu ziehen undt zu recapituliren, ohne dem dabey zu wissen, wie die Stadt Soest als Haupt-Stadt dieses Fürstenthumbs Westphalen bey zeither des Erzbischoffen Grafen von Moers Ao. 1444 von diesem Fürstenthumb sich abgesondert, undt dem Herzogen von Cleve nunmehr Churfürst von Brandenburg praevia capitulatione zum Schutz-Herren angenommen, daß dahero das Primat der Stadt Brilon anerfallen, undt hiesige Stadt secundum locum gewonnen, derowegen Stadt Rüthen eine Mitthaupt-Stadt im Fürstenthumb ist, davor respectirt, allewege zu Land-Tagen, Landts-Conventionen, gleich Brilon undt Neben-Haupt-Städten, Geseke, Werll von zeithigem Lands-Fürsten oder dessen Statthalteren in Westvalen beschrieben wirdt, und gleich Brilon ihre Session neben den Adtlichen und Landesdeputirten primo loco, also Rüthen die ihre secundo loco et voto, Geseke 3to, Werl 4to, Attendorn 5to loco et voto nimbt, Inmaßen der Stadts-Depurtirte nach selbigen Ordtnunf (wie woll es anitzo nit, und zumahlen befremblich beachtet wirdt) sich von Alters hero regulirt haben, wan aber Landtage außgeschrieben, undt darzu alle Städte und Freyheiten convocirt werden, so hat Brilon von alters den Syndicum propriis sumptibns gehalten, undt davor jedemahlen 100 G. gulden in der Landtschatzung genossen, welches doch nunmehr uff Kösten der 4 Haupt-Städte Brilon, Rüden, Geseke undt Werll bey dem zwischen Ritterschaft und Städten in puncto Collectarum jüngsthin ergangenen Vergleich undt haben moderiter Städte-Schatzung mit vorbehalt einem Brilonischen Directorio vi Primatûs lauth Recessûs einzurichten bewilligt worden; derowegen vermög ihres Primats den Syndicum der vier Städte Kösten, uffm Landtage verschaffet, von den sämtblichen Städten in absonderlichem Gemach oder Stuben die Vota, undt anfänglich von Rüden undt also forthan über der Städte absonderliche gravamina einnehmet, undt selbe dem Landesfürsten zu deren Abhellffung vorbringt, sonsten die communia gravamina mit der Ritterschaft per Deputatos aut Syndicum communiciren und vortragen zu lassen, Inmaßen dieß sey den Landtags-Abschieden mit mehrerem zu ersehen.

Letztlich hat Brilon und Rüthen die praerogativa gerechtigkeith aus ihrer gemeinheith einen Landtags-Deputirten (da Sie nur einen qualificirten haben, sonsten salva praerogativa vorbeygangen wirdt) darzustellen und das vorbeygehen nit zu gestatten.



2. ARTIKEL

DIE DREY DÖRFFER ALTEN-RÜDEN, MISTE, KNEVELINGHAUSEN UND HÖFE ASCHENDAHL, ÖHLINGHAUSEN UND ETINGHAUSEN ZUR STADT UND BÜRGERSCHAFT GEHÖRIG

"Zum zweyten wahr, dass allernegst umb gemelte Stadt Rüthen die drey Dörfer als Alten-Rüthen, Miste undt Knevelinghausen und die Höfe Aschenthall, Öhlinghausen und Etinghausen gelegen, welche alle in die Bürgerschafft gemelter Stadt Rüden gehörig, undt deren eingesessene rüdische Bürger seyn, auch dafür über aller lebendiger Menschen Gedenken biss hierzu gehalten seyn worden, vorbehaltlich, dass diejenige, welche wegen Unvermögenheith die Bürgerschafft nit an sich bringen können, der Stadt als dan jährlich einen Schutzgulden, wie von Alters hergebracht, entrichten müssen."

Probatio hujus Articuli.

Durch ein Schreiben des Landdrosten Johan Schüngell von 1524 an Bürgermeister und Rath der Stadt Rüthen, laut dessen dieselbe die von Miste als ihre Bürger vor Gewalt vertheidigen sollen.

Ferner wird ein auf Churfürstlichen Befehl von dem Richter in Rüden Niclas Rhamm 1576 an die Arnsbergische Kelnerei eingereichtes Verzeichnis der Güter und Renten und anders, geschrieben von dem damaligen Gerichtsschreiber Rudolph Höning und von R. Rhamm unterschrieben und gesiegelt, angeführt "daraus zu ersehen, dass die drey articulirten Dörffer und Höfe, im Erz-Stift Cöllen umb Rüden her gelegen, in deren Bürgerschafft gehörig seyn, der Bürgerlichen Gerechtigkeit nit genießen, auch ihre Dienste nit Ihrer Churfürstl. Dlcht. zu Cöllen, sondern der Stadt Rüthen leisten, undt vom Gogericht undt darin gehörigen Dörfferen und Höfen allerdings separirt undt entscheiden seyn."

Ferner ein Schreiben des Drosten zu Rüden Philipp von Meschede von1588 an den Richter Niclas Rhamm, woraus hervorgeht, dass die drey Dörfer der Stadt Rüden district unterworfen und ihnen angehörig und die Wachten daselbst verrichten.

"Item des Drosten Philipp von Meschede an die von Rüden unterm Dato 1597 abgangenes schreiben, nebens des Hauptmanns seel. Casparen Wredens attestation unterm Dato 1600. Daraus zu ersehen, dass im Fall der Roth ein Richter zu Rüden des Gogerichts Eingesessene, aber ein Ehrbar Rath der Stadt Rüden ihre außwendige Bürgere aufffurderen undt gleich anderen ihren Bürgeren zur Folge gebrauche. Über das wird dieser articul vielfältig durch viele andere, cuch Churf. Schreiben, Schatz- undt Dienst, schott Registere item Kemnerey-Register, Bürgeraydt bewiesen, wie nit weniger durch die alte continuirliche possession justificirt, wie aus negstfolgendem Articulo zu ersehen."



3. ARTIKEL

POSSESSIO ÜBER MENSCHEN GEDENKEN IN MERO ET MIXTO IMPERIO ÜBER IHRE EIN- UNDT AUSWENDIGE BÜRGERE

" Zum dritten wahr, daß Bürgermeisterund Rath der Stadt Rüden über 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70 80, 90, 100 und mehr Jahren, dan sich aller lebendigen Menschen gedenken erstrecken mag, ja auch ehe die Stadt Rüden an das Ertz-Stift kommen, biß hierzu nit allein simplice jurisdioctionem, sondern auch außerhalb genannter Stadt in genannten drey Dörfern undt Höfen gesessene Mitbürger, jedoch hernacher articulirter Gestalt exercirt undt gebraucht, undt dessen als in ruhlichem Besitz vel quasi gewesen sey, wie noch infra deducta turbatione exclusa."

Dieser Artikel wird durch den vorigen bewiesen, so wie durch die Protokolle der Stadt Rüden in civilibus und criminalibus von 1655 und 1659 in puncto Magiae, wegen Mistischer und Knebelinghäusischer in die Stadt von den Dörfern per subsidium juris des Richters gefänglich gehalten und justficirter Zauberer.

Wie hiergegen der Richter Schellewaldt in Criminalibus und civilibus bei den auswärtigen Bürgern 1628.29 mit citiren, arrestiren, gefänglichen thätlichen Wegnehmen und Brüchten de facto gehandelt, solches beweisen spätere Artikel und wie dies Verfahren pro meris attentatis declarirt worden, zeigt die publicirte und beigefügte Sentenz.



4. ARTIKEL

ERB- UND STERB-FÄLLE

In diesem Artikel wird gesagt, daß der Bürgermeister und Rath in Erb- und Sterbefällen über die ein- und Ausgesessenen Bürger einzig und allein excluso judice Rüthensi, die Cognition, Decision und Execution seit Menschengedenken besitze und deshalb verschiedene actus posessorius geübt und gerichtliche Processes gehalten habe.



Probatio.

Geschieht durch Berufung auf die allgemein bekannte Ausübung und den ruhigen Besitz, auf Protocolle, Inventarien, Erbtheilungen, auf jedermännigliche Wissenschaft, ohne irgend einen Widerspruch und auf Landdrostliche Schreiben von 1425, 1546, 1600.

"Undt ist dieser articul consuetudini Westphälischer Städte gemeeß, angesehen die Städte insgemein in Erb- und Sterbfällen, die Cognition, Erörterung und Execution vor sich allein besitzlich hergebracht haben.

Additio.

Wenn bei Theilungen Streit über den Werth entsteht, so schätzet billigmäßig der Rath ab, wobei sich Jeder beruhigt. Wenn in Schuldsachen bei Executionen ein Pfand zu schätzen ist, so muß die Schätzung das Churfürstliche Gericht um die Gebühr allein verrichten. Uebrigens, wann die Pfändung wegen gemeiner Stadtsachen oder vom Kemner, oder wegen Kirchen, Geistlichen, Hospitals geschieht, davon bekommt der Richter nichts. (Vergl. Art. 9)



5. ARTIKEL

INJURIEN- UND GEWALTSACHEN

ZUM FÜNFTEN WAHR, DASS AUCH EIN EHRBAR RATH IN INJURIEN, SCHMÄHEN, GEWALT UND SCHLAGEREY, SO SICH IN- UND AUßERHALB DER STADT RÜDEN, IN DEREN DREY STADTSDÖRFFEREN UND HÖFEN, AUCH DEREN HOLZ- UND FELDTMARCKEN ZUTRAGEN, EINTZIG UND ALLEIN, SEMOTO JUDICE RUTHENSI, DIE COGNITION, ERÖRTERUNG UND JUDICATI EXECUTIONEM VON UNDENKLICHER ZEITH BESITZLICH HERBRACHT, UNDT DERENTWEGEN UNTERSCHIEDLICHE ACTUS POSSESSORIOS GEBRAUCHET, UNDT JUDICIALES PROCESSUS GEHALTEN HABE."

Justificatio articuli.

Berufung auf viele alte und neue Urfehden (Urpfeiden, alt urpaeda d. i. eidliches Versprechen sich nicht zu rächen), wodurch der Rath sich bewogen gefunden, die Leibestrafe in eine Geldstrafe zu verändern, oder sonst die Strafe nachzugeben. Namentlich werden Urfehden von 1573, 1587, 1590 angeführt, auch noch briefliche Protocolle, neue Beweißthümer, lebendige Zeugen und Kundschaften zum Beweis gezogen.



6. ARTIKEL

GEBOTT UND VERBOTT

"ZUM SECHSTEN WAHR, DAß AUCH EIN EHRBAR RATH ZU RÜDEN UNDT AUCH AUß IHREM MITTEL DER ALTER BÜRGERMEISTER, EXCLUSO JUDICE RUTHENSI, DAS GEBOTT UND VERBOTT, BEY DER EIN- UND AUßWENDIGEN BÜRGERSCHAFFT, ULTRA TEMPUS IMMEMORIALE BESITZLICH HERBARCHT, UNDT DIEßFALS UNTERSCHIEDLICHE ACTUS POSSESSORIOS GEÜBT HABE."

Verificatio Articuli.

Durch briefliche Urkunden, Zeugen und tägliche Uebung. Ein Schreiben namentlich des Richters Dr. May führt in der Bitte mit sich, daß Gebot und Ladung ein Rath in den Stadtdörfern durch ihren Diener verrichte.

Declaratio.

Wenn in irgend einer Sache von hoher Obrigkeit einem auswärtigen oder dem Richter eine Commission ertheilt wurde, so musste doch der Bürgermeister zur Vorladung durch den Stadtsdiener erst requirirt und dessen Gebot juris subsidialiter eingeholt werden. Ferner hat der Kemner bei der Schoßeinnahme die Macht, zu exequiren, festzusetzen und Gebot zu thun (d.i. vorzuladen), ohne Requisition des Bürgermeisters, wie auch die zeitigen Holzgrafen zu Zeiten der Mast von Alters hergebracht haben das Recht der Sitation, Auspfändung, des Arrestes durch ihre Holzdiener, besonders gegen die Colonen.



7. ARTIKEL

ARRESTA

"ZUM 7TEN WAHR, DASS AUCH DER RATH EINTZIG UND ALLEIN, EXCLUSO JUDICE RÜTHENSI WIEDER IHRE EIN- UND AUßWENDIGE BÜRGERSCHAFFT UNDT DERO GÜTHER UNDENKLICHE ZEITH HERO ARRESTA ERKANDT UNDT HINWIEDERUMB RELAXIRT, UNDT DIEßFALS UNDENCKLICHE ACTUS POSSESSORIOS EXERCIRT HABE."

Probatio Articuli.

Briefliche Urkunden (z.B. von 1527, worin Bischof Erich von Paderborn um Freilassung eines Arretirten bittet; von 1535, 1544, 1545, 1616) zeugen die bekannte Ausübung.



8. ARTIKEL

PFÄNDUNG. EXECUTION.

DAß DER RATH, MIT AUSSCHLIEßUNG DES RICHTERS, IMMER GEGEN DIE BÜRGER IN UND AUßER DER STADT DIE PFÄNDUNG UND EXERCUTION IN SOLIDUM GEHABT, DURCH DEN STADTSDIENER VERRICHTET UND DESFALLS VIELE ACTUS POSSESSORIOS GEÜBT HABE.

Probatio Articuli.

Als Beweis werden unter 19 Nummern verschiedene briefliche Urkunden und Urfehden angeführt. Wir nennen

  1. Eine Urfehde von 1516 laut derer ein wegen Widersetzlichkeit gegen Rathsbefehle verhaftetes Subject auf Fürbitte guter Leute losgelassen wird,
  2. Urfehde des Plumphotten zu Knebelinghausen von 1589, laut derer derselbe wegen Widersetzung gegen den Stadtdiener bei einer Pfändung festgesetzt und mit einer Geldstrafe belegt worden,
  3. Schreiben des Offizials zu Werl von 1601, dass der Rath den neuen Pastor zu Miste handhaben und alle Turbationen auch durch Gefangensetzung abschaffen solle,
  4. Drei Schreiben des Drosten, von der Hand des Richters Schellenwaldt, zu damaliger Zeit des Drosten Schreiber und Diener, von 1621 und 1623, worin der Rath als Obrigkeit der ausendigen Bürgerschaft zu Miste und Knebelinghausen um Execution ersucht wird,
  5. wider den Richter Schellewaldt, der sich wegen des Zehnten zu Knebelinghausen des Arrestes und Verbotes, wider alten Herkommen unterfangen, werden mehrere Schreiben des Gert v. Meschede von 1532, 1535, 1541, 1563 angeführt, worin zu dem Zwecke der Rath implorirt wird


Declaratio Articuli.

Auch der Kemner kann ohne Requisition des Bürgermeisters in Stadtkemnereisachen arrestiren, pfänden, exekutiren; dasselbe gilt von den Holzgrafen (Holzgreven) durch ihre Holzdiener während der Mastzeit.



9. ARTIKEL

CONCURRENS JURISDICTIO IN CAUSIS DEBITI ET CREDITI.

DAß DER RATH IN SCHULDSACHEN WIDER DIE IN- UND AUSWENDIGEN BÜRGER MIT DEM RICHTER ZU RÜDEN VON JE HER CONCURRENTE GERICHTSBARKEIT HABE UND ES DEM GLÄUBIGER FREISTEHE, VOR WELCHEM GERICHTE ER SEINE KLAGE ANSTELLEN WOLLE.

Declaratio Articuli.

Der Richter wird in Schuldsachen als ein Stadts-Richter, vermöge seines bürgerlichen Richtereides, (gerade wie in Soest, worauf Rüden sich fundirt), betrachtet, von dem als Untergericht von alters her die Appellationen an den Magistrat als Obergericht gehen. Der Richter muß sich bei Sitationen usw. des Raths- oder Stadtsdieners, keineswegs aber des Churfürstlichen Gerichtsfrohen bedienen. Von der Sitation bekommt weder der Richter, noch der Bürgermeister etwas, von gerichtlichen Decreten nur 4 Gr.
Von jeder Pfändung hat der Richter 3 Gr., der Bürgermeister 8 Gr., der Rathsdiener 4 Gr. Geschieht die Pfändung vom Richter, ohne den Bürgermeister, so bekommt ersterer 6, der Bürgermeister 6 Gr., der Diener 4-16. (Vergleich vom 23. Oct. 1667) Diese Concurrenz bezieht sich aber nicht auf Stadts-, Kirchen, Hospitals-, Vicarien- und andere Gemeindeschulden, Schatzungen und Constributionen.

Protestatio Churfürstl. Richters Berghs.

In einem den 25. Okt. 1655 von dem Churfürstl. Richter Dr. Anton Bergh zu Protocoll gegebenen Receß protestirt derselbe der Art:

Das Churfürstliche Gericht habe in Schuldsachen die unstreitbare Cognition in der Stadt und auf den Dörfern. Die Bürger der Stadt aber seien auf den bürgerlichen Willkühren (oder auf den Bürgersprachen) von dem Churfürstl. Gerichte abgeschreckt, den auswärtigen aber seie es indirect untersagt worden. Er müsse, seinem Eide getreu, die rechte des Churfürsten wahren. Richter und Magistrat möchten in guter Freundschaft sich bei ihren gegenseitigen rechten erhalten. Er wolle keine höhere Gebühren nehmen, als der Magistrat.

Auf die lange Protestation des Richters folgt eine viel längere

Resolutio Magistratus

Wenn die gemeinte Cognition privative sei, so könne der Magistrat solche dem Richter durchaus nicht zugestehen usw. Der Richter werde aber vielmehr als das concurrente Recht in Schuldsachen meinen. In dieser Hinsicht räumt der Rath die Concurrenz durchaus ein (unter den obigen Bestimmungen) usw.

Daß aber der alte Gebrauch bei Richter und Gericht jetzt nicht Statt finde, das seie dem Richter selbst zuzumessen. Der Richter Schellewaldt (Bergh's Antecessor) habe nämlich durch seine vielen der Stadt zugefügten Proceße, durch Beeinträchtigungen der Stadtsgerechtigkeit und durch sonstige ungebührliche Verhöhnung des Gerichts und Richtersrechte die Bürger immer mehr abgeschreckt, er habe sich audienz- und Sitationsgelder zahlen lassen, habe sich bei der Pfändung mit dem gewöhnlichen Satze nicht ersättigen können. Die Bürger seien also keineswegs auf der Bürgersprache abgeschreckt worden.

Der Rath bezieht sich auf das Statut des Rüdener Rechts, dass man keinen Bürger aus der Stadt laden solle (Art. Kein Legge usw.) usw.

Daß aber Herr Richter auf Landdrostliche und Churfürstliche Schreiben ohne Requisition des Raths durch den Gerichtsfrohn Bürger geladen und verhört habe, sei gegen die Stadtgerechtigkeit und gute Freundschaft. Dagegen protestiert der Magistrat zierlichst und bester Gestalt.

Da aber der Brauch in Schuldsachen die Richter selbst gesperret, so wird erinnert, dass der Richter auch den Stadts-Richterlichen Eid geschworen habe, und er die Stadtsgerechtigkeiten, so wenig als die Landesfürstlichen betrüben dürfe, oder "vernachtheiligen, sondern sich dabey also syncerlich ohne einigen Hinterhalt bezeigen, damit dessen von Herzen meinende undt anerbottene Freundschafft mit der Thadt übereinstimme, undt das alte teutsche Vertrauen nit scrupulirt werden möge, daran es unserseiths bey Erspührung solcher Sincerität nit ermangeln solle. Rüthen, 9. Nov. 1655."

Postscriptum folget des Gerichtsbewandten absonderliche Protestation.

Daß der Hr. Richter diejenige, so dem Churfürstl. Gericht anbewandt, aydtlich verpflichtet, ihres theuren aydts erindert, befinden sich solches unnöthig gewesen zu seyn, Inmaßen selbe ohne solche Erinderung ihrem theuren aydt nach zu leben wüsten, undt dahin trachten wan nun der Hr. Richter nach seiner Devoir das Churfürstl. Gericht consueto loco et tempore in antiqua forma hegen ließe, darinnen sie sich anitzo hochbeschwehrt und vernachtheiliget befinden, wollen dahero halben reciproce Hern Richteren seines aydts und Schuldigkeit hiermit erindert haben, mit Versicherung daß ihrer seiths nichts verfängliches oder nachtheiliges, sondern nur dasjenige, so ihrem aydt gemeeß und der heylsamen Justitz ähnlich, undt was von Alters üblich undt hergebracht, ohne jedes befahrender Präjudicirung suchen thädten.

Declaratio ulterior über Aestimirung des Pfandes.

Das Pfand wird in Schuldsachen, auf Befehl des Raths oder des Richters, durch den Rathsdiener geholt. Der Schuldner hat drei Tage Zeit, nach denen der Gläubiger das Pfand schätzen läßt. Ist kein Käufer da, oder wird die Taxe nicht erreicht, so muß der Gläubiger das Pfand annehmen, wie er auch, wenn er will, dem Käufer vorzuziehen ist. In Erbtheilungssachen, Holz- und Feldschaden hat der Magistrat allein die Schätzung.



10. ARTIKEL

IN- UND AUSWENDIGE OCULARES INSPECTIONES CUM AESTIMATIONE

DAß ALLE OCULARINSPECTIONEN IN RÜDEN, SO WIE AUCH WEGEN HOLZ- UND FELDSCHADEN UND ABPFLÜGUNG DER ÄCKER AUßERHALB DER STADT, ALLEIN DURCH DEN RATH (SEMOTO JUDICE RÜTHENSI) VON JEHER VERRICHTET, DER SCHADEN GESCHÄTZT UND ENTWEDER IN GÜTE ODER ZU RECHTE ENTSCHIEDEN WORDEN SIND.

Declaratio Articuli.

Oberservanzmäßig wird der Artikel täglich vom Magistrate ausgeübt, und rührt dieses Recht der Besichtigung und Schätzung von dem auf dem Rathause gehegten freien Stuhle her, deshalb auch die fallenden Brüchten allein dem Magistrate zukommen. - Folgen noch andere Declarirungen.



11. ARTIKEL

IMMISSIONES

DER RATH HAT VON JE HER IN DER STADT UND DEN DÖRFERN, HÖFEN UND FELDMARKEN DIE IMMISSION (IMMISSIO BONORUM IST DIE GERICHTLICHE EINSETZUNG IN DEN BESITZ EINES GRUNDSTÜCKES, EINER ERBSCHAFT USW.) GEHABT.

Declaratio Articuli.

Die Immissio ex primo decreto verrichtet allein der Magistrat, ohne den Richter, eben so ex primo et secundo decreto in der Stadt und auf den Dörfern und Höfen vorab in Erb- und Sterbefällen und in anderen Sachen. Die realis immissio aut ex secundo decreto außerhalb der Stadt in den Feldmarken aber der Richter und Magistrat concurrenter et cumulative.



12. ARTIKEL

MULCTA ET CARCER CONTRA INOBEDIENTES ET DELINQUENTES.

DER RATH HAT VON JEHER, OHNE ZUZIEHUNG DES RICHTERS DAS RECHT DIE BÜRGER IN UND AUßER DER STADT WEGEN UNGEHORSAM UND UEBELTHAT MIT GEFÄNGNIß UND GELDBUßE ZU STRAFEN.

Probatio

Durch Urpheiden, Protocolle und Zeugen.



13. ARTIKEL

BRÜCHTEN IN DER STADT

DER RATH HAT VON JEHER INNERHALB DER STADT DIE ERKENNTNIS, ANSCHLAG UND ERHEBUNG DER BRÜCHTEN OHNE DEN RICHTER.



14. ARTIKEL

BLUTHRUNST OBSCHÖN TÖDTLICH IN DER STADT

WEGEN BLUTHRUNST, WENN SIE AUCH TÖDTLICH IST, GEHÖRT DIE STRAFE DEM RATH, DIE WAFFE, WOMIT VERWUNDET WORDEN, NEBST 4 TZ. DEM RICHTER, VON JEHER.

Declaratio.

Dieser Artikel ist schon im Rüdener Recht Artikel 28 enthalten: (wäre dat also, dat ein den anderen bloihtwundede usw.). Der Richter Bergh wandte 1657 diesen Artikel auch auf eine zufällige, mit einem fremden Feuergewehr entstandene Verwundung zu Miste an, was aber der Magistrat als eine wunderseltsame Consequenz bestreitet. Wenn sich Kinder mit Waffen verwundet hätten, so hätte der Magistrat nicht gebrüchtet, noch der Richter die Waffe bekommen.

Probatio beider Artikel.

Durch Urfehden, Protocolle und Kemnerei-Register. Es folgen 13 Nummern. Unter den Urfehden, von Burgmännern und Beamten versiegelt, thuen einige die höchste Brüchte (Broicke) dar.



15. ARTIKEL

BRÜCHTE IM WALDE, PROCESSION, KIRCHWEYHUNG UND DÖRFFEREN

DAß ES ALSO MIT ALLEN EXCESSEN UND BLUTRUNSTEN, WELCHE JÄHRLICH IN DER GANZEN PROCESSION, WELCHE AUF PFINGSTDIENSTAG MIT DEM HEILIGEN KREUZ GEHALTEN WIRD, INGLEICHEN IN DEN DÖRFERN ALTEN-RÜDEN, MISTE UND KNEVELINGHAUSEN UND DEREN KIRCHWEIHUNG SICH ZUTRAGEN UND DERENTWEGEN FÄLLIGEN BRÜCHTEN, DEREN ERKENNTNIß, ANSCHLAG UND ERHEBUNG ALLEIN DER RATH, OHNE ZUZIEHUNG DES RICHTERS BESITZLICH HERGEBRACHT VON UNDENKLICHER ZEIT.

Declaratio.

Die jährliche Kirchweihung wird in dem Stadt-Kemnerey-Register auch genannt die "Tigge", welche jährlich zu Alten-Rüden auf den anderen Sonntag nach Galli als Raths-Churtag, zu Miste auf Pfingstmontag und zu Kneblinghausen auf Sonntag nach St. Viti gehalten wird, zu deren Respicirung und Befreiung des Platzes aufm Tigge werden zwei Tathsherrn sammt dem Rathsdiener und Holzknecht deputirt, welche den Ort Namens des Magistrats und Stadt Rüden Gerechtigkeit befreien, zu dessen Wahrzeichen an den nächst dem Tigge stehenden Baum das Rüdische Wappen mit dem kreuz und fünf Rauten ausgeschnitten und die Deputirte von gewissen Eingesessenen bevorab zu Miste und Kneblinghausen auf demselben Platze des Tigges mit der Kost gastirt werden; aber das Bier wird von der Stadt daselbst fallenden Accisen bezahlt und im Kemnerei-Register berechnet; was allda für Excesse Inhalts des Artikels fallen, selbige hat der Magistrat zu strafen, auch mögen die Deputirten die Thäter gefänglich allda in loco greifen und halten lassen.

Ferner alle Excesse, die sich auf der ganzen heiligen Tracht begeben, hat der Rath allein zu strafen und nimmt die Heiligentracht um Mitternacht aus Rüden ihren Anfang, weiter durch Alten-Rüden, Uelde, Anröchte, Höyinkhausen, über dem Aschenthal auf die Hafelhöven bis wieder zu Alten-Rüden zu, gegen vier Meilen Weges herum, woraus zu schließen, dass nicht allein die Excesse auf den Hafelhöven, sondern in der ganzen Procession, besonders im Distrikt Rüden, vom Magistrat gestraft werden.

Vorhin ritt einer von den Häuptern des Magistrats mit der Procession um, führte gute Aufsicht und half die Missbräuche und Unordnung mit abstellen, wozu der Magistrat von dem alten so lange gewesenen Pastor zu Alten-Rüden Johannes Reuschenius eingeladen wurde.

Obgleich 1655 oder 1656 diese Procession eingeschränkt und die Pilgerfahrt von Höynkhausen gerade über die Haar wieder auf Alten-Rüden zum Schluß eingerichtet wurde, so bleibt doch die Bestrafung usw. dem Rath.

Probatio Articuli.

Urpheiden z.B. 1519 von Conrad von Grafschaft, dass die Gewalt auf der heiligen Tracht von ihm sich zugetragen usw.



16. ARTIKEL

CHURFÜRSTLICHE BRÜCHTEN AUSWENDIG - ÜBRIGE AUSWENDIGE BRÜCHTEN DER STADT GEHÖRIG.

Obwohl wegen scharfer und tödtlicher Blutrunst, die sich in den drei Dörfern, Höfen und Marken außerhalb der Procession und Kirchweihung zuträgt, die Strafen und Brüchten dem Richter, an Statt Churfürst, gebührte, darüber die Cognition einem Rath vorbehalten, so ist demnach wahr,

DASS ALLE ÜBRIGEN BRÜCHTEN WEGEN ANDERER EXCESSEN, ERKENNTNIS, ANSCHLAG, ERHEBUNG VON JEHER DEM RATH ALLEIN GEHÖRT HABEN.

Declaratio.

Zur ersten Hälfte des Artikels wird bemerkt, daß gleichwohl der Magistrat die verübte Gewaltthat absonderlich bestraft, wie es auch in Brilon geschieht. Zur zweiten Hälfte: ist die Blutrunst nicht tödtlich, nur eine geringe, so bestraft dieselbe der Magistrat. - Obschon der Churfürstliche Brüchtmeister die tödlichen Blutrunsten strafet, so hat der Magistrat doch das Recht, erst darüber zu inquiriren und an den gehörigen Ort zu weisen, (was der Richter Berg 1657 sich gleichfalls unterstanden, ohne seinen Zweck zu erreichen).

Probatio Articuli.

Urfehden, Register, etc.


17. ARTIKEL

ANSCHLAG DER BRÜCHTEN, SO DER STADT GEHÖRIG.

ANSCHLAG ALLEIN DURCH DEN RATH, EINTREIBUNG DURCH DEN STADTSDIENER.



18. ARTIKEL

ANSCHLAG DER IHRO CHURFÜRSTLICHE DURCHLAUCHT ALS LANDESFÜRSTEN GEHÖRIGEN BRÜCHTEN

DAS ERKENNTNIS HAT DER RICHTER MIT ZUZIEHUNG DER GERICHTSSCHEFFEN; DER ANSCHLAG GESCHIEHT DURCH DEN BRÜCHTMEISTER.

Declaratio.

Diese Richterliche Erkenntniß trifft nur die Gogerichts-Untersassen, über die auswendigen Stadtsbürger hat sie der Rath.



19. ARTIKEL

MODUS COGNOSCENDI SUPER MULCTANDIS VIGORE POLIZEY-ORDNUNG.



20. ARTIKEL

UFM LANDTAGE GEKLAGTER EXCESSUS MULCTANDI DES CHURFÜRSTL. BRÜCHTMEISTERS.

Gegen den Brüchtmeister Johan Wulf 1612, 1614 ging Beschwerde von Ritterschaft und Städten. Er hatte ohne gerichtliche Inquisition Brüchten auferlegt und eingetrieben.



21. ARTIKEL

CHURFÜRSTL. DECLARATIO QUOAD MULCTANDUM ET EXEPENDUM MULCTATOS.

Ein NB. spricht über die Inquisition.

DIE MANDATA DER GEISTLICHEN ORDINÄREN OBRIGKEIT WERDEN VOM ORTSPFARRER DURCH DEN KÜSTER INJURIRT, DIE VON DER WELTLICHEN HOHEN OBRIGKEIT VOM MAGISTRAT DURCH DEN RATHSDIENER



22. ARTIKEL

EXECUTION ALLER BRÜCHTEN SOWOHL DER STADT, ALS DEM LANDESFÜRSTEN GEHÖRIG.

DIESELBE HAT ALLEIN DER RATH, SEMOTO JUDICE, BESITZLICH HERGEBRACHT.



23. ARTIKEL

MODUS EXEQUENDI CHURFÜRSTL. BRÜCHTEN AUF DEN STADTDÖRFERN.

DIE EXECUTION WIRD BEIM RATH NACHGESUCHT, DAS PFAND DURCH DEN STADTSDIENER DEM GERICHTSFROHN ABGELIEFERT.



24. ARTIKEL

PROBATIO PRIORIS ARTICULI.

ZEUGNIS DES GERICHTSFROHN ZU RÜTHEN CHRISTOPH BRINCKMANN.



25. ARTIKEL

CAPTURA INTRA MOENIA.

IN RÜDEN HAT IN CIVIL- UND CRIMINALSACHEN NUR DER RATH DEN ANGRIFF VON JEHER.



26. ARTIKEL

CAPTURA EXTRA MOENIA.

AUCH IN DEN STADTDÖRFERN, HÖFEN UND MARKEN HAT NUR DER RATH DEN ANGRIFF.

Declaratio beider Articulen.

Ad. 25. Die Gefangennehmung in der Stadt erstreckt sich um die Mauern bis an die in die Fuhrwege gesetzten Schling- und Hangbäume. Wennh Gogerichts-Gefangene vorläufig in ein Stadtsgefängniß gebracht werden sollen, so müssen diese am äußersten Schlingbaum bleiben, bis der Rath seine Einwilligung gibt. Dann übergibt der Gerichtsfrohn den Gefangenen an den Stadtsdiener usw.
Ad. 26. Die Stadt hatte vormals den Angriff und die Ueberfuhr. Der Angriff geschieht vom Rath; der Gefangene wird dem gerichtsfrohn zur Jurissubsidialischen Ueberfuhr und Wiederlieferung geliefert. Die Ueberfuhr geschieht von dem Frohnen und Stadtsdiener gemeinsam, die an den Schlingbäumen der Stadt wieder extradiren, wie es im 1655 und 1659 angestellten Untersuchungsprozeß gegen die Zauberei wegen der von Miste und Kneblinghausen gefänglich genommener, eingeholter, überführter und wiedergelieferter Zauber-Personen gehalten worden ist.
NB. Einen vor das gewöhnliche Gericht des Richters (so insgemein am Freitag unter der Rathausstube vom Richter und Gerichtsschöffen förmlich gehegt wird) citirten Gogerichts-Eingesessenen groben Verbrecher kann der Richter angeben und gegen ihn peinlich mit der Strafe verfahren lassen, so dass der Richter Kläger und der Magistrat Richter wird.

Probatio dieser beider Articulen.

Geschieht durch 18 briefliche Urkunden und Urfehden.



27. ARTIKEL

INQUISITO ITEM INDICIA AD TORTURAM.

DIE UNTERSUCHUNG FOR,IRT DER RATH; DIE ZUR TORTUR HINREICHENDEN VERDACHTSGRÜNDE WERDEN VON EINEM RECHTSVERSTÄNDIGEN ODER RICHTER UND SCHEFFEN BEURTHEILT. BEI OFFENBAREN VERBECHEN SCHREITET DER RATH STRACKS ZUR TORTUR.



28. ARTIKEL

TORTURA.

NACH PUBLICATION DES TORTURALDEKRETS HAT DER RATH ALLEIN (JUDICE RÜTHENSI SEMOTO) GEGEN DIE UEBELTHÄTER DIE PEINLICHE FRAGE VON JE HER GEHABT.

Probatio beider Articulen.

Geschieht durch viele briefliche Urklunden, Urfehden und Urgichten. Wir nennen:

  1. 7 Rathsscheffen ad Torturam adhibiti.
    • Protocoll des Senats von 1528, nach welchem allein die Raths-Personen, deren Namen darunter gesetzet, welche Freischeffen sind, ohne Zuziehung des Richters die peinliche Frage verrichtet haben.


  2. Inquisito et Tortura Senatus
    • erwiesen aus einer Urfehde von 1656


  3. 7 Ratsfreie Scheffen ad torturam adhibendi.
    • Protocoll von 1566, dass die gütliche Befragung von 7 Rathspersonen oder freien Scheffen geschehen. Tortura in Notoriis.
    • Protocoll von 1593, dass Johann Patt wegen notorischer Dieberei vom Rath gefänglich hingesetzt und durch den Schafrichter peinlich gefragt worden.


  4. Urgicht
    • Die Stadt Brilon begehrt von Rüden 1543 die Urgicht eines Gefangenen.
    • bittet 1581 Stadt Büern, Waldeckischer Landdrost 1601, Landdrost Caspar von Fürstenberg 1613 um Urgicht. Auch bittet der Droste von Rüden, Melchior von Meschede, 1620 den Rath wegen Langen die Indicia und Besagung aus dem Protocoll mitzutheilen. (Urgicht aber ist das Bekenntnis, besonders das Bekenntnis auf der Tortur; Gicht bedeutet dasselbe, beides von "gehan" = sagen, bekennen).

      Zum Beweise dienen ferner die protocolla criminalia von 1655, 1659 wegen abgehaltener peinlicher Procedur gegen einige zauberische, hingerichtete Personen von Miste und Knevelinghausen. Declaratio Artic. Über die manifesta Delicta.




29. ARTIKEL

SCIENTA SUPERIORUM.

Die Handlungen der Criminal-, so wie der Criminal- und Civil-Gerichtsbarkeit (actus possessorii jurisdictionis mixti et meri imperii, wie der Art. sagt) sind nicht heimliche, sondern öffentliche und notorische gewesen, wovon die Erzbischöfe, Landdrosten, Amtleute, Drosten, Richter gute Wissenschaft gehabt und die von Rüden darin haben ruhig verbleiben lassen.

Probatio Articuli

Kann durch viele Urkunden geschehen.



30. ARTIKEL

REQUISITIO DER KAYERSLICHEN FREIEN DES REICHS QUOAD TORTURAM.

ES WIRD ZUR TORTUR KEINE RATHSPERSON ODER DIENER, MIT AUSNAHME DES SCHARFRICHTERS ZUGELASSEN, ER SEI DENN VON CHURFÜRSTL. FREIGRAFEN EIN ECHT FREIER UND RECHT BEEIDETER KAISERLICHER FREISCHEFFE ANGEORDNET UND GEMACHT WORDEN.

Justificatio Articulari.

Daß der Stadt vom Erzbischof Walram 1346 in die S. Remigii verliehene Privileg, nach dem ein Freischeffe soll frei echt und recht geboren und keinem mit Leibeigenschaft unterworfen sein.

Ferner das Privileg des Erzbischofs Walram von 1345 feria 2da post omnium Sanctorum, dass kein Bürger an auswendig Freistuhlsgericht soll citirt oder berufen werden; deshalb der Magistrat dem Churfürstl. Oberfreigrafen nicht gestattet, die Bürger in seinen freien Stuhl zu ziehen. Vielmehr erscheint jährlich der gesammte Magistrat bei dem Gerichte, so der Freigraf außerhalb der Stadt auf der Borg zur Herbstzeit zu halten pflegt, ersucht denselben um Manutenirung der Stadtgerechtsame, widrigenfalls er (cum reservatione omnium beneficiorum juris et facti) protestirt, dem Freigrafen ein halb Viertel Wein (zu ½ Thlr.) ins Gericht zur Urkund zu verehren, mit der Bitte, das Ersuchen zu protocolliren und dem nachzukommen, womit insgemein resolutio pro manutenentia erhalten wird, worauf der Magistrat abtritt.

Dergleichen Act wird bei Haltung des Soest'schen Archidiaconal-Sendes vom Magistrat beim Offizial in den niedern Kirchen auch beobachtet.

31. ARTIKEL

INQUISITO ANTE ET POST CONFESSIONEM.

DER RATH ALLEIN HAT VOR UND NACH DER PEINLICHEN FRAGE UND DEM BEKENNTNIß WEITERE ERKUNDIGUNG ANZUSTELLEN, ETWA AN AUSWÄRTIGE OBRIGKEITEN REQUISITIONALSCHREIBEN ABGEHEN ZU LASSEN UND ABSCHRIFT DER URGICHT MITZUTHEILEN.



32. ARTIKEL

REQUISITIO JUDICIS UM EINEN PEINLICHEN GERICHTSTAG ZU ERNENNEN.

NACH DEM GESTÄNDNIS ODER DER UEBERFÜHRUNG DES UEBELTHÄTERS, THUT DER RATH BEIM RICHTER EINE AUSRICHTUNG, UM EINEN PEINLICHEN GERICHTSTAG ZU ERNENNEN UND ALSDANN NEBEN DEN GERICHTSSCHEFFEN DAS HALSGERICHT ZU BEKLEIDEN UND DIE JUSTIZ ZU ADMINISTRIREN.



33. ARTIKEL

PUBLICATIO ET PRONUNCTIATIO SENTENTIAE.

DER GEFANGENE WIRD DURCH DEN RATHSDIENER UND DIE STADTSBAURICHTER, OHNE DEN FROHN, AUS DER HAFT AN DIE GERICHTSSTATT GEFÜHRT. DER RICHTER UND SCHEFFEN SETZEN SICH AN GEWÖHNLICHER GERICHTSSTATT NIEDER. DANN ERSCHEINT DER RATH UND THUT DURCH SEINEN PROCURATOR DIE ANKLAGE, UND NACH VORGELESENER URGICHT UND BEKENNTNIß VERFAßT RICHTER UND SCHEFFEN DAS URTHEIL ENTWEDER SELBST, ODER AUF VORHER GEHALTENEN RATH DER RECHTSVERSTÄNDIGEN, UND PUBLICIRT.



34. ARTIKEL

PUBLICATIO ET PRONUNCTIATIO SENTENTIAE.

AUF DAS VOM HOLZGERICHT WIEDERHOLTE BEKENNTNISS HABEN ALLE FRÜHERN RICHTER IN RÜDEN DEFINITIVE ERKANNT UND DAS TODESURTHEIL AUSGESPROCHEN.



35. ARTIKEL

DR. MAJUS RICHTER, DR. CHRISTIAN KLEINSORGE, LTUS. JUSTUS AB HÖXTER, DR. HENR. SCHULTHEIß, CHURFÜRSTL. RATH UND ADVOCATUS FISCI UND IN ZAUBERSACHEN ANGEORDNETE COMMISSARI HABEN DIE URTHEILE VERFAßT UND ALSO DURCH DES RATHS VORGEHENDE PEINLICHE FRAGE BESTÄTIGT.

Ulterior Declaratio articulorum 32, 33, 34, 35.

Nachdem der Verbrecher eingeständig oder überführt, bittet der Rath den Richter um Ernennung des Gerichtstages. Dem Inhaftirten werden einige Tage vor der Hinrichtung zur Vorbereitung zum Tode bewilligt. Morgens, am Tage der Hinrichtung, geschieht vom Magistrat die letzte Generalrepitition mit dem Sünder, Ermahnung und Stärkung.

Dann wird das Gericht auf dem Markt der Rathaus-Stube gegenüber geheget, der Sünder durch Ratsdiener und Baurichter aus dem Gefängnis zur Gerichtsstatt geführt, bei dessen Ausgang mit der größten Glocke der obern Kirche geläutet wird. Der Magistrat erscheint mit dem Fiskalprokurator, letzterer verrichtet die Anklage.

Vorerst muss der Stadtdiener das Gericht und dessen Platz befreien auf die unten folgende Weise. Nun fragt der Richter den Uebelthäter, ob er gestehe, ob ihm kein Unrecht geschehe. Gesteht derselbe, so stehet der Richter mit den 7 Scheffen und Gerichtsschreiber auf, geht in die Gerichtsstube, wo das Endurtheil abgefasst und nach der Rückkunft publicirt wird.

Darauf zerbricht der Richter den Stock, und dem Scharfrichter wird die Execution befohlen. Der Bürgermeister deputirt Einige, um den Platz weiter zu befreien und alle Unordnung zu verhüten, namentlich das Ueberschreiten des mit Pfählen und Leinen abgezirkelten Platzes. Man pflegt auch dem Verbrecher ein halbes Maaß Wein zum letzten Trunk zu schenken und mit ihm zwischen der Hachtorpforte still zu halten, selbe zu verschließen, um zu vernehmen, ob der Sünder dem Geistlichen noch etwas zu beichten habe usw.

Wenn aber der Verbrecher läugnet oder widerruft, so wird er vom Stadtsdiener und den Baurichtern wieder ins Gefängnis gebracht und mit ihm ferner vom Magistrat procedirt.

Formula vor den Rathsdiener und seinen Verhalt und Spruch im Gericht."

  • Der Herr Richter fragt den Rathsdiener:
    "ob es heuth Tag und Zeyth sey, dass man dieß Peinliche Halßgericht hegen und bekleyden möge."
  • Antworth des Rathsdiener:
    "Ja, Herr Richter, dieweil Euch undt dem Gericht dieß heimlich Halßgericht anbefohlen ist, also ist es heuth Tag und Zeith, dass Ihr es hegen und bekleyden möget."
  • Der Herr Richter spricht ferner zu ihme:
    "Er solle das Gericht hegen, undt der Richter fordert die Vota von den Gerichtsherrn, ob das Gericht inhalts Carolinischer Constitution versehen und bekleydet sey."
  • Hierauf heget der Diener das Gericht benentlichen:
    "Ich hege dieß heimlich Halßgericht zum Ersten, zum Andern und zum dritten Mahl, gebiethe Recht und verbiethe einem jedwederen Kiff, Streith und Scheltworther, undt dass Keimandt einen in des anderen Echt greiffe, und diesem heimlichen Halßgericht entweiche. Er thue es dan mit gebührlichem Rechte. Es trette hervor Kläger und Beklagter. Meister Asmus Scharfrichter trettet hervor."

Probatio obiger 4 Articulen.

Folgen Urtheile wider verschiedene Weibspersonen, das letzte von Schellewaldt von 1628.



36. ARTIKEL

CARNIFEX.

DIE STADT UNTERHÄLT IHREN EIGENEN, MIT HAUS, HOF UND FREIHEITEN VERSEHENEN SCHARFRICHTER VON JEHER.

Justificatio Articuli.

Die Wohnung des Scharfrichters ist in der Oestern Baurschaft an der Mauer, an das Hauptgefängnis stoßend, dass er dasselbe mit bewache und reinige. Zu seinem bessern Auskommen ist er auch mit dem Scharfrichterdienst und Wafenmeistersamt für das Gogericht Rüden vom Landdrosten bestallt.

Extrahirte Conditionen des Stadtscharfrichters Nottul, worauf Meister Asmus 1638, 20. März installirt worden:

  1. Der Scharfrichter soll jährlich dem Magistrate 1 Thlr. Jedem Bürgermeister, jedem Kemner und dem Secretär ein paar Handschuhe entrichten.
  2. Der Stadt jährlich 8 Pfd. Gute Haare.
  3. Erhält für Abdecken für ein Pferd o.s. usw. Ausgeschlossen sind die Juden, durchfahrende Leute und die Einwohner, so keine Bürger sind usw.
  4. Erhält von jedem gepeinigten oder abgethaenen Missetäter von der Stadt einen Goldgulden. 1659 hat er für die Misteschen und Kneblinghäuser Heren 2 Goldgulden erhalten wegen eines von Mersberg (Eversberg) adhibirten Scharfrichters, absque consequentia.
  5. Soll sich mit keinem Bürger in Zank einlassen.
  6. Soll die Wohnung in Stand halten.
  7. Seine Erben dürfen nur ihr Eigenthum und fahrende Habe mitnehmen,


37. ARTIKEL

CARCERES

DIE STADT HAT IHRE EIGENE GEFÄNGNIß, STADTSTHURM, PRANGER, STOCK UND HALSEIFEN AUF IHRE EIGNEN KOSTEN.



38. ARTIKEL

GOGERICHTSGEFANGENE

DIE GERICHTSGEFANGENE DÜRFEN NICHT IN DIE STADTSGEFÄNGNISSE, SONDERN NUR, MIT ERLAUBNIS DES BÜRGERMEISTERS, IN DIE PFORTE ODER PFORTHÄUSER GEGEN EINEN SCHLIEßGULDEN FÜR DEN STADTSDIENER GEBRACHT WERDEN, UND, NACH BEWACHUNG EINE NACHT HINDURCH DURCH DIE GOGERICHTSLEUTE, NACH ARNSBERG GESCHICKT WERDEN.

Declaratio.

Der Stadtsdiener nimmt die Gefangene an den Schlingbäumen in Empfang und liefert sie dort wieder ab an den Frohn. In der

Probatio Articuli

Kommt vor, dass der Richter Berg, als er vom Magistrat keine Thürme erhalten, zu Menzel bei der Kapelle neue Gefängnisse für das Gogericht habe bauen lassen.



39. ARTIKEL

GALGEN, RAEDER

DIE STADT HAT AUF EIGENE KOSTEN AN ZWEI VERSCHIEDENEN OERTERN IHRE GALGEN, RÄDER UND PÖSTE.

Justificatio.

Für die Delinquenten, die Bürger sind, wird die Justiz in Milde, näher bei der Stadt, aber so keine Bürger sind, an der Schnelle auf der Haar gegen Miste an den Galgen und Rädern executirt.

1655 wurde ein auswärtiger Pfahlbürger, Namens Hermann Meywormb, als ein Töggen-Dieb und Zauberer in Milde justicirt. Zuförderst wurde an Platz des alten Galgens ein neuer dreieckiger Galgen auf Stadtskosten 1654 erbaut, zu dessen Aufrichtung sämmtliche Leineweber citirt, und, wie sie sich dessen etwa theils geweigert, compellirt wurden, worauf sie auch sämmtlich nebst den Zimmerleuten und dem regierenden Bürgermeister Conrad Röingh zu mehrer Beförderung der Justiz am Richtplatz unterschienen undt bei der Leineweber spürender Kleinmüthigkeit zu Benehmung ihres vermeinten unehrbaren Scrupels, der Justiz zur Steuer, als Caput den ersten Angriff im Aufrichten gethan, womit dies Werk also viel consumirt worden.



40. ARTIKEL

BESICHTIGUNG DER TODTEN KÖRPER

DER RATH HAT NEBEN UND MIT DEM RICHTER AUF DEN STADTDÖRFERN, HÖFEN UND FELDMARK DIE TODTEN KÖRPER ZU BESICHTIGEN.

Declaratio.

Die neuere Gewohnheit bringt es mit sich, dass auch innerhalb der Stadt die Besichtigung der todten Körper gemeinsam ist.



41. ARTIKEL

INQUISITIO ET COGNITIO IN DIESEM FALL IN SCHLÄGEREI UND BLUTRUNSTSACHEN.

HAT DER RATH VON UNDENKLICHER ZEIT BESITZLICH HERGEBRACHT.



42. ARTIKEL

REMISSIO POENAE ET GRATIA.

DER RATH HAT ALLEIN DAS RECHT DIE STRAFE WEGEN MISSETHATEN, GEGEN GETHANE URFEHDE, NACHZULASSEN.

Probatio et Instificatio hujus Articuli.

Diese geschieht durch 12 Urfehden. Aus Nr. 4 folgt, dass die von Rüden auf Fürbitte des Churfürsten 1448 einem Verbrecher das Leib geschenkt haben, und aus Nr. 9, dass 1565 ein Gleiches auf Fürbitte des Richters und etlicher Junker geschah. 1660 wurde die Wittwe des Zauber-Lasters und Diebstahls wegen hingerichtetem H. K. genannt B., die auch wegen Diebstahls verurtheilt war, begnädigt. Sie musste wegen ausgestandenen Prangers (der in Rüthen Kock hieß, welches ein germanischer, noch im Schweden vorkommender, Ausdruck ist) Bestrafung und Verweisung Urfehde schwören.

Ehebruchs-Strafe.

Die Stadt hat von Altersher den Ehebruch sowohl mit körperlicher, als mit Geldstrafe belegt. Als solches vom churfürstlichen Siegeler nicht gestattet wurde, weil solche Bestrafung nur Geistlichen competire, hat der Rath dagegen seine fundamenta genommen.



43. ARTIKEL

DER DÖRFDER SCHATZUNGEN, CONTRIBUTIONEN UND DIENSTE ZU DER STADT GEHÖRIG.

DIE EINGESESSENEN DER STADTSDÖRFER UND HÖFE, ALS BÜRGER DER STADT, TRAGEN AUCH ALLE LASTEN DER STADT MIT.



44. ARTIKEL

SIE LEISTEN IHRE DIENSTE DER STADT ALLEIN, ENTRICHTEN DERSELBEN, UND NICHT DEM RICHTER DIE GEWÖHNLICHE UND AUßERORDENTLICHE SCHATZUNG UND LANDSTEUERN, UND SIND IM ANSCHLAG DER STADT RÜDEN MIT BEGRIFFEN.

Justificatiko et declaratio beeder Artic.

Die Dörfer und Höfe haben immer der Stadt ihre ordinäre und extraordinäre Stadts- und Landschatzung, Hand- und Wagen-Dienste und Fuhren geleistet; die Verbrecher und Ungehorsamen wurden bestraft.

Die Stadtsdörfer und Höfe, durch boshafte Leute verführt, opponirten 1657 wegen Schatzung und Dienstleistung, besonders wegen Mitbezahlung der Schulden und klagten bei Landdrost und Räthen. Die Stadt ließ gegen ihre auswendigen Pfahlbürger durch Deputirte remonstriren in Betreff der Schatzung, Mitschuldenzahlung und andrer Lastabtragungen. Die in- und auswärtigen Bürger haben gleichmäßig einen Bürgereid zur Förderung des Stadtwohles geschworen, haben deren commoda, Hude, Weide, Bau- und Brennholz, Mastung genossen, also auch die Lasten zu tragen.

Die Einwendigen haben aber vor den Auswendigen bei Zeiten des langwierigen Schwedischen Hessischen Kriegswesens mehrentheils die Last getragen und große Schulden contrahirt, die wegen des gegenseitig geleisteten Eides nicht von einander geschieden werden können.

Daß die Auswärtigen nicht mit tragen wollen, ist gegen das alte herkommen. Ritterschaft und Städte repräsentieren allein statum patriae und das platte Land ist zu Land- und Conventionstagen und Abschieden, Bewilligung und Berechnung der Landschatzungen (obgleich sie das meiste dazu hergeben müssen) nicht beschrieben, noch deren Einwilligung eingeholt, also auch von Alters her der Gebrauch mit der Stadt und deren Pfahlbürger stets observirt worden. Niemals sind Pfahlbürger zu Rathsherrn erwählt, noch zu der jährlichen gemeinen Bürgersprache oder Stadts- und Gemeinheitsberathungen, Schott- und Schatzrevisionen, Anschlägen und dergl. zugezogen und zugelassen worden, sondern von Raths- und Gemeinhheits-Depurtirten, einwendig nach uralter Gewohnheit, und sonsten zu Einfolge des 1581 bei der einwendiger Bürger Unruhe aufgerichteten Rezesses, und nach andern Documenten verrichtet worden, wobei es denn auch durch den Bescheid von Landdrost und Räthen 1657 belassen worden.

Von je her haben die Dörfer und Höfe der Stadt allerhand Wagen-, Pferde- und Hand-Dienste in gemeinen Stadtsgebäuden, Jagd- und anderen Sachen geleistet. Der Landdrost Freiherr von Landsberg wusste noch von seinem Vater, dass die Herrn von Rüden, wann sie in ihren Kutschen nach Arnsberg zu den Land- und Conventions-Tagen zogen, vorher zu den Pfahlbürgern schickten und aus deren Ställen Pferde von einerlei Haar (grau, braun oder schwarz) sich holen ließen, was von Keinem widersprochen wurde.

Die Dienste werden unterschieden in determinirte und undeterminirte, angesehen jährlich bei Abgang des Raths an Holz auf Ankündigung des Rüdermarkischen (zu Altenrüden und Öhlinghausen) und des Mistermarkischen (zu Miste, Knebelinghausen, Aschenthal, Etinghausen) Holzknechtes abgeliefert wurden, wie folgt: (folgt die Specification, wie viel Fuder Holz der Bürgermeister zur Rathsküche, der Secretär, der Rathsdiener, der Stadtsbote, der Wagemeister, der Stadtsspielmann, die Stadtschule erhielt.)

Die Kötter und Halbspänner geben jährliches Dienstgeld an den Kemner. Die Kötter müssen das Küchenholz zum Rathaus hauen, welches die Spanndienste dorthin fahren. Die Reit- und Kutschenfahrens-Dienste verrichten Miste, Kneblinghausen, Aschenthal und Ettinghausen, hingegen die Weinfuhren Altenrüden. Die Kemnerei gab dagegen etwas an Bier, Kleinroggen und Hafer.

Die Bedürfnisse der Stadt an Fuhren, zu den Stadtmauern, Rathaus, Gebäuden, Mühlen, Brücken, Kalköfen wurden nach der Ordnung in den Dörfern vom Holzknecht angesagt und abgesagt. Der Kemner entrichtete Brod und Bier. Gewisse Halbspänner in Alten-Rüden und Knebelinghausen müssen die Wildgarne auf die Jagdstellungen fahren. Sie erhalten Bier und Brod.

Die Kötter werden nach Belieben vom Magistrate zu der Jagds-, Stell- und Wehrung und Flanke aufgeboten. Kein auswendiger Bürger bekommt von dem gefangenen Wildpret, sondern es wird allein unter die gegenwärtigen innern Bürger vertheilt.

Über das Fahren der Hörden bei den holzgräflichen Rechten. Als fernere Beweisführung folgt bei Röingh ein Auszug aus dem Kemnerei-Register über die Dienste der auswärtigen Bürger und die Bestrafung der Ungehorsamen. Daraus geht hervor, dass sie requirirt wurden zu steinernen Brücken, Schule, Rondeel, Aufrichtung der Galgen bei der Schnelle (1596), Siechenhaus (1602), Markt, Kohlen, Rathaus, Kalksteinen, Mauern, geistlicher Personen Ueberfuhr, Steinwegen in der Stadt. - 1595 wurden die Mistischen wegen Ungehorsams stark bestraft, ebenso 1603 die von Miste und Knevelinghausen Mannweise (viritim) wegen Aufwiegelung, 1622 der Schulte in Aschenthal wegen verweigerten Pferdes und der von Etinghausen wegen eines schlimmen Pferdes.



45. ARTIKEL

MITBEWACHUNG DER STADT.

DIE AUSWENDIGEN BÜRGER SIND ZUR BESETZUNG DER MAUERN UND ZU WACHEN BEI KRIEGSZEITEN VERPFLICHTET.



46. ARTIKEL

CHURFÜRSTLICHE DARZU UFFM LANDTAGE BESTEHENDE ANWEISUNG.

DIER NÄCHSTEN LANDSASSEN SOLLEN DIE STADT, WELCHE EINEM FEINDLICHEN UEBERFALLE AUSGESETZT IST, SCHÜTZEN HELFEN.



47. ARTIKEL

DER RATH HAT IMMER DIE AUSWENDIGEN RÜDENER BÜRGER ZUR STADTVERTHEIDIGUNG AUFGEFORDERT, BIS AUF TURBATION DIESES RECHTES.

Declaratio der drey Articulen.

Die auswendigen Bürger sind um so mehr zur Mitvertheidigung der Stadt verpflichtet, als sie mit den inwendigen in einem Eide stehen und in Zeiten der Noth ihre Zuflucht in die Stadt haben mit Weib, Kindern, Biesteren und Mobilien. Das kann man auch den Gogerichts-Leuten nicht verweigern, da sich deren Erb- und Sterbefälle auf der Stadt Gerechtigkeiten gründet, da sie ihre eignen Kornspeicher und Söller für die Zeit der Noth dort erblich besitzen.

Als die Gogerichts-Eingesessenen bei den Schwedischen-Hessischen Kriegspressuren ihre Dörfer und Äcker in der Öde verlassen, sind sie mit den Ihrigen zu Rüden aufs Gogericht mit quotifirt und taxirt worden, ohne bei dem ruinirten Status einen Ersatz zu empfangen. Nur allein, als 1633, den 25. Februar auf Charfreitag sich das feindliche Hanauische Regiment zu Fuß, nachdem die aus dem Gogericht Rüden und den Stadtsdörfern mit ihren Mobilien, und sonstige Eingesessene sich geflüchtet, mit Androhung der Abbrennung der allernächst gelegenen Gogerichts- und Stadtsdörfer vor die Stadt gesetzt und männliche Gegenwehr an ein- und auswendigen Bürgern und gogerichts Leuten gefunden, hat die Stadt 500 Rth. Nach einem Vertrag und Vorbauung des bevorstehenden, angedrohten Unglücks gelobt, erlegt und die darin von außen geflüchteten Güter an Bestialien und sonsten mitquotifirt.



48. ARTIKEL

DIE CHURFÜRSTEN UND DEREN BEAMTEN HABEN SEIT MENSCHENGEENKEN DIE STADT RÜDEN BEI ALLEM ARTICULIRTEN BESITZ UND RECHT (POSSESSIO SIMPLICIS JURISDICTIONIS ITEMQUE MIXTI ET MERI IMPERII) UND ANDERN GERECHTIGKEITEN BELASSEN UND NICHT IM GERINGSTEN BEHINDERT.



49. ARTIKEL

IN DER WESTPHÄLISCHEN (HOCHBEDAUERTEN!) ERBLANDSVEREINIGUNG WERDEN DIE STÄDTE BEI IHREN RECHTEN, HERRLICHKEITEN, GERICHTEN, GUTEN GEWOHNHEITEN, FREIHEITEN UND PRIVILEGIEN BELASSEN.



50. ARTIKEL

DARUM HAT ES DEM RICHTER UMSO WENIGER GEBÜHRT, DER STADTSGERECHTIGKEIT EINIGE VERHINDERUNG UND MOLESTATION ZU ZUFÜGEN.



51. ARTIKEL

ALLEGATA TURBATIO IN GENERE.

DENNOCH HAT DER RICHTER UND BRÜCHTENMEISTER DAS HERKOMMEN DER STADT THÄTLICH TURBIRT UND BEHINDERT.



52. ARTIKEL

CONTINUATIO.

ZUR WEITEREN AUSFÜHRUNG: IM VORIGEN JAHRE HATTE DER MAGISTRAT DIE KUSESCHE REGINA UND IHRE DREIZEHNJÄHRIGE ENKELIN WEGEN ZAUBEREI HINGESETZT UND WAR AUF DES RICHTERS DECRET ZUR PEINLICHEN FRAGE GESCHRITTEN.



53. ARTIKEL

ÜBER DIE GLEICH DARAUF INCARCERIRTE ZAUBERIN MANGELSCHE UND DIE DEM RICHTER ZUM BESCHEID VORGELEGTEN INDICIA AD TORTURAM.



54. ARTIKEL

JUDIS DENEGATA JUSTITIA

ÜBER DIE EINGESTÄNDIGE KUSESCHE REGINA DAS PEINLICHE HALSGERICHT ZU HALTEN, UND WEGEN DER MANGELSCHEN BESCHEID ZU GEBEN, IST DER RICHTER VOM RATH UNTERSCHIEDLICH ANGEHALTEN WORDEN.



55. ARTIKEL

JUDIS DENEGATA JUSTITIA

BEIDES HAT RICHTER VERWEIGERT, WEIL DEM RATHE, OHNE DEN RICHTER (IPSO SEMOTO) DIE INQUISITION NICHT GEBÜHRE, AUCH NICHT DIE PEINLICHE FRAGE. DER ADVOCATUS FISCI, DR. SCHULTHEIß HABE ES IHM AUCH VERBOTEN, DER EIN SONDERLICHER MITDIRECTOR DER TURBATION IST.



56. ARTIKEL

WEGEN DER VERWEIGERTEN JUSTIZ DER BEIDEN WEIBER UND DES MÄDCHENS VOM MAI DES VERFLOSSENEN JAHRES SIND DURCH DIE LANGE HAFT DER STADT VIELE KOSTEN ENTSTANDEN, DAS JUSTIZWESEN IN ZAUBERSACHEN REMOVIRT, UND WEGEN DER STRAFLOSIGKEIT ANDERN, SELBST DEN KINDERN AUF DER GASSE ZU DIESEM HOCHSTRAFBAREN, VERFLUCHTEN, TEUFLISCHEN LASTER, DIEBSTAHL UND ANDERN ÜBELTHATEN EIN HOCHÄRGERLICHES EXEMPEL UND ANLAß GEGEBEN WORDEN.



57. ARTIKEL

DER RICHTER UND BRÜCHTENMEISTER HABEN SICH NICHT GESCHEUT, ANZUGEBEN, DAß ALLE RICHTERLICHEN HANDLUNGEN DES RATHS NICHT FÜR ACTUS POSSESSORI, SONDERN FÜR VERLETZUNG LANDESFÜRSTLICHER HOHEIT UND GERICHTSBARKEIT ZU ERACHTEN UND ZU BESTRAFEN SEI, UND NEBST DEM FISKALANWALT ZU BEITREIBUNG DER STRAFE ZU VERFAHREN.



58. ARTIKEL

DIE STADT IST ALSO IN IHREM HERKÖMMLICHEN RECHTEN GESTÖRT UND VERHINDERT WORDEN.



59. ARTIKEL

DER RICHTER HAT EINEN THEIL DES KNEBELINGHAUSER ZEHNTENS, DEN DER KEMNER JOH. HOENE VON DEN WOLMERINGHAUSEN ZU PFANDE HATTE, IN NICHTIGEN ARREST UND ZUSCHLAG GELEGT, WAS DEM RATH ALLEIN ZUGESTANDEN.



60. ARTIKEL

DANN HAT DER RICHTER DIE AUFHEBER DES KNEBELINGHAUSER ZEHNTENS PFÄNDEN LASEN, OHNE CONSENS DES RATHES UND OHNE RICHTERLICHE ERKENNTNIS.



61. ARTIKEL

ÜBER DES RICHTERS SCHELLEWALDS FERNERE GEWALTSAME PFÄNDUNG DES ZEHNTERHEBERS IN KNEBELINGHAUSEN.



62. ARTIKEL

EBENFALLS ÜBER UNGEFUGTE GEWALTSAME PFÄNDUNG RÜDISCHER BÜRGER IN KNEBLINGHAUSEN VON SEITEN DES RICHTERS DURCH DIE FROHN- UND PFANDBOTEN.



63. ARTIKEL

ÜBER GEWALTSAME GEFÄNGLICHE ABHOLUNG EINES RÜDISCHEN BÜRGERS IN MISTE UND EINER FRAU DURCH DEN GERICHTSFROHN VON SEITEN DES RICHTERS UND DIE DEM BAURRICHTER ZU MISTE BEFOHLENE BEWACHUNG DES GEFANGENEN DURCH ZWEI KÖTTER.



64. ARTIKEL

AM 5. NOVEMBER DES VERFLOSSENEN JAHRES, ALS STÄDTISCHE KRIEGSLEUTE, DARUNTER EIN RENGRAF, IN STARKER ANZAHL IN ANRÖCHTE EINGEFALLEN, HAT DER RICHTER ZU ALTEN-RÜDEN LÄUTEN LASSEN, GLEICHES IN MISTE BEFOHLEN UND DEN EINGESESSENEN DER STADTDÖRFER BEI 50 GOLDGULDEN STRAFEN BEFOHLEN, SICH DEN GOGERICHTSLEUTEN ANZUSCHLIEßEN UND DEM STÄDTISCHEN KRIEGSVOLK EINHALT ZU THUN, WIDER ALLES RECHT DER STADT.



65. ARTIKEL

OHNE HÜLFE DER RITTERSCHAFT UND STÄDTE IST DAS LANDVOLK GAR NICHT VERPFLICHTET, BEI KRIEGSGEFAHR, EINFALL UND PLÜNDERUNG, DEM FEINDE WIDESTAND ZU LEISTEN UND IHR LEBEN IN DIE SCHANZE ZU SETZEN.



66. ARTIKEL

VIELMEHR MÜSSEN RITTERSCHAFT, STÄDTE UND LANDVOLK GEMEINSAM DAS VATERLAND VERTHEIDIGEN.



67. ARTIKEL

SOLCHE IST AUF DEN LANDTAGEN BESCHLOSSEN UND VOM CHURFÜRSTEN BESTÄTIGT WORDEN.



68. ARTIKEL

DIESE SOGENANNTE QUARTAL-ORDNUNGEN SIND NOCH 1615 AUF DEM LANDTAGE ZU ARNSBERG WIEDERHOLT.



69. ARTIKEL

ALSO KANN DER RICHTER DEN MITBÜRGERN DER STADT RÜDEN, DIE ZUR BEWACHUNG DER STADT GEBRAUCHT WERDEN, NICHT DERARTIGE BEFEHLE GEBEN.



70. ARTIKEL

FERNERES ATTENTAT DES RICHTERS WEGEN EINHOLUNG UND GEFANGENSETZUNG EINES BÜRGERS VON MISTE NACH MENZEL IN DAS ZU BEHUF DER ZAUBEREI GEBAUTE GEFÄNGNIß UND WEGEN BEWACHUNG DESSELBEN AN DEN BAURRICHTER ZU MISTE ERLASSENEN BEFEHLES AM 9. NOVEMBER.



71. ARTIKEL

ATTENTAT DES RICHTERS ZU ALTEN-RÜDEN MIT GEFÄNGLICHER WEGTFÜHRUNG EINES BÜRGERS NACH MENZEL UND DABEI AUSGESTOßENEN HARTEN DROHWORTEN GEGEN DIE ANDERN BÜRGER.



72. ARTIKEL

"ZUM ZWEI UND SIEBENZIGSTEN WAHR, DAß DURCH DIEß ALLES ANWALTS PRINZIPALE AN OBARTICULIRTER IHRER WOLLHERBRACHTER RECHTMÄßIGER POSSESSION VEL QUASI JURISDICTIONIS MIXTI ET MERI IMPERII UNDT ANDERER GERECHTIGKEITH VON OPPONENTEN MERCKLICH TURBIRT UND VERHINDERT, UNDT DAHERO WIEDER DIESELBE ANGEREGTE POENAL MAHNUNG, GEBOTT- UND VERBOTT-BRIEFFE BILLIG VON EW. WOHLEHRW. AUßBRACHT SEYN WORDEN."

"DIESEM ALLEM NACH BITTET ALDT IM RAHMEN, WIE OBEN, IN RECHT ZU ERKENNEN UND AUßZUSPRECHEN, DAß ANGEREGTER POENAL MAHNUNGS- GEBOTTS- UND VERBOTTS-BRIEFF WIEDER OPPONENTEN RECHTMÄßIG AUßBRACHT UNDT SEINE KRAFFT UNDT WIRCKUNG ERREICHEN MÜßE, DEROWEGEN GEM. OPPONENTEN ZU RECHT NIT GEZIEMET NOCH GEBÜHRT HABE, AUCH ALLNOCH NICHT GEBÜHRE, ALDTS PPALEN AN IHRER WOLLHERBRACHTER, RECHTMÄßIGER POSSESSION ... ZU TURBIREN ... UND DEROWEGEN SCHULDIG SEYN ... SICH ALLER TURBATION ... ZU ENTHALTEN UNDT DERENTWEGEN CAUTIONEM DE NON ULTERIUS MOLESTANDO ZU PRÄSTIEREN ... USW. USW."

Dann folgt in dem Manuscript noch eine Annexa illatio juridica und dann endlich der Tenor des am churfürstl. Official-Gericht zu Cöln 1637 den 10. Juli für die Stadt Rüden gegen obgem. Richter und opponenten ergangenen publicirten und ex actis extrahirten Endurtheils. Es heißt darin:

DD. Impetrantes in meri et mixti imperii, nec non aliorum articulatorum Iurium possessione contra turbantes et opponentes D. Iudicem et Fiscalem fore et esse manutendendos, attentata in contrarium revocanda, pignora restituenda, prout per hanc sententiam nostrum decernimus, declaramus, manutenemus, tentiam nostrum decernimus, mandamus, opponents in expensas moderamine salvo condemnantes usw.

Obgleich appellirt wurde, so erging doch die Sentenz in rem judicatam, und ist der Rath nicht ferner in seinen Rechten turbirt worden.



(§.151.)

Der mitgeteilte Prozess gibt uns ein merkwürdiges Beispiel des, während der trüben Zeit des dreißigjährigen Kriegs, angeregten Kampfes zwischen landeshoheitlichen Behörden und den städtischen Gemeinden, in welchem später letztere sämtlich unterlagen. In Rüden sah man diesen Kampf natürlich als eine Lebensfrage an und außer dem durch die harten Kriegsdrangsale veranlassten Sinken der Stadt, war es besonders dieser Kampf, der den biedern Röingh antrieb, seiner Vaterstadt zu Liebe die innere Geschichte Rüdens der Nachwelt zu überliefern.

Er sagt in der Vorrede, dass, da die Gerechtigkeiten aut non aut male utendo nach den Rechten verloren gehen, und oftmals die Städte von hoher landesfürstlicher Obrigkeit deren beraubt würden, so sei es nötig, dahin zu sehen, damit zur Beraubung und zum Verlust kein Anlass gegeben werde; Wachsamkeit und besonders Einigkeit zwischen Stadthäuptern und Gliedern seien vor Allem Not.

Bei dargebotener Gelegenheit kommt er jedes Mal auf die Eingriffe des Richters Schellewaldts und das mit ihm getane Jurisdiction-Rechtliche Gefecht zurück, dessen er eben nicht mit Liebe zu gedenken pflegt. Auch Röingh's Vorgänger in der Rüdener Geschichtsschreibung, Brandis, erwähnt dieses Kampfes.

Er erzählt, dass sich der Richter Schellewaldt aus übermütigem stolzen Sinne zuerst 1628 unterfangen, der Stadt Hoheit, Privilegia und Jura zu violieren. Der Anfang des Streits sei wegen des Hexenlasters gewesen. Der wahnsinnige Richter hätte gegen eine Frauensperson das Torturaldekret verweigert, habe den Torturen durchaus persönlich beiwohnen wollen. Während des Streites habe er viele Verwirrungen und Gewalt in der Stadt und auf den Dörfern unterfangen, Bürger schimpflich ins Gogericht schleifen lassen. Die so lange inhaftierte Kusenjohann'sche sei übrigens samt ihrem Töchterlein zuletzt hingerichtet und auch gegen andere mit scharfer Exekution verfahren. Bei dieser Zwietracht seien auch in der Stadt Privilegien, Rechte und Dokumente durch Brand und andere Unfälle in Abgang geraten. Brandis ging selbst für seine Vaterstadt nach Arnsberg. Den Ausgang des Prozesses haben wir schon angegeben. Der Richter wurde zur Zahlung von 400 Goldgulden (aurei) rechtlich verurteilt.

(§.152.)

Nach einem Rezess vom 14. Juli 1651 im Belecker Archive schwebte damals noch eine Streitigkeit ob zwischen den Schellewaldt'schen Erben und der Stadt Rüden. Der Richter Schellewald Seine Wohnung in Rüden war die jetzt noch vorhandene dem Rentmeister Fried. Luigs gehörige am Nicolai Kirchhofe belegene, die am 9. Mai 1656 von Michael Höene und dessen Ehefrau Anna Brandis angekauft wurde. In einer Briloner Urkunde von 1250 (Seibertz B.I.S.328) kommt ein Gerhardus Seelewalth vor. war aus einer noch existierenden Belecker Familie, aus der in jener Zeit sein Bruder Henrich Schellewaldt Bürgermeister in Belecke war. In dem Rezess von 1651 heißt es:

Demnach der Churfürst unterm 13. Mai befohlen habe, die von so vielen Jahren her zwischen dem Rab Dietrich Schellewaldts, Richter zu Rüden, jetzt dessen Erben, und der Stadt Rüden, allerseits interessierten Contribuenten am dritten Teil obschwebende Streitigkeit in der Güte beizulegen, oder mit Exekution zu verfahren, so sei zwischen den Parteien ein Vergleich zu Stande gekommen, dass die Contribution der Gerichte Rüden, Städte Warstein, Belecke, Kallenhardt, Hirschberg, Gerichte Melrich, Allagen, Körbecke vom Landdrosten dergestalt moderiert sei, dass die Erben Schellewaldts ihre Forderung auf 2900 Thlr., die Stadt Rüden auf 820 Thlr. geschätzt worden sei.

Die Gerichte und Städte hätten sich der Diskretion des Landdrosten und des ihnen zugelegten "quanti moderati" submittiert, nämlich zur Bezahlung der Forderung der Erben Schellewaldt: das Gogericht Rüthen ad 1200 Thlr., Städte Warstein ad 400, Kallenhardt ad 120, Gogericht Körbecke ad 200 Thlr.; zur Bezahlung der Prätension der Stadt Rüden: Gericht Melrich ad 350 Thlr., Allagen ad 220, Städte Hirschberg ad 80, Belecke ad 150 Thlr. usw. - Es handelt sich hier wohl um Kriegscontributionen.

  1. Gesetzgebung.
    Entstehungsgeschichte des Rüdener Rechts und daran geknüpfte notwendige Kritik der Rüdener Gründungsgeschichte.
    (§.153.)

    Über das Rüdener Stadtrecht und dieses selbst:

    1. Antiquarische Erläuterung des uralten Stadtrechtes der Stadt Rüden von Bodmann, in F.W. Cosmann's "Materialien und Beiträge zur Geschichte des Westfälischen Kreises!" 1. und einziger Teil 1789. S. 1-62, enthält die ältesten 70 Artikel des Rechtes mit Anmerkungen.
    2. Ein Abdruck des Rechtes in Wigands "Archiv für Geschichte und Altertumskunde Westfalen, B. V. S. 55.3"
    3. Vollständiger Abdruck der Statutarrechte mit den spätern Zusätzen, mit Anmerkungen, Beschreibung und Kritik der Exemplare und der Abdrucke in Seibertz' Urkundenbuch B. II., S. 69-96.
    4. Erläuterungen und historische Bemerkungen über das recht in Seibertz Statutar- und Gewohnheitsrechten, an mehreren Stellen, als S. 84 ff. u.a. S. 86 werden auch die älteren Erläuterungsschriften, namentlich eine lat. Dissertation von Tyrell, über die Werler und Rüdener Gütergemeinschaft, und eine von Bockshoff, de successione ab intestao usw. angeführt. Vgl. Seibertz, Beiträge I. S. 82, II- S. 186. Die Darlegung der in der Rüdener Statutensammlung enthaltenen Rechte kommt an andern Stellen dieser Geschichte vor; wir machen nur einigen notwendig erscheinenden geschichtlichen Bemerkungen.
(§.154.)

In Bezug auf die Geschichte der Rüdener Statutarrechte ergeben sich, so wie über die Gründungsgeschichte der Stadt selbst einige Schwierigkeiten. Nämlich in dem Eingange des aus einer Vermischung alter Satzungen mit späteren Willküren bis zum Anfange des 14ten Jahrhunderts allmählich entstandenen Rüdener Rechtsbuches, dem später noch mancherlei prozessualische Notizen und magistratische Bestimmungen hinzugefügt worden sind (siehe die Noten zu dem Abdruck bei Seibertz: das Rechtsbuch ist also keine Übersetzung der ursprünglichen, gewiss lateinischen, Rechtsbewidmung, wie Cosmann annimmt, obgleich eine solche der ältesten Bestimmungen zu Grunde gelegen haben mag), wird gesagt, dass diese guten Rechte der Stadt von Rüden gegeben sind vom guten Bischof Philipp von Köln, mit Rat derjenigen Herrn, die bei ihm waren, nämlich des Domdechanten Wedekind, des Probstes Bruno, des Herrn Johann von Kefflike, Probst zu Soest, des Grafen Everhart von Altena, des Herrn Heinrich von Volmestein, Herrn Godschalk von Patberg, Herrn regenhart von Siddinghausen (Herrschaft Büern), des Herrn Ernst, der Kirchner in Rüden war, des Herrn Hildeger, Schulten zu Soest, des Herrn Almar von Horst, des Herrn Bertram und des Herrn Anselm, Gebrüder von Bruerdinghausen und anderer, im Jahre 1178.



(§.155.)

Diese Angabe hängt mit der zusammen, dass der damalige Administrator Philipp von Heinsberg 1178 Rüden einigermaßen befestigt und mit Freiheiten versehen habe (v. Steinen, Westf. Geschichte IV. Teil S. 1167). Dies stimmt freilich nicht mit der uns erhaltenen Stiftungsurkunde von 1200 und anderen älteren Quellen.

Kleinsorgen namentlich (Kirchengeschichte 2. Bd.) sagt:


Den Angaben von Kleinsorgen, den v. Steinen nicht gefolgt ist, ist also unbedingt zu trauen; er weiß nichts von der Gründung Rüdens durch Philipp. Es fragt sich nun, welche Quellen hatte von Steinen vor sich?

Es war die handschriftliche Geschichte Rüdens von Christoph Brandis. Letzterer nun erzählt:

Erzbischof Reinold von Dassel habe dem Kaiser Friedrich Rothbart in dessen italienischen Kämpfen beigestanden, und daher die Körper der Heiligen Drei Könige erhalten. Während seiner Abwesenheit aber hätten der Landgraf Ludolph in Hessen, Herzog Friedrich in Schwaben und Conrad Pfalzgraf am Rhein das Erzstift Köln hart mit Krieg und Raub beschweret. Reinold habe ich den Philipp subordiniert, der dann die Feinde überwunden habe. Als 1181 Reinold an der Pest bei Rom gestorben, sei Philipp erwählt worden. Ihm sei 1180 das Herzogtum Westfalen gegeben, als Heinrich der Löwe in die Acht kam. (Die Löwenbilder in Werl, Erwitte, Brilon, Altenrüden und Sidinghausen in und an den Kirchen hält Brandis für das Inzeichen des alten Sachsen-Herzogs. In Altenrüden am Taufstein seien diese Löwenbilder verstümmelt, vermutlich durch Otto IV., Heinrichs Sohn, aus Indignation!?). Als nun Philipp unter andern Rüden mit übernommen, habe er diesen Ort 1178 mildiglich mit Privilegien versehen, und weil er solches bei Lebzeiten (!!) Reinolds getan, scheine er als Stellvertreter volle Macht über die Diözese gehabt, und Rüden "in formam civitatis" gebracht zu haben, während des Krieges gegen die Hessen, in welchem er, außer allem Zweifel, der Rüdenburger Tapferkeit und Treue erprobt habe, gestalt auch bei dem ersten Privilegium der Rüdener Ritter (equitum Ruthensium) Anselm und Bertram von Bruerdinghausen Meldung geschehe.

(§.156.)

Die Nachricht bei Kleinsorgen S. 78 ist dem Brandis wohl bekannt (bekanntlich war Kleinsorgen schon vor dem 1779 angefangenen Drucke in vielen Handschriften verbreitet), aber ihm ist jene Angabe, dass Philipp Rüden usw. an das Erzstift gekauft habe, bedenklich, und er meint, dass solches in Folge der Ächtung Heinrichs und Zerreißung seines Herzogtums geschehen sei, oder dass später Adolph den Kauf erdichtet habe; die Prinzipal-Struktur aber sei von Adolph im Jahre 1200 geschehen usw. - hier hatte Brandis die Urkunde vor sich und steht so auf festerem Boden.

Welchen Quellen Brandis aber gefolgt sei, gibt er nicht an, nur nennt er einmal annales Coloniensis. Dass er manche chronologische und historische Irrtümer mitteilt, ist klar. Dass jedoch Kleinsorgen überall das Richtige mitteilt, dass ihn Brandis in einem Hauptumstande tadelt, dass aber dennoch Kleinsorgen die Hauptquelle des von Brandis Erzählten ist, ist freilich zu verwundern.

Auf Friedrich II. († 1159) folgte Reinold, Graf von Dassel, eine der glänzendsten Erscheinungen in einer außerordentlichen Zeit. Als des Kaisers Kanzler war er noch 1164 in Italien, und war Hauptbeförderer der Wahl des Papstes Paschal III. Obgleich er schon 1159 designiert war, wurde er erst 1165 geweiht, in welchem Jahre er sich zu Soest aufhielt (siehe Seibertz Urkb. I. S. 71).

Von dem Einfalle der Fürsten von Hessen, Schwaben und Pfalz, der zwischen 1161 und 1164 hätte sein müssen, von der Administration Philipps, von einem Kriege gegen die Hessen 1178, wissen unsere Quellen nichts. Die Mitteilung über die Löwenbilder ist zum Teil aus Kleinsorgen Teil II S. 53. Die Hauptsache des Berichtes von Brandis fällt durch den Umstand, dass Reinold schon 1167 und nicht 1181, gestorben ist.

Ihm folgte 1168 Erzbischof Philipp von Heinsberg, einer der klügsten und umsichtigsten Kirchenfürsten. Er kommt bis zu seinem Tode 1191 in westfälischen Urkunden vor. Sein Nachfolger, Bruno III. von Altena, hat 1193 resigniert, und ihm folgte sein Neffe Adolph I., der wahre Gründer Rüdens.

Halten wir nun fest, dass Brandis den Kleinsorgen benutzte, und lassen die allgemeinen historischen Abweichungen ferner unberücksichtigt, so ist es in Bezug auf den Hauptpunkt dieser Erzählung, nämlich die Gründung Rüdens durch Philipp 1178, einleuchtend, dass hier seine Quelle eben nur der besprochene Eingang des Rüdener Statutarrecht ist.

Dass Brandis in den dort genannten Zeugen schon Rüdener Burgmänner sieht, berechtigt zu der Annahme, dass der Patriotismus den Rüdener Konsul überhaupt angetrieben, jene Notiz zu einer Gründungsgeschichte Rüdens sich auszumalen, wozu noch der Umstand kommt, dass Philipp ohne Zweifel in der Gegend von Rüden lange in Erinnerung lebte, weil er sich dort aufhielt.

Was Röingh über Rüdens Gründung erzählt, ist eben so wenig kritisch und beruht wohl auf den Quellen seines Vorgängers, obgleich er die Sache anders wendet und dabei in neue Irrtümer fällt. Er sagt:

Rüden sei 1178 an das Erzstift geraten, und wie der Stadt (1180) Inkorporierung zu Erhaltung deren adlichen Freiheiten durch Kaiser Friedrich konfirmiert worden, (man sollte hiernach glauben, in der wichtigen Schenkungsurkunde von 1180 bei Seibertz B. I. S. 112 und bei mehren andern Schriftstellern wäre von Rüden und den Freiheiten desselben die Rede!

In Voraussetzung einer frühern Gründung nahm Röingh an, auch Rüden sei mit in der Urkunde gemeint gewesen, so sei die Stadt vom Erzbischof Philipp ferners fundiert und privilegiert worden. (Röingh nimmt also gleichsam eine zweite Gründung nach 1180 durch Philipp an. Dies beruht wohl auf der Verwechslung mit der Gründung Adolphs 1200, und wenn mit dem "ans Erzstift geraten" die Erwerbung einer curtis in der Stelle von Rüden meint, so ist in dieser Darstellung freilich der wahre Kern noch zu erkennen).

Solches hätten die Rüdenburger (nämlich die Burgmänner, worüber Röingh durchaus im Unklaren ist; zu jener Zeit war an keine Rüdener Burgmänner zu denken) umso mehr verdient, da das Erzstift unter Heinrich dem Löwen und Ludolf von Hessen in gefährlichen Krieg geraten sei (Röingh denkt sich also, dass seine Rüdenburger an dem Westfalen so verheerenden Kriege, den 1180 der tapfere Löwe um sein Herzogtum führte, Anteil nahmen).

Reinhold von Dassel, Statthalter (!) zu Köln des mit Friedrich nach Italien gezogenen Philipps, von Heinsberg (!), habe vermittelst der tapferen Rüdenburger die Feinde geschlagen usw. Hier herrscht eine solche Konfusion, dass die Selbsttäuschung des patriotischen Mannes ihm einen gar argen Streich spielt.

Die ganze Nachricht über Rüdens Gründung durch Philipp zerfällt so in Nichts. Brandis und Röingh haben sie aus der zufälligen Notiz im Eingange des Rüdener Rechts deshalb herausgefunden, weil dort die Stadt Rüden genannt wird, der Philipp 1178 ihre Freiheiten erteilt. Der Schluß0, denselben deshalb für den Stifter der Stadt zu halten, lag freilich nahe. Durch von Steinen ist die Nachricht in andere Schriften übergegangen.

(§.157.)

Nach dieser Digression kehren wir zur Geschichte des Rüdener Rechts selbst zurück. So wie die aus der Eingangs der Rüdener Statutarrechte überlieferten Folgerungen für die Gründung Rüdens als falsch sich herausgestellt haben, so sprechen gegen die innere Wahrheit der darin enthaltenen Behauptungen einige bedeutende unleugbare Tatsachen:

  1. Philipp erhielt erst 1180 das Herzogtum Westfalen und mit demselben auch Rüden. Wie konnte er schon 1178 derselben Rechte geben?
  2. Nach einer Urkunde wurde erst 1200 die Stadt Rüden von Erzbischof Adolph I. (zu Brunwardinghausen) gegründet.
  3. Erhielt die 1200 neue gegründete Stadt Soester recht. Welche Widersprüche!

Wenn also die Angabe im Rüdener Recht, die freilich, wie Seibertz (in einer Anmerkung S. 69 im 2. Band der Urkunden) zeigt, in Angabe der Zeugen einige innere Bedenken erregt, nicht gar eine pure Erdichtung ist und wenigstens eine durch die Sage überlieferte Tatsache enthält, so ist zur Beseitigung des ersten Einwurfes zu beachten, dass die Erzbischöfe von Köln schon vor dem Sturze Heinrich des Löwen einzelne bedeutende Erwerbungen in Westfalen machten, wie namentlich aus dem 1. Band der Seibertz'schen Urkunden hervorgeht.

Dahin gehörte Werl um 1000 (S. 22), Attendorn, Rüden (Ruotino) und andere vor 1072 (S. 38), Medebach vor 1144 (S. 60) und viele andere, Aber nicht Anröchte, Menden und Hachen. Denn in der Urkunde von 1161 bei Seibertz S.71, ist unter anruthe Adenrath, unter Hage Hagen, beide im Kirchspiel Lohmar, Friedensgericht Siegburg, und unter Menethen Kirchdorf Menden, Friedensgericht Königswinter, alle im Siegkreise, gemeint. die 1177 der Papst Alexander dem Philipp bestätigte. Der zweite könnte dadurch widerlegt scheinen, dass doch schon vor 1200 Rüden vorkommt. Aber Radi 877 in der Tradit. Corbei, bei Falke (siehe Seibertz Territorialgeschichte S. 38) ist nun mal durchaus nicht Rüden.

Sollte das Haus Rade bei Eringhausen nicht gemeint sein, so braucht man darum, bei den so oft vorkommenden Namen Rade, Rode, Rath, noch nicht an Rüden zu denken. Das untergegangene Haus Rode bei Nettlenstädt, von dem die in Rüden lebende Familie von Rode entsprossen sein mochte, fällt noch in den pagus Westfalen und liegt näher bei Eringhausen als Rüden und nicht viel weiter als das ebenfalls untergegangene Rade. Tumerode bei Miste S. (§.77) ist auch zu berücksichtigen. Dass aber die 1072 dem Kloster Grafschaft geschenkte Kirche zu Ruothino oder Ruden im Dorf Altenrüden ist, steht urkundlich fest (vgl. Geschichte von Warstein S. 49 und 223). Bei dem zweiten Bedenken also, wie bei dem dritten muss es sein Bewenden behalten.

Wenn also überhaupt die Verleihung durch Philipp, der sich übrigens in jenen Zeiten viel zu Soest und in der Gegend von Rüden aufhielt, ihre Richtigkeit hat, so sind es gewiss nur einzelne Privilegien gewesen; denn wäre das vorliegende später allein in Rüden geltende Rechtsbuch gemeint gewesen, so wäre es Unsinn, wenn Adolph die neue Stadt mit Soester Recht privilegiert hätte.

Wem aber wurden die Privilegien verliehen? Man denkt zunächst an Alten-Rüden. Wenn auch die Geschichte dieses Dorfes außer den Pfarrverhältnissen, durchaus keine Wichtigkeit hat, und keine besondere Beziehungen Philipps zu Alten-Rüden bekannt sind, die man als Grund der Rechtsverleihungen ansehen könnte, da er ja 1178 noch nicht Landesherr war, so lässt sich doch eine Möglichkeit der Art nicht bestreiten. Wenn sich aber eine andere Wahrscheinlichkeit dagegen erhebt, so ist auch der wohl Berücksichtigung zu schenken.

Nach der Urkunde bei Seibertz I. S. 134 hatte der Erzbischof von den Gebrüder von Bruerdinghausen bedeutende Güter erworben. Dieselben waren es, auf deren Grund Adolph die Stadt baute, für sich jedoch seinen von einem Schulzen verwalteten Hof behielt, gerade wie es auch bei den auf erzbischöflichen Haupthöfen Städten Warstein und Kallenhardt der Fall war (vgl. Warsteiner Geschichte S. 16 und 35). Diese erzbischöfliche, von Philipp erworbene, curtis Brunwardinchusen war es ohne Zweifel, welcher gewisse Gerechtsame, gewisse Hofesrechte von Philipp verliehen wurden.

Die Beziehung zu Rüden ist klar. Die Brüder Bertram und Anselm, die mit bedeutenden erzbischöflichen Gütern noch in späteren Zeiten zu Rüden belehnt waren, hatten natürlich ein Interesse daran, dass ihre Stammgüter mit allerlei Gerechtsamen versehen wurden. Sie hielten sich an die Person des Erzbischofs (siehe Stiftungsurkunden der Kirche zu Miste von 1191) und ihrer Bitte mochte der Fürst gern Gehör geben; für Alten-Rüden hatten sie kein Interesse. Ja es ist auch gar nicht zu bezweifeln, dass der Erzbischof sich 1191 auf seinem Hofe zu Brunwerdinghausen mit den in den Urkunden genannten Herren aufhielt, und von dort die Mister Urkunden ergehen ließ.

Wäre schon eine Stadt Rüden gewesen, so würde er dort sich aufgehalten und von dort seine Urkunden datiert haben, wie das "Gegeben zu Soest" in den von ihm zu Soest gegebenen Urkunden nicht fehlt.

Die alten Hofesrechte von Bruerdinghausen mochten freilich die Grundlage des Rüdener Stadtrechts werden. Die Erwerbungszeit von Bruerdinghausen ist nicht angegeben; sie liegt zwischen 1167-1191. Die dort genannten Güter scheinen etwa um die Mitte der Regierungszeit Philipps erworben zu sein. Es werden nämlich außer den Brüdern von Bruerdinghausen unter andern genannt:


Dass einige dieser Güter schon vor 1177 erworben waren, folgt aus der Urkunde bei Seibertz Bd. I. S. 102. Aber Bruerdinghausen wird dort noch nicht genannt. In den beiden letzten Jahren seiner Regierungszeit scheint Philipp schon im ruhigen Besitze des Oberhofes gewesen zu sein. In den 80er Jahren war Philipp selten in Westfalen, und zwar nur wie es scheint 1182 und 1186, desto häufiger in den 70er Jahren, wohinein auch die Lebensjahre der dort genannten Personen fallen.

Wenn also die Erwerbung von Bruerdinghausen wahrscheinlich etwa zwischen 1177 und 1182 fällt, so dürfte hierin endlich der Grund liegen, warum die Verheißung des Rüdener Rechts in das Jahr 1178 (damals war Philipp in Soest) verlegt ward. Ich glaube, dass 1178 Erzbischof Philipp von Köln die curtis Bruerdinghausen erworben und selbige mit gewissen Rechten versehen habe, die vielleicht nicht einmal ursprünglich aufgeschrieben waren und mit in die Stadt übergingen, auf deren Grundlage sich bald ein eigenes Recht bildete, das im Stande war, das Soester Recht zu verdrängen.

Nur traditionell hatte sich die Erinnerung an das wahre Sachverhältnis erhalten, und sehr leicht konnte, als später die Stadtrechte niedergeschrieben wurden, die Sage sich gebildet haben, Philipp habe der Stadt Rüden, deren jüngeres Alter man nicht kannte, ihre Rechte verliehen. Dass Philipp auch der Gründer der Stadt gewesen, beruht auf einer bloßen Folgerung aus jener Überlieferung.

(§.158.)

Schon unter kölnischer Regierung war die Geltung des Rüdener Stadtrechts, bis auf das Institut der Gütergemeinschaft, allmählich untergegangen und ganz der Rechtsgeschichte anheim gefallen. Außer dieser Gütergemeinschaft hat sich überhaupt bis in unser Jahrhundert kein Statutar- und Gewohnheitsrecht der Stadt Rüden erhalten.

Die Rüdener Gütergemeinschaft selbst aber gilt noch jetzt in der Stadt Rüden und in allen Landgemeinden des ehemaligen Gogerichts (vgl. Seibertz Statutarrecht des Herzogtums Westfalen S. 84). Das gemeine Recht aber war es, welches durch die Doktoren des Rechts, die kurfürstlichen Richter in Rüden, allmählich dem am Stadtgericht geltenden Rüdener Rechte gegenüber begünstigt und gefördert, endlich das letztere gänzlich verdrängt hat.

  1. Unter landgräflicher, später Großherzoglich hessischer Landeshoheit
    1. Gerichtsbarkeiten
      1. Erste Periode bis 1806

      2. (§.159.)
        Nachdem das Herzogtum Westfalen durch den Reichs-Deputations-Hauptschluß vom Jahre 1803 an Hessen-Darmstadt gefallen war, traten verschiedene Veränderungen in den bisherigen Jurisdiktionsverhältnissen ein. Die Gerichtsbarkeit von Landdroste und Räten und das Offizialat zu Werl hörte auf. Das Ober-Appellationsgericht zu Darmstadt wurde für Westfalen die oberste und höchste Gerichtsstelle. Das Organisations-Edikt vom 123. Oktober 1803 bestimmte für das Herzogtum Westfalen ein Landes-Justiz-Kollegium unter dem Namen Hofgericht, welches in Zivilsachen der Schriftsätzigen in I. Instanz und in Amtssätzigen Sachen in II. Instanz und in allen Strafsachen zu erkennen hatte, welche nicht den Untergerichten überwiesen waren. Zugleich war das Hofgericht die Oberaufsichtsbehörde der Untergerichte. Letzte Instanz war das Oberappellationsgericht zu Darmstadt; in Schriftsätzigen Sachen war das Hofgericht in Gießen die II. Instanz.

        In Rüden war 1805 ein Hofgerichtsadvokat (Jod. Förstige) und fünf Notarien (Fr. Th. Herold, Th. J. Knierim, Kasp. Petrasch, Drohemeyer, Block). Die Untergerichte blieben so ziemlich in ihrer alten Verfassung. Jedoch wurde die Gerichtsbarkeit an den Patrimonialgerichten den betreffenden landesherrlichen Lokal-Justizbeamten übertragen. Auch die Einteilung in Quartiere blieb unter hessischer Regierung bestehen.

        Das Quartier Rüden umfasste 10 Gerichte oder Ämter, 6 Städte mit 31.577 Einwohnern. Die Gerichte waren: Allagen, Gericht und Stadt Belecke, Stadt Kallenhardt, Körbecke, Erwitte, Fritzhartskirchen, Gericht und Stadt Geseke, Stadt Hirschberg, Hofstadt, Melrich, Oestinghausen, Gericht und Stadt Rüden, Stadt Warstein.

        (§.160.)
        Gericht und Stadt Rüden
        Das Gericht behielt den oben angegebenen Umfang und hatte mit der Stadt 5.200 Eingesessene in 858 Wohngebäuden, von denen 1600 Personen in der Stadt in 291 Häusern wohnten. Die Gerichtsbarkeit blieb, wie unter Köln, eine doppelte: die landesherrliche und die Städtische in der Stadt und den zugehörigen Dörfern und Höfen.

        Der Landgräfliche Justizbediente war: Richter und Reservatbeamter in der Stadt Rüden, mit deren Magistrat er konkurrente Gerichtsbarkeit hatte. Diese Stelle bekleidete 1806 Victor Tusch, dem ein Gerichtsschreiber (Friedrich Karl Herold) zur Seite stand.

      3. Zweite Periode seit 1806

      4. (§.161.)
        Im Jahre 1806, als nach dem beitritt des Landgrafen zu dem neu gebildeten Rheinbunde dieser volle Souveränität unter dem Titel eines Großherzogs von Hessen erlangt und des Deutschen Reiches letzte Stunde geschlagen hatte, schloss die lange Periode der frühern Verfassung des Herzogtums Westfalen ab.

        Die Aufhebung der Landstände und Steuerfreiheiten war entscheidend. Aus den Gerichten wurden die Scheffen verbannt und die seither bestandenen vielen kleineren Gerichte in 18 größere Justizämter vereinigt, von denen jedes einen Richter, unter dem Namen Justizamtmann, einen Amtsschreiber (früher Gerichtsschreiber) und einen Amtsdiener hatte. Durch den Einfluss der Souveränität verloren auch bald die Städte ihre uralte Selbständigkeit. Mit der Aufhebung des Magistrats in Rüden fiel nicht nur die städtische Gerichtsbarkeit selbstredend weg, sondern die Stadt wurde auch unter einen Staatsbeamten, einen Schultheiß gestellt, - sie wurde amtssässig.

        Als Rüden und Kallenhardt ihre Magistrate und Gerichtsbarkeiten verloren hatten, war der Bereich des Großherzoglich Hessischen Justizamts Rüden geschlossen. Es umfasste die Stadt und seine Dörfer und Höfe, das Gogericht und Kallenhardt. Warstein gehörte zum Gericht Mülheim in Belecke. Das Amt Rüden grenzte nunmehr im Norden an das Amt Geseke, im Osten an das Paderborn'sche, im Süden an das Amt Brilon und im Westen an das Amt Belecke.

    2. (§.162.)
    3. Magistrat
      In der oben bezeichneten ersten Periode der hessischen Regierung blieb die alte Verfassung der Städte im Ganzen bestehen. Ein neues Element war die an die Spitze der ganzen Verwaltung gestellte, für das Herzogtum Westfalen angeordnete Regierung in Arnsberg, unter einem Präsidenten, einem Direktor, Räten, Sekretären, Kanzelisten usw. Die adeligen Amtsdrosten, so auch in der Tat überflüssig, fielen weg.

      In Betreff der Gerichtsbarkeit konkurrierte der Magistrat noch mit dem landgräflichen Richter. Das Stadtgericht hörte erst 1810 auf. Noch im Jahre 1805 war das städtische Beamtenpersonal vollständig. Dasselbe bestand damals aus:

      • dem Regierenden Bürgermeister (Jos. Förstige),
      • dem Proconsul (Adolph Mönnig,
      • zwei Ratsbeisitzern (Ph. Mues und Jac. Vollmer),
      • dem Kämmerer (Anton Luigs),
      • sechs Bürgerrepräsentanten (Ant. Bitter, Fr. C. Herold, Georg Kopp, Kasp. Wilh. Röing, Friedr. Köchling, Jos. Graß
      • dem Sekretär (Kasp. Petrasch)
      • vier Acciseherren (Ant. Ohrmann, Franz Schenne, Kasp. Schreve, Franz Baumann)
      • dem Ratsdiener (Jos. Pardhun)
      • dem Förster und
      • Holzknechten
      • Polizeidiener

      Auch noch 1810 war das Personal vollständig. Die letzte Magistratswahl wurde unter dem landesherrlichen Kommissar oder Obmann Hüser 1808 gehalten. Es wurden gewählt:

      • Casp. Ant. Förstige, Bürgermeister
      • Ant. Luigs, Proconsul,
      • Arn. Böckler und Adam Röingh, Assessoren
      • Hilsmann, Kämmerer
      • Friedr. Memering, Stadtsekretär
      • usw.

      Diese Männer haben die alte Verfassung zu Grabe getragen. Die Stadt Rüden hat, als solche, von jetzt an keine Geschichte mehr. Denn in der zweiten Periode der hessischen Zeit (1807-1816) wurden auch der Stadt Rüden 1810, so wie den übrigen Städten und Gemeinden des Landes, Staatsbeamte vorgesetzt, die man mit einem aufgefrischten uralten Namen Schuldheißen nannte.

      Casp. Ant. Förstige, der letzte Consul, wurde der erste Schuldheiß seiner Vaterstadt. Die Ämter wurden in Schuldheißbezirke eingeteilt. Der Schuldheiß war die erste Regierungsbehörde in der Gemeinde, der Justizamtmann (zugleich auch Polizeibeamter, die Stelle der späteren Landräte einnehmend), unter dem die Schuldheißen standen, war die zweite Instanz, die Regierung die dritte, das Ministerium endlich die vierte.

      Wichtig war es, dass seit 1812 den Schuldheißen eine Gemeindevertretung durch 2-3 frei gewählte Gemeinde-Deputierte gegenüber gestellt waren (vgl. Sommer "Von deutscher Verfassung" S. 81). Sie heißen gewöhnlich Gemeinderäte. Der alte Magistratsbezirk und das Gogericht Rüden, jetzt das Justizamt Rüden, zerfiel, ohne Rücksicht auf alte Verhältnisse in folgende Schuldheißen-Bezirke:

      1. Stadt Rüden unter einem Schuldheiß seit 1810. Die Stadt ist vertreten durch 4 Gemeinderäte.
      2. Bezirk Altenrüden, Miste, Langenstraße und Heddinghausen, unter einem Schuldheiß
      3. Menzel
      4. Knevelinghausen
      5. Westereiden und Oestereiden
      6. Höynkhausen
      7. Drever
      8. Suttrop
      9. Kallenhardt

      Die in der zweiten Periode der hessischen Zeit aufgekommene Gerichts- und Stadtverfassung ging unverändert mit unter die preußische Regierung herüber.

    4. Gesetzgebung
      (§.163.)

      Die alten Rüdener Stadtrechte mussten neueren zeitgemäßen Gesetzen weichen. Es galten von jenem Rechte nur noch die Bestimmungen über eheliche Gütergemeinschaft während der hessischen Zeit. Im Übrigen war das Stadtrecht durch das Gemeine Recht verdrängt, das nunmehr auch an dem Rüdener Amte galt.

      Manche Verordnungen in administrativer und finanzieller Beziehung ergingen für das Herzogtum Westfalen von der hessischen Regierung, die jedoch, da sie nur ganz im Allgemeinen auch Rüden betreffen, hier nicht näher berücksichtigt werden. Zu den für Westfalen am allerwichtigsten hessischen Gesetzen sind die auf die Gemeinheits-Teilungen und die bäuerlichen Verhältnisse überhaupt sich beziehenden zu rechnen. Durch die Verordnung vom 1. Oct. 1806 wurde eine größere Gleichstellung der Staatsbürger rücksichtlich der Besteuerung eingeführt, für welche die Verordnung vom 16. Januar 1808 nähere Bestimmungen enthält.

      Am 9. Juli 1808 wurde eine bedingte Theilung der Bauerngüter gewährt, am 5. Nov. 1809 aber vollends die Untheilbarkeit der Güter im Allgemeinen aufgehoben,

      Das Preuß. Gouvernement behielt vorerst die frühere Gesetzgebung bei, bis unter dem 21. April 1825 die alte Successionsart wieder hergestellt wurde. Das Gesetz über die bäuerliche Erbfolge vom 13. Juli 1836 setzte endlich die Untheilbarkeit der Güter als Regel fest.
      (Siehe die Beilagen zu Sommers Darstellung der Rechtsverhältnisse der Bauerngüter im Herzogtum Westfalen 1823) usw.

  2. Unter königlich preußischer Landeshoheit seit 1815
    1. Gerichtsbarkeit
      1. Erste Periode bis 1839

      2. (§.164.)

        Rüden fiel mit dem ganzen Herzogtum Westfalen durch die Wiener Kongress-Akte vom 9. Juni, und den Staatsvertrag vom 10. Juni 1815, sowie durch den am 30. Juni 1816 abgeschlossenen Vertrag, und das Besitz-Ergreifungs-Patent vom 15. Juli 1816 an die Krone Preußens. Die Verfassung der Untergerichte blieb vorläufig ganz dieselbe, wie sie unter hessischer Regierung eingerichtet worden war.

        Das nunmehr Königlich-Preußische Justizamt Rüden umfasste die Städte Rüden und Kallenhardt und die Kirchspiele Altenrüden, Effeln, Höynkhausen, Langenstraße, Miste, Suttrop (im ganzen 17 Dorfschaften, die oben als zum bereiche des vormaligen Gogerichts gehörig angegeben sind) und zählte 1835 schon 7385 Gerichtseingesessene.

        Selbst das Personal der Gerichte wurde unverändert von der preußischen Regierung übernommen. Das Rüdener Justizamt behielt seinen Amtmann, seinen Amtsschreiber, seinen Amtsdiener. Der Amtsschreiber Fr. C. Herold war schon seit 1778 unter kölnischer Regierung, wie vor ihm sein Vater, Gerichtsschreiber zu Rüden gewesen, und bekleidete diesen Posten während der ganzen hessischen Periode und wurde als Amtsschreiber von Preußen übernommen, dem er noch lange seine Dienste geweiht hat (&8224;1836).

        Als ersten unter Preußen angestellten Justizbeamten in Rüden nennen wir den damaligen Richter zu Scharfenberg J. S. Seibertz, der im Jahre 1820 zum administrierenden Justizamtmann in Rüden ernannt wurde. Das Geschäftslokal und die Gefängnisse befanden sich mietsweise im städtischen Rathaus. Das etatmäßige Beamten-Personal sollte aus einem Justizamtmann, einem Assessor, einem Subaltern und zwei Amtsdienern bestehen. Es war aber wenigstens 1828 noch nicht vollständig.

        Damals hatte das Gericht 6.876 Eingesessene, einen Justizamtmann (Seibertz), einen Amtsschreiber (Meese), und einen Amtsdiener. Die Stelle des Assessors und des ersten Amtsdieners war vakant. Aber 1837 dagegen waren außer dem etatmäßigen Personal noch an Hilfsarbeitern beschäftigt:

        • 1 Richter
        • 1 Auskultator
        • 6 Subalternen
        • 2 Boten

        Die Justizverwaltungsstatistik des preußischen Staats von Starke enthält eine Gerichtsübersicht des Justizamts Rüden vom Jahre 1837, wonach damals 1847 Zivilprozesse, 259 Mandatssachen ohne Einwendungen, 2 Konkursprozesse, 50 Subhastationsprozesse, 24 Kriminal, -fiskalische und polizeiliche Untersuchungen, 426 Untersuchungen wegen Holzfrevel, 563 Vormundschaftssachen, 9 Nachlass-Regulierungen, 600 Hypothekenfolien, 1987 Thlr. im General-Depositum, 25 Spezialmassen, 176 Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 4904 Termine, 20012 Vorträge vorkamen. Die etatmäßigen Unterhaltungskosten betrugen 2934 Rth., welche durch die Sportel-Einnahme gedeckt wurde.

        Der Justizamtmann zu Rüden hatte bis zur Organisation keinen fixierten Gehalt, sondern Emolumente und Naturalien; unter andern musste der Scharfrichter ein Quantum zahlen und jeder heiratende Jude einen silbernen Löffel von wenigstens 3 Lot und 1 Fl. 30 Xr. geben. Die Abgabe des Scharfrichters rührt wohl daher, daß dessen Amt ein Lehn gewesen ist. Nach den neuesten Landtags-Verhandlungen sollen alle dergleichen Lehen allodificirt werden. Die Abgabe der Juden von ihren Hochzeiten beruht wohl auf der Einrichtung, daß, wie jetzt die Administrativ-Behörden, so früher die richterlichen die Civilstandsregister der Juden führten. Das ganze Einkommen wurde auf 12391 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf. berechnet.

        Ebenso war es mit dem Amtsschreiber, dessen Einkommen sich auf 1036 Thlr. 13 Sgr. 3 Pf. summierte, und mit den beiden Amtsdienern. Die Amtsstube mit den anderen Räumen und Gefängnissen waren im städtischen Rathaus. Später wurde das Kloster zum Gerichtslokal eingerichtet.

        Hofgerichtsadvokaten in Rüden waren 1820 Offermanns zu Körtlinghausen, J.J. Förstige und C.A. Förstige zu Rüden. - Die beabsichtigte Vereinigung des Hofgerichts in Arnsberg mit dem Oberlandesgericht zu Hamm unterblieb und ersteres bestand unter diesem, von den Hessen herrührenden Namen, als ein besonderes Oberlandesgericht für das Herzogtum Westfalen fortbestehen, nachdem seit 1819 die Grafschaft Wittgenstein und das Fürstentum Siegen hinzu geschlagen worden waren. Die zweite Instanz wurde das Oberlandesgericht zu Münster, dem Hofgericht zu Arnsberg wurde 1835 der Titel Oberlandesgericht gegeben.

        (§.165.)
      3. Zweite Periode seit 1839

      4. Am 1. Januar 1839 trat die vorbehaltene definitive Organisation der Untergerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts zu Arnsberg ins Leben, umfassend auf 85,49 Q.M. 219.485 Eingesessene.

        Statt der früher bestandenen 23 Untergerichte, unter den nur 6 kollegialisch formierte, gibt es seitdem 18 Untergerichte, und zwar 12 kollegialisch formierte und 6 nicht kollegialisch formierte und außerdem noch 11 kleinere Patrimonialgerichte.

        Zu den kollegialisch formierten, die jetzt Land- und Stadtgerichte heißen, gehört auch das zu Rüden. Das nunmehrige seit dem 1. Januar 1839 in Wirksamkeit getretene königliche Land- und Stadtgericht zu Rüden also erhielt einen größeren Bereich, als das frühere Justizamt und zählte 1839 12.869 Eingesessene, 1846 aber 14.072. Es umfasst das frühere Justizamt Rüden ganz d. i. die Kirchspiele Rüden, Suttrop, Kallenhardt, Miste, Langenstraße, Altenrüden, Effeln und Höinkhausen, und den größten Teil des nunmehr zerteilten und eingegangenen Justizamts Belecke zu Mülheim. Nur allein das zum Soester Kreise gehörige Kirchspiel Körbecke mit 3782 Einwohnern wurde vom Gericht Belecke zum Land- und Stadtgericht Arnsberg geschlagen; der ganze Rest kam nach Rüden.

        Derselbe umfasst im Kreise Arnsberg das Kirchspiel Hirschberg, Allagen [mit Allagen, Haarhöfe, Oberbergheim, Niederbergheim, Westendorf; in den ältesten Zeiten mit dem Kirchspiel Körbecke unter dem Namen pagus Hare einen eigenen kleinen Gau, wie der Treversgau und das Erpesfeld, bildend, dem in mittleren Zeiten der Gograviatus upper Hare und die freien Stuhlgerichte Westendorf - wozu auch Mülheim und Hirschberg - und Körbecke - Corbech für das gleichnamige Kirchspiel - entsprachen.

        Später bis 1806 machte jedes der Kirchspiele, Allagen und Körbecke, ein eigenes kurfürstliches, später landgräfliches Gericht Siehe die Urkunde, Nr. 80 bei Seibertz, von Philipp I. (1167 1179), und Nr. 455 von 1295, nach der die Freigrafschaft, welche dem Gogericht Hare entsprach, auch Hare hieß, denn es kommt dort der Barnhardus Vrigravius in hare vor, die also aus zwei Stühlen bestand; ferner Nr. 484 und 613 S.643, alle im 1. Bd. - Seibertz Gauverfassung S.25. - Kindlinger's Münst. Beitr. III. Urk. S.625 und 721. Körbecke und Allagen gehörten zur Grafschaft Arnsberg und aus letzterm Orte ist ein uraltes, in Rüden ansässiges, Rittergeschlecht enstsprossen. aus.)], Mülheim [mit Mülheim und Sichtigvor, ehedem unter der unmittelbaren Gerichtsbarkeit des Deutschen Ordens; Waldhausen, Sennhöfe und Welschenbeck, schon unter Köln von dem Richter in Belecke versehen; das Gogericht Welschenbeck in Urkunden], Belecke und Warstein.

        Das etatmäßige Beamtenpersonal des Land- und Stadtgerichts Rüden besteht aus einem Direktor, drei Mitgliedern (Assessoren), drei Subalternen (Sekretären), drei Unterbeamten (Gerichtsboten) alle mit fixierten Gehältern. Nach einer Bekanntmachung vom 30. April 1839 hatten neun Justizkommissare Praxis am Gericht zu Rüden. Aus dem Dispositionsfonds können noch andere Hilfsarbeiter und Subalternen angesetzt werden. Die 6851 Thlr. 7½ Sgr. betragenden Unterhaltungskosten werden durch die Sportel-Einnahmen des Gerichts gedeckt.

        In Verhinderungsfällen sind sich die Gerichte Rüden und Erwitte gegenseitig substituiert. Im Jahre 1840 waren

        • Direktor: Gremler
        • Mitglieder: Escherhaus (Land- und Stadtgerichts-Rat) und Roeren (Assessor); 1846 die Assessoren Dr. Köhler und Lentze)
        • Subalternen: Rübell, Movius (Sekretär- und Bürovorsteher), Kloidt (Rendant)
        • Drei Gerichtsboten


    2. (§.166.)
    3. VERWALTUNG

      In Bezug auf die Verwaltungsbehörden sind seit der preußischen Regierung mancherlei nicht unwichtige Veränderungen vorgegangen. Nachdem die freisinnige Regierung für Land und Stadt wiederum so manche uralte, in den Stürmen einer verhängnisvollen Zeit untergegangene selbständige Einrichtungen bewilligt oder wieder gegeben hat, wozu ganz besonders die freie Magistratswahl zu rechnen, möge den Städten, und namentlich unserem Rüden, wieder ein Strahl einer blühenden Zukunft aufgehen!

      Das Herzogtum Westfalen verlor durch die preußische Besitznahme ganz und gar seine Selbständigkeit und eigentümliche Bedeutung. Teil einer großen Monarchie ging es zunächst in einem kleineren politischen Ganzen auf. Der nächste Einheitspunkt war nunmehr der Regierungsbezirk Arnsberg - unter der dortigen schon von Hessen eingerichteten, jetzt königlichen Regierung stehend -, zu dem das Herzogtum Westfalen mit Wittgenstein, Berleburg, Mark, Siegen, Hohenlimburg, Dortmund, Dorstfeld, nebst Hückarde, geschlagen wurde.

      Der ganze Bezirk wurde in 14 kreise geteilt, deren jedem ein Landrat vorgestellt wurde, dessen bekannte Stellung ehedem der Amtsdroste und dann der Justizamtmann eingenommen hatte. Unter den kreisen erstreckt sich von den waldreichen Höhen des Arnsberger Waldes an, der den südlichen Wall des Möhnetal bildet, gen Norden, zu den Wiesen der Möhne hinab, dann aus dem engen Tal sich hebend zu dem Vorberge des Haarstranges hin, auf welchem Rüden liegt, über letzterem selbst hinaus sich wieder senkend in die fruchtbaren und weidenreichen Ebenen des Hellweges bis an die Lippe der Kreis Lippstadt.

      Diesem war von Anfang an Rüden und seine Umgegend bis jetzt zugeteilt. Bei der ersten Einrichtung umfasste dieser Kreis auf 7,42 Q.M. 22.295 Einwohner in drei Städten (Lippstadt, Geseke, Rüden), einem Marktflecken (Erwitte) und 74 Dörfern, zusammen 14 Kirchspiele.

      Das uralte politische Ganze des Gerichts Rüden wurde freilich zerrissen, indem die Stadt Kallenhardt zum Kreise Brilon gerechnet wurde. Aber eine noch vor 1820 getroffene Veränderung in der Kreiseinteilung Der Kreis Medebach ging ein und kam an Brilon; der Kreis Bilstein wurde der Kreis Olpe. Aus einem Theile des Kreises Arnsberg wurde der Kreis Eslohe, später Meschede, gebildet, so daß die Zahl 14 blieb. gab Kallenhardt, mit Rüden, wozu es von jeher gehörte, mit Recht an den Kreis Lippstadt ab. Nunmehr war derselbe 8 Q.M. groß und hatte 1828 25.567, 1829 ab 28.305 Einwohner.

      (§.167.)

      Was nun Rüden und seine ehemalige Stadt- und Gerichtsbarkeit betrifft, so blieb zunächst:

      1. bis 1828 (?)

        die von der hessischen Regierung eingerichtete Gemeinde-Verfassung, nach der den Städten und dem Lande landesherrliche Beamte Schuldheißen, denen Gemeinderäte beigegeben waren, vorstanden, fortbestehen. Das ehemalige Gogericht Rüden zerfiel damals in folgende Schuldheißenbezirke:

        • Stadt Rüden - mit einem Schuldheiß (C. Röingh) und vier Gemeinderäten (C. Petrasch, A. Schlüter, Arn. Böckler, J. Redelbroun)
        • Altenrüden mit Miste, Langenstraße und Heddinghausen - Petrasch zu Rüden Schultheiß
        • Menzel - Rüther Schultheiß
        • Kneblinghausen - Luigs Schultheiß
        • Westereiden und Oestereiden - Wittenbrink Schultheiß
        • Höynkhausen - Ströer Schultheiß
        • Drever - Sammelmann Schultheiß
        • Suttrop - Charbon Schultheiß
        • Kallenhardt - Schulte Schultheiß

      2. Seit 1828 (?)
        wurde eine andere Einrichtung getroffen, deren Wesen darin bestand, dass die vielen kleinen Schuldheißenbezirke vereinigt wurden in einen größeren Bezirk unter einem einzigen königlichen Beamten, der den alten Namen Bürgermeister wieder bekam, und aus der Gemeinde beigeordnete zur Seite hatte. In dieser zweiten Periode der preußischen Zeit nun bildete das Gogericht Rüden wieder ein Ganzes. Es war die Bürgermeisterei Rüden. Im Jahre 1828 war Rühl Bürgermeister, Advokat Förstige erster, Rentmeister Meyer zu Körtlinghausen zweiter Beigeordneter.


      3. (§.168.)
      4. Seit 1837
        endlich trat ein ganz neuer Zeitraum ein für das innere Gemeindeleben Rüdens durch Einführung der revidierten Städte-Ordnung vom 17. März 1831. Hierdurch erhielten die Bürger wieder ihren, von ihnen frei gewählten, Magistrat, dem eine Repräsentanten-Versammlung zur Seite ist, die aus einem Vorsteher und 8 Stadtverordneten, von denen einer Stellvertreter ist, besteht.

        Der Bürgermeister, so wie die beiden Ratsherren, so den Magistrat bilden, sind nunmehr städtische und nicht königliche Beamte. Dieser letzte Umstand machte aber eine Trennung der bisherigen Bürgermeisterei nötig, da der Magistrat nur für die Stadt war. Für das Land blieb die bisherige Einrichtung. Es stand unter einem königlichen Bürgermeister.

        Der Kreis Lippstadt bestand nunmehr aus drei Magistratsbezirken (Rüden, Lippstadt, Geseke) und 5 königlichen Bürgermeistereien (Rüden, Anröchte, Horn, Erwitte, Geseke). Also bestand nunmehr das Gogericht Rüden, nach der vorgenommenen Trennung von Stadt und Land (selbst die Stadtdörfer waren ihr unterworfen) aus 2 Bezirken:

        1. Magistratsbezirk Rüden,
          nur die Stadt selbst und die Mühlen befassend, mit 2040 Einwohnern. Im Jahre 1840 war folgendes städtisches Verwaltungspersonal:


          • Der Magistrat
            • Aug. Jungeblodt, Bürgermeister
            • J.C. Hille, Ratsherr
            • Ludwig, Ratsherr
            • Redelbronn sen., Ratsherr

          • Stadtverordnete
            • J.C. Förstige, Vorsteher
            • Knickenberg, Stellvertreter
            • Steuerempfänger Terstesse, Protokollführer
            • Klügel, Stellvertreter
            • Arns gen. Bester
            • Brand
            • Henze
            • Hellwig, Stellvertreter
            • Rau, Stellvertreter
            • Luigs, Kämmerer, Armen- und Kirchenkassen-Rendant

        2. Landbürgermeisterei Rüden
          umfasst 5 Kirchspiele (Suttrop, Kallenhardt, Miste, Langenstraße und Altenrüden) und 11 Landgemeinden (in dem Miste 2 und Altenrüden 6 Landgemeinden befasst). Im ganzen Bezirk wohnten 1840 3.933 Menschen, von denen allein auf das Kirchspiel Alten-Rüden 1.511, auf Stadt Kallenhardt 858, auf Kirchspiel Langenstraße 351, Miste 558, Suttrop 655 kommen.

          • Verwaltungspersonal
            • Bürgermeister - Wulff zu Rüden
            • Beigeordnete - Schulte zu Kallenhardt, Neumeier zu Nettelstädt
            • Kommunal-Rendanten - Schulte zu Kallenhardt, Prinz zu Drewer, Luigs zu Rüden, Clasen zu Suttrop

      5. Seit 1843.
        Dieser letzte Zeitraum in der Entwicklungsgeschichte des Gemeindewesens betrifft die Stadt als Magistratsbezirk nicht, wohl aber den Landbezirk. In diesem nämlich wurde durch Verfügung der königlichen Regierung zu Arnsberg vom 7. Oktober 1843 die Landgemeinde-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 31. Oktober 1841 eingeführt.

        An Stelle der ländlichen Bürgermeistereien sind die Ämter getreten, an die der Bürgermeister die Amtmänner. Die Bezirke sind ganz und gar geblieben, nur die Namen haben gewechselt. Auch bleibt der Amtmann ein von der Regierung ernannter Beamter, der der Oberaufsicht des Landrats und der Regierung anheim fällt.

        Die Ämter zerfallen in Gemeinden. Die Meistbeerbten haben das Gemeinderecht. Die Gemeindeverordneten sind die Vertretung der Gemeinden, ihr Vorsteher der Gemeindevorsteher (die vorläufig noch von den Landräten ernannt werden).

        Ein Stellvertreter ist der Beigeordnete. In allen Angelegenheiten, die sich auf den inneren Haushalt der Gemeinde beziehen, entscheidet die Gemeindeversammlung. Das bei solchen neuen Einrichtungen unverkennbare Zurückgehen auf uralte deutsche Gewohnheiten und rechte ist ein wahrer Fortschritt und ein Zeichen einer humanen Regierung. Die neueste politische Einteilung des Kreises Lippstadt ist demnach folgende:

        1. Magistraturen
          • Lippstadt
          • Geseke
          • Ruden

        2. Ämter
          • Störmede (Landbezirk Geseke)
            • Gemeinden
              1. Störmede
              2. Langeneike
              3. Ermsinghausen
              4. Ehringhausen
              5. Bönninghausen
              6. Mönnighausen

          • Erwittte
            • Gemeinden
              1. Erwitte
              2. Dedinghausen
              3. Esbeck
              4. Rixbeck
              5. Böckenförde
              6. Westernkotten
              7. Stirpe
              8. Weckinghausen
              9. Völlinghausen
              10. Eikeloh

          • Anröchte
            • Gemeinden
              1. Anröchte
              2. Berge
              3. Effeln
              4. Höynkhausen
              5. Oestereiden
              6. Wickede
              7. Westereiden
              8. Altenmelrich
              9. Clieve
              10. Mellrich
              11. Robringhausen
              12. Uelde
              13. Waltringhausen

          • Horn
            • Gemeinden
              1. Horn mit Mielinghausen
              2. Schmerlecke
              3. Seringhausen
              4. Merklinghausen mit Wiggeringhausen
              5. Bockum
              6. Norddorf
              7. Ebbinghausen
              8. Bermbrück
              9. Altengesecke
              10. Benninghausen
              11. Hellinghausen
              12. Heringhausen
              13. Overhagen
              14. Schallern

          • Altenrüden
            In allem mit 30975 (nämlich 28.174 katholischen, 2.182 evangelischen, 619 jüdischen) Einwohnern. Was nun wiederum Rüden mit seinem Bezirk betrifft, so ist der gegenwärtige Stand der Dinge so:
            1. Magistratsbezirk Rüden
              Ganz wie vor 1843
            2. Amt Altenrüden (Landbezirk Rüden 5.187 Einwohner im Jahre 1846). Enthält die
              • Gemeinden
                • Altenrüden, 397 Einwohner
                • Kallenhardt, 928 Einwohner
                • Drever, 369 Einwohner
                • Hemmern, 145 Einwohner
                • Kellinghausen, 101 Einwohner
                • Kneblinghausen, 224 Einwohner
                • Langenstraße, 170 Einwohner, mit Heddinghausen, 218 Einwohner
                • Miste, 383 Einwohner
                • Nettelstädt, 117 Einwohner
                • Menzel, 470 Einwohner
                • Suttrop, 725 Einwohner

                • d. i. genau der Bezirk der Bürgermeister Rüden. Einige Teile des alten Gogerichts Rüden waren schon früher von dem alten Einheitspunkte losgetrennt und zur Bürgermeisterei Anröchte geschlagen. Der bisherige Bürgermeister Wulff in Rüden ist zum kommissarischen Amtmann ernannt worden, und zu dessen Stellvertreter der Bürgermeister Jungeblodt zu Rüden.
      6. Seit 1845.
        Nach der Bekanntmachung vom 8. November 1845 ist im Kreise Lippstadt das bisherige Amt Horn aufgelöst und vier neue Ämter gebildet worden:


        1. Störmede
          Enthält alle Gemeinden des vormaligen Landbezirkes Geseke und die Gemeinden Dedinghausen, Esbeck, Rixbeck und Böckenförde des früheren Amtes Erwitte.
        2. Erwitte
          Enthält die übrigen Gemeinden des früheren Amtes Erwitte und die Gemeinden Benninghausen, Hellinghausen, Heringhausen und Overhagen des früheren Amtes Horn
        3. Anröchte
          Enthält die übrigen Gemeinden des früheren Amtes Horn und alle Gemeinden des seitherigen Amtes Anröchte mit Ausschluss der Gemeinden Effeln (363 Einwohner), Höinhausen (200 Einwohner), Oestereiden (623 Einwohner), Westereiden (305 Einwohner) und Wickede (49 Einwohner), welche
        4. mit dem ganzen Amt Rüden das neue Amt Altenrüden bilden. - Wulff ist zum Amtmann von Altenrüden ernannt.


        5. Jede der 17 Gemeinden hat ihren Gemeindevorsteher, deren Namen im Adressbuch der Provinz Westfalen abgedruckt sind. Zum Schluss nennen wir noch andere Beamte in Rüden, die zur Verwaltung gehören: Fahle, außergerichtlicher Auktions-Kommissar, Gerichts-Taxator Ludwig, zur Kreisjagdteilungs-Kommission gehört der Gerichtsdirektor Gremler. - In Rüden ist ein Hilfsverein für die Besserung der Gefangenen.


      (§.169.)
    4. Gesetzgebung
      Die Einführung des allgemeinen preußischen Landrechts nebst der allgemeinen Gerichtsordnung in dem Bezirke des Hofgerichts zu Arnsberg erfolgte durch Publikationspatent vom 21. Juni 1825 vom 1. Dezember ab. Indessen sind bis jetzt noch mehrere Titel des Landrechts suspendiert, statt welcher das Gemeine Recht in Kraft geblieben ist




|<< |< Inhalt >| >>|